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Beraten und begleiten

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Die EAA helfen Arbeitgebern, Menschen mit Behinderung einzustellen

Unternehmen, die Menschen mit Behinderung beschäftigen möchten, erhalten kostenlose und unbürokratische Unterstützung durch die Einheitlichen Ansprechstellen für Arbeitgeber in Bayern, kurz EAA. Martina Wagner-Stragies, Teamleitung der EAA-Region München, und ihr Stellvertreter Timo Weier erklären, wie das Angebot funktioniert.

Von Gabriele Lüke, 10/2023

Ein kleines Unternehmen möchte einen Jugendlichen im Rollstuhl ausbilden. Ein anderer Betrieb hat eine IT-Spezialistin mit Autismus-Syndrom im Auge und möchte sie anstellen. Warum sind die beiden Firmen bei den EAA richtig?

Martina Wagner-Stragies: Als Einheitliche Ansprechstellen für Arbeitgeber in Bayern, kurz EAA, beraten wir Unternehmen zu allen Fragen rund um die Beschäftigung von Menschen mit Behinderung. Das vornehmliche Ziel ist immer die Einstellung. Wir unterstützen kostenlos und unbürokratisch. In den beiden skizzierten Fällen würde unser Team Fördermittel ins Spiel bringen: Das eine Unternehmen könnte für den Rollstuhlfahrer etwa den Eingangsbereich barrierefrei umbauen, das andere für die Autistin einen persönlichen Assistenten engagieren. Beides kann durch Zuschüsse finanziell abgefedert werden.

Sie begleiten große wie kleine Unternehmen.

Timo Weier: Ja. Da kleine Unternehmen in der Regel keine eigene Personalabteilung, keinen Inklusionsbeauftragten, weniger Kapazitäten haben, sind sie mehr als große auf externen Rat und Begleitung angewiesen. Wir sind also insbesondere auch für sie eine nützliche Anlaufstelle.

Geschätzte Mitarbeitende

Ein weiteres Szenario: Ein Mitarbeiter erkrankt schwer, erhält dann einen Behindertenstatus. Der Betrieb möchte ihn weiterbeschäftigen. Auch das kommt häufig vor?

Wagner-Stragies: Ja, auch in Fragen der Weiterbeschäftigung sind die EAA Ansprechpartner. Die meisten Behinderungen sind tatsächlich nicht angeboren. Sie entstehen im Laufe des Lebens durch Erkrankungen, Unfälle, psychische Belastungen. Gerade kleinere Unternehmen sind sehr engagiert, um Mitarbeitende in solchen Situationen nicht fallen zu lassen. Hier sind die Bindungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern ja in der Regel sehr eng, sehr persönlich. Zudem ist es für kleinere Unternehmen in Zeiten den Fachkräftemangels noch schwieriger, neue Beschäftigte zu finden. Sie sind umso mehr darauf angewiesen, Mitarbeitende zu halten. Oft reichen ein paar Veränderungen am Arbeitsplatz, zur Arbeitszeit oder Funktion und es kann weiter gehen.

Die Beschäftigung von Menschen mit Behinderung ist gesetzlich geregelt. Demnach wären die kleineren Unternehmen eigentlich außen vor.

Wagner-Stragies: Grundsätzlich ja. Erst Betriebe ab 20 Mitarbeitende müssen Menschen mit Behinderung verpflichtend anstellen und fünf Prozent der Arbeitsplätze mit ihnen besetzen. In der Praxis läuft es dann aber, wie wir gesehen haben, doch immer wieder anders. Man möchte einen geschätzten Mitarbeiter weiterbeschäftigen, einem Menschen gern eine Chance geben.

Lotse durch den Förderdschungel

Wie helfen Sie genau?

