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Ausbilden und integrieren

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Im Vorstellungsgespräch – Ausbildung als guter Start ins Leben gerade auch für junge Geflüchtete

Geflüchtete dürfen grundsätzlich eine Ausbildung machen. Insbesondere kleinere Betriebe können von ihrem Potenzial profitieren.

Von Gabriele Lüke, 04/2024

Es sei der Geschäftsleitung stets eine Herzensangelegenheit, Menschen auszubilden, die es im Leben bislang nicht so leicht hatten und dadurch schwerer einen Zugang zum Arbeitsmarkt finden, sagt Samuel Süßmeier. Er ist Ausbildungsleiter beim Biolebensmittelhändler Biomichl oHG in Weilheim. Auch junge Geflüchtete nimmt das Unternehmen immer wieder an Bord. „Sie haben oft traumatische Erlebnisse hinter sich. Es ist gut, wenn sie in festen Strukturen ankommen und sich ein eigenes Leben aufbauen können“, sagt er. „Dazu möchten wir beitragen.“ Aktuell lernt ein junger Mann aus Syrien bei Biomichl den Beruf des Verkäufers.

Ob Herzensangelegenheit oder auch der allgegenwärtige Azubimangel: „Geflüchtete stehen dem Ausbildungsmarkt zur Verfügung, bieten viel Potenzial. Unternehmen sollten es nicht verschenken“, betont Petra Kremer, Integrationskoordinatorin der IHK für München und Oberbayern. „Zugleich tragen Betriebe mit der Ausbildung von Geflüchteten zur Integration und Chancengerechtigkeit bei.“

Win-Win-Situation für kleine Betriebe

Gerade für kleinere Unternehmen könne sich bei der Ausbildung von Geflüchteten eine spezielle Win-Win-Situation ergeben, beobachtet Kremer: „Um sich im neuen Heimatland Chancen zu erarbeiten, sind die Geflüchteten sehr motiviert und engagiert. Von diesem Engagement profitiert der Betrieb.“ Umgekehrt kommen den Geflüchteten die zumeist familiäreren Strukturen kleinerer Firmen entgegen. „Sie werden oftmals persönlicher eingebunden und gefördert“, so Kremer. „Das hilft je nach der Fluchtgeschichte, die sie mitbringen.“

Wie kommen Unternehmen und Geflüchtete zusammen? Bei Biomichl ist der junge Mann auf das Unternehmen zugegangen. „Er hat gehört, dass wir immer wieder Geflüchtete ausbilden, hat Vertrauen gewonnen und sich beworben“, so Süßmeier. IHK-Expertin Kremer ergänzt: „Oft ergibt sich eine Ausbildung, weil Geflüchtete in den Betrieben jobben und man sich schon kennt. Unternehmen können aber auch aktiv auf das Integrationsteam der IHK für München und Oberbayern zugehen, Kontakt dazu mit der Agentur für Arbeit, dem Jobcenter oder zu Organisationen wie SocialBee aufnehmen, die auf die Vermittlung von Geflüchteten spezialisiert sind.“

Asylrecht ermöglicht Ausbildung

Aktuell sind rund 1.200 geflüchtete junge Menschen aus unterschiedlichsten Herkunftsländern in München und Oberbayern in Ausbildung. Das sind die asylrechtlichen Voraussetzungen:

  • Wer eine Anerkennung, also Aufenthaltserlaubnis, hat, muss keine besonderen Regeln beachten, sondern hat einen unbeschränkten Zugang zum Ausbildungsmarkt.
     
  • Geflüchtete, die sich noch im laufenden Asylverfahren befinden (Gestattung) oder deren Asylantrag abgelehnt wurde, aber die aus diversen Gründen nicht ausreisen können (Duldung), benötigen grundsätzlich eine Ausbildungserlaubnis. Sie muss vor Ausbildungsbeginn bei der zuständigen Ausländerbehörde beantragt werden. Ausgenommen davon sind Geflüchtete aus der Ukraine, die freien Zugang zum Ausbildungs- und Arbeitsmarkt haben.   
     
  • Asylbewerber und Geduldete beziehungsweise ihre Ausbildungsbetriebe profitieren zudem von der 3+2-Regelung: Diese besagt, dass Azubis mit abgelehntem Asylantrag für die restliche Dauer ihrer Ausbildung in Deutschland bleiben dürfen und dass sie auf Antrag gegebenenfalls im Anschluss zwei Jahre als Fachkraft im erlernten Ausbildungsberuf arbeiten können. Die Auszubildenden müssen die Ausbildungsduldung bei der zuständigen Ausländerbehörde beantragen.
     
  • Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz bietet neue Optionen: Es ermöglicht etwa die Umwandlung der Ausbildungsduldung (3+2) in einen neuen „Aufenthaltstitel zum Zweck der Berufsausbildung für ausreisepflichtige Ausländer“ – den sogenannten Spurwechsel.
IHK-Integrationsteam hilft Betrieben durch die Bürokratie

„Der Arbeitsmarktzugang ist, wenn es noch keine Aufenthaltserlaubnis gibt, durchaus bürokratisch und komplex“, räumt IHK-Fachfrau Kremer ein. Genau deshalb hat die IHK für München und Oberbayern 2016 das Integrationsteam geschaffen. Es berät und hilft interessierten Betrieben bei allen Fragen rund um die Ausbildung junger Geflüchteter, ist sehr gut mit Behörden, Organisationen und der Arbeitsagentur vernetzt. Mit dem Tool check.work stellt das Integrationsteam Unternehmen ein Instrument zur Verfügung, um schnell und niederschwellig die Kompetenzen der Kandidaten zu ermitteln. Auch junge Menschen mit Flucht- oder Migrationsgeschichte unterstützt das Team vor, während und nach der Ausbildung mit individuellen Beratungen, Workshops und Sprachförderangeboten.

Gutes Sprachniveau ist entscheidend

Wie gelingt der Einstieg in die praktische Ausbildung am besten? Kremer gibt diese Tipps: Die Erfahrung zeigt, dass das Sprachniveau B1 erreicht sein sollte, damit die jungen Menschen die Ausbildung gut stemmen können. „Den Geflüchteten vor dem Ausbildungsstart ergänzend einen berufsbezogenen Sprachkurs zu ermöglichen, kann ebenfalls sehr hilfreich sehr.“ Gemeinsam mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat die IHK hier ein kostenloses Onlineangebot vor Ausbildungsbeginn aufgebaut. Auch das Münchner Kombimodell bei der Ausbildung zum Verkäufer hat die IHK mitkonzipiert. Es orientiert sich an der Teilzeitausbildung und sieht einen zusätzlichen Berufsschultag vor, damit die Geflüchteten den Schulstoff leichter bewältigen und mehr Sprachförderung direkt in der Berufsschule erhalten können. Zugleich rät Kremer, die Förderangebote der Arbeitsagentur zu nutzen, etwa die Einstiegsqualifizierung (EQ) oder die assistierte Ausbildung.

Individuelle Unterstützung

Auch Ausbildungsleiter Süßmeier hatte Kontakt zum Integrationsteam der IHK. Zugleich ist die Biomichl-Personalabteilung gut mit dem Landratsamt vernetzt, die Prozesse bei der Einstellung von Asylbewerbern und Geduldeten sind inzwischen eingespielt. Sowohl die 3+2-Regel als auch die Einstiegsqualifizierung sind dem Unternehmen vertraut. „Insgesamt haben wir die 3+2-Regelung schon viermal in Anspruch genommen und die jungen Menschen dann fest ins Team integriert; die EQ nutzen wir auch aktuell“, freut sich Süßmeier. Zugleich bemüht sich der Bio-Handel stets um eine ganz individuelle zusätzliche Unterstützung der Azubis. So bekommt der junge Syrer, der derzeit ausgebildet wird, speziell frei, um ein auf ihn zugeschnittenes Nachhilfeangebote wahrzunehmen. Zudem können die Azubis bei Biomichl über eine E-Learning-Plattform während der Arbeitszeit Schulungen absolvieren, für die es dann bei Bestehen ein Zertifikat gibt. „Wir machen mit solchen Ansätzen gute Erfahrungen, haben engagierte Azubis und freuen uns, wenn die jungen Geflüchteten sich über uns gut ins Arbeitsleben einfinden und weiterkommen.“

IHK-Info zur Ausbildung von Geflüchteten

Die Informationen der IHK sind auf der Ratgeber-Website „Integration – Chancen durch Berufsausbildung“ zusammengefasst.

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