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Selbstständigkeit: Wenn der Schein trügt

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Nur eine Statusfeststellung gibt Aufschluss darüber, ob Scheinselbstständigkeit vorliegt oder nich

Gerade bei Einzelunternehmern und Gründern besteht die Gefahr, dass sie als scheinselbstständig gelten. Wie sich das Risiko minimieren lässt.

Von Eva Müller-Tauber, 01/2024

Abhängige Beschäftigung oder tatsächlich selbstständige Tätigkeit? Oft stehen besonders Einzelunternehmer und Gründer vor dem Problem, dass nicht klar ersichtlich ist, ob aus Sozialversicherungssicht nicht doch eine Scheinselbstständigkeit vorliegt, die für Auftraggeber wie Auftragnehmer unangenehme Konsequenzen haben kann.

Besonders wichtig ist der Ausschluss einer Scheinselbstständigkeit für den Auftraggeber. Wird zum Beispiel im Rahmen einer Betriebsprüfung nachgewiesen, dass ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vorliegt, können Sozialversicherungsbeiträge nachgefordert werden.

Der Arbeitgeber ist Beitragsschuldner des Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteils. Der zuvor unterbliebene Abzug des Arbeitnehmeranteils lässt sich gegenüber dem Beschäftigten lediglich bei den folgenden drei Gehaltszahlungen nachholen.

Statusfeststellung: nur Momentaufnahme

Wirklich Klarheit, ob selbstständig oder abhängig beschäftigt, kann lediglich eine Statusfeststellung bei der Deutsche Rentenversicherung bringen. „Aber so ein Verfahren lässt sich grundsätzlich nur für ein konkretes Auftragsverhältnis anfragen, und dies sollte am besten auch nur mit qualifizierter Unterstützung eines Anwalts erfolgen“, betont IHK-Arbeitsrechtsexpertin Frauke Kamp.

Zudem sei es wegen der Verfahrensdauer insbesondere bei Aufträgen mit geringem Umfang nicht uneingeschränkt zu empfehlen. Und es handle sich hierbei stets nur um eine Momentaufnahme, so die Rechtsexpertin. „Ändert sich etwas am Vertragsverhältnis, wirkt sich das mitunter auch auf den Status aus.“

Neue Variante: Gruppenfeststellung

Zu beachten sei zudem, dass sich auch die Einordnung stets nur auf ein konkretes Vertragsverhältnis bezieht: „Es wird also nicht eine allgemeine Eigenschaft der Person festgestellt, sondern der Rechtscharakter eines spezifischen Auftrags.“ Zwar gebe es seit 2022 die neue Möglichkeit der sogenannten „Gruppenfeststellung. Diese Variante ermöglicht es aber lediglich Auftraggebern, nach einer konkret erfolgten Feststellung auch eine Einordnung für weitere, in gleichen Auftragsverhältnissen tätige Auftragnehmer zu erhalten. „Auftragnehmer können dagegen auch weiterhin eine Statusfeststellung nur für ein konkretes Vertragsverhältnis erhalten.“

Kein eigener Rechtsbegriff

Was alternativ bleibt ist, das Risiko weitmöglichst zu minimieren, als scheinselbstständig zu gelten. Hierzu ist es erst einmal wichtig zu wissen, wann genau es mit dem Begriff auf sich hat. Von einer Scheinselbstständigkeit spricht man, wenn:

  • die Vertragsparteien eine selbstständige Tätigkeit annehmen,
  • daher auch keine Beiträge zur Sozialversicherung abführen,
  • die Tätigkeit sich aber unter Berücksichtigung aller Umstände de facto als abhängige Beschäftigung darstellt.

„Scheinselbstständigkeit ist somit kein eigener Rechtsbegriff, sondern führt im Ergebnis zum Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses. Die Prüfung, ob es sich um eine selbstständige oder eine abhängige Beschäftigung handelt, gestaltet sich in vielen Fällen komplex“, so Kamp.

In die Organisation eingebunden zu sein, erhöht das Risiko

Ein klassischer Fall: Eine ehemalige Arbeitnehmerin in einer Werbeagentur wird nach der Elternzeit auf der Basis eines freiberuflichen Vertrages beschäftigt. Die Frau arbeitet Vollzeit in den Räumen der Agentur und die tägliche Arbeit lässt ihr keine Zeit, auch für andere Kunden tätig zu sein. Ihre Arbeitszeit stimmt sie mit den Urlauben festangestellter Mitarbeiter ab. „Das Risiko, als Scheinselbstständige eingestuft zu werden, also die Feststellung einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung, ist in diesem Fall groß. Denn ausschlaggebend bei der Beurteilung ist, ob der Auftragnehmer wie ein Mitarbeiter in die Organisation des Auftraggebers eingebunden und weisungsgebunden ist.“ Wird die abhängige Beschäftigung festgestellt, besteht Sozialversicherungspflicht.

Anders herum löst die Tatsache allein, dass ein Unternehmer oder Freiberufler vorübergehend nur für einen einzigen Auftraggeber arbeitet, nicht automatisch Scheinselbstständigkeit aus. „Das ist lediglich ein Indiz, kann diese aber nicht allein begründen“, so IHK-Juristin Kamp.

Selbstständig? Diese Indizien sprechen dafür