Wagner-Stragies: Die EAA sind aus dem Teilhabestärkungsgesetz (TeilhStG) hervorgegangen. Sie sind gesetzlich im Sozialgesetzbuch IX verankert. Es gibt sie in jedem Bundesland. In Bayern setzen die Integrationsfachdienste ifd das Angebot in zwölf regionalen Ansprechstellen um. Bislang war es für den Arbeitgeber eher unübersichtlich, an wen er sich mit seinen Fragen wenden sollte. Die Bundesagentur für Arbeit, die Jobcenter, die Rentenversicherung, die Integrationsfachdienste, die Inklusionsämter und auch Kammern – sie alle informieren und/oder beraten ja zu dem Thema. Es brauchte Lotsen. Das sind die EAA. Es war übrigens insbesondere auch ein langjähriger Wunsch der Arbeitgeber, dass es eine solche Stelle wie uns gibt.

Sie sorgen also für den Überblick ...

Weier: ... und verweisen an die passende Stelle, helfen beim Ausfüllen der Förderanträge, begleiten den praktischen Integrationsprozess. Auch gehen wir in die Unternehmen, klären über Behinderungen auf, halten Vorträge, sensibilisieren die Belegschaften oder erläutern den praktischen Umgang mit den verschiedenen Behinderungsformen. Durch die Einführung der EAA wurde also eine langjährige Lücke geschlossen: Arbeitgeber werden nun aus einer Hand bei der Einstellung, Ausbildung sowie bei Antragstellung unterstützt – so gelingt die Teilhabe am Arbeitsleben  besser.

Schon 100 Personen in Arbeit gebracht

Stichwort Förderung – was wird alles gefördert?

Weier: Die Förderung ist sehr umfangreich: Lohnzuschüsse, technische Hilfen, Assistenzpersonen, Blindenhunde. Dabei wird jeder Fall individuell betrachtet. Apropos: Wir gehen davon aus, dass insbesondere die technische Unterstützung durch vielfältige digitale Apps in Zukunft Fahrt aufnehmen wird.

Wie ist Ihre Arbeit angelaufen?

Weier: Seit der Eröffnung vor anderthalb Jahren hatten wir Kontakt zu rund 5.000 Arbeitgebern, fast 100 Menschen mit Behinderung haben mit uns Arbeit gefunden. Das werten wir als großen Erfolg und sehen den enormen Bedarf, den Arbeitgebern mit Rat und Tat zur Seite zu stehen, bestätigt.

Fachkräftesicherung im Fokus

Unternehmen lösen mit Ihrer Hilfe vielleicht auch ihr Fachkräfteproblem?

Wagner-Stragies: Das ist ein wichtiger Punkt. Behinderung wird nach wie vor mit verminderter Leistungsfähigkeit, hohem Unterstützungsaufwand und unmöglicher Kündigung gleichgesetzt. Das stimmt so aber nicht: Menschen mit Behinderung sind oft sehr gut qualifiziert, hoch motiviert und gute Teamplayer. Es gibt Unterstützung und Förderung. Kündigungen sind zwar aufwändiger, aber wie in anderen Zusammenhängen auch möglich. Unternehmen vergeben Chancen, wenn sie Menschen mit Behinderung nicht als Fachkräfte in den Blick nehmen.

Kennenlernen und passgenaue Lösung finden

Was raten Sie kleinen Unternehmen, die sich entschlossen haben, Menschen mit Behinderung neu an Bord zu holen oder auszubilden?
Weier: Sich über ein Praktikum kennenzulernen ist ein guter erster Schritt. Dann sollten die zukünftigen Arbeitgeber mit dem potenziellen Teammitglied über die Behinderung und die Notwendigkeiten, die daraus für den individuellen Arbeitsprozess resultieren, austauschen. Mit all diesen Informationen und ihren Fragen kommen sie zu uns – und dann setzen wir gemeinsam eine passgenaue Lösung um.

Kurzinfo zu den EAA

Die Einheitlichen Ansprechstellen für Arbeitgeber (EAA) beraten zu allen Fragen rund um die (Weiter-)Beschäftigung von Menschen mit Behinderung.

  • Individuelle Beratung zu allen Leistungen
  • Vernetzung mit weiteren Ansprechstellen
  • Regionale Ansprechstellen in der Nähe
  • Kostenfreie Service-Nummer: 0800 90 40 001
IHK-Service zu Menschen mit Behinderung

Die IHK für München und Oberbayern informiert zur

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