Kind(er) und Business

Die Vereinbarkeit von Karriere und Familie stellt insbesondere Frauen vor Herausforderungen. Eine mögliche Lösung ist die Selbstständigkeit. Damit diese erfolgreich ist, bietet die IHK für München und Oberbayern Informationen und Beratung an.
Von Sabine Hölper, 7/2025
Die Ingenieurin Vicki Lichtenegger war viele Jahre als Projektleiterin in einem oberbayerischen Unternehmen beschäftigt. Nachdem 2017 ihr erstes Kind auf die Welt gekommen war, reduzierte sie ihre Arbeitszeit auf 30 Stunden. „Das ging“, sagt sie. Als dann 4 Jahre später das zweite Kind kam, konnte sie nur noch 12 Stunden im Unternehmen arbeiten. Damit war die verantwortungsvolle Position weg, der Frust groß.
Nach einem 3-wöchigen Urlaub in Schweden fasste sie den Entschluss, zu kündigen und eine eigene Firma zu gründen. In Kösching bei Ingolstadt eröffnete sie „ToBe work&care“, einen Coworking-Space mit integrierter Kita. „In der Festanstellung hätte ich Karriere und Familie nicht mehr unter einen Hut bringen können“, sagt sie. „Als Unternehmerin war es möglich.“
Wendepunkt Elternzeit
Vielen Frauen geht es ähnlich wie Lichtenegger. Sobald sie Mutter sind, wird es mit verantwortungsvollen Jobs und Aufstiegsmöglichkeiten schwieriger. „Mütter wünschen sich mehrheitlich, dass sie ihre Arbeitszeit reduzieren oder flexibel anpassen können, ohne negative Folgen für ihre Entwicklungsmöglichkeiten, dass die Teams Rücksicht auf die Öffnungszeiten von Betreuungseinrichtungen nehmen, dass sie die Möglichkeit bekommen, als Führungskraft in Teilzeit zu arbeiten“, zitiert Kirsten Frohnert, Projektkoordinatorin des Unternehmensnetzwerks „Erfolgsfaktor Familie“ eine eigene Studie aus dem Jahr 2024.
„Noch werden diese wichtigen Rahmenbedingungen in den Unternehmen aber nicht immer ausreichend erfüllt, die Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Karriere bleibt insbesondere für Frauen eine Herausforderung und ist häufig frustrierend“, sagt Frohnert. Tatsächlich verlieren die Unternehmen ein Drittel der Mütter nach der Elternzeit, so eine Befragung der Stepstone Group von 2023 – sei es an andere Unternehmen mit besseren Bedingungen zur Vereinbarkeit oder an die Selbstständigkeit. „Zu gründen und selbstständig zu werden, ist für Mütter auf jeden Fall eine Option“, beobachtet auch Frohnert.
Flexibler und selbstbestimmt
Auch für Tina Ruseva war das so. Die promovierte Akademikerin hatte eine hochdotierte Stelle, wurde aber während eines anschließenden MBA-Studiums schwanger. Sofort drehte sich der Jobmarkt, die Innovationsmanagerin schien für eine leitende Position nicht mehr gefragt. Also gründete sie 6 Monate nach der Geburt der Tochter ihr eigenes Unternehmen.
Mittlerweile hat sie 2 Kinder und bereits das dritte Unternehmen gegründet. Ihre aktuelle Firma Mentessa ist seit fast 7 Jahren auf dem Markt. „Die Selbstständigkeit hat den großen Vorteil, dass man flexibler ist“, sagt Ruseva. Außerdem sei man selbstbestimmt. Das wünscht sie jede Frau. „Sie sollten sich von dem Druck, dies oder das tun zu müssen, befreien.“
Gut vorbereiten
„Die Selbstständigkeit ist eine Möglichkeit, um Beruf und Familie miteinander zu vereinbaren“, bestätigt auch Dorothee von Krshiwoblozki, Referentin Selbstständige bei der IHK für München und Oberbayern. „Sie bietet mehr Freiheiten“, sagt sie.
Zugleich müsse sie aber auch gut überlegt sein: Selbstständigen fehlt die Sicherheit des Angestelltendaseins, sie haben viel mehr Eigenverantwortung, müssen sich zum Beispiel selbst um die Krankenversicherung und die Altersvorsorge kümmern. Und wenn das Kind krank ist, gibt es keine bezahlten Auszeiten. Von Krshiwoblozki betont: „Wer den Weg der Selbstständigkeit mit Kindern wählt, übernimmt viel Verantwortung. Wir wissen das und wollen die Selbstständigen stärken – mit Veranstaltungen, Beratungen und der Interessensvertretung gegenüber der Politik.“
Das A und O: Disziplin
Dass es kein Spaziergang ist, als Mutter ein Unternehmen zu gründen, weiß auch Ruseva. „Der Stress im Start-up war groß“, sagt sie. Um mehr Zeit für die Kinder zu haben, ist sie zwischenzeitlich 5 Jahre ins Angestelltenverhältnis zurück. Lichtenegger beobachtet in ihrem Coworking-Space ebenfalls, dass die Frauen, die sich mit Kind selbstständig machen, kämpfen. „Sie brauchen viel Disziplin, um erfolgreich zu werden.“
Lichtenegger beobachtet in ihrem Coworking-Space ebenfalls, dass die Frauen, die sich mit Kind selbstständig machen, kämpfen. „Sie brauchen viel Disziplin, um erfolgreich zu werden.“
Vereinbarkeit stärken
Zugleich sind Frauen das größte Potenzial für die Bewältigung des Fachkräfteproblems. Daher sollten sich „Arbeitgeber im Gegenzug Gedanken darüber machen, wie sie Mütter nicht verlieren und sie halten, indem sie ihnen bei der Vereinbarkeit entgegenkommen und sie unterstützen“, sagt IHK-Fachkräftereferentin Marlene Eder. Etwa mit individuellen Arbeitszeitmodellen oder betrieblichen Kitas. Genau dafür wirbt im Übrigen auch Lichtenegger mit ihrem neuen Unternehmen „Careakter“. Es bietet modulare Betriebskitas für jede Lebensphase.
IHK-Veranstaltungstipp: Neue Veranstaltungsreihe „Selbstständige stärken – gemeinsam diskutieren, informieren, verändern“ am 22. Juli und 23. September 2025
Bei der neuen Veranstaltungsreihe „Selbstständige stärken – gemeinsam diskutieren, informieren, verändern“, die die IHK für München und Oberbayern mit dem Verband der Gründer und Selbstständigen Deutschland e.V. (VGSD) anbietet, können Selbstständige Erfahrungen austauschen, Wünsche an die Politik adressieren und wertvolle Informationen in den Alltag mitnehmen. Selbstständige können sich bereits dazu anmelden für den 22. Juli und für den 23. September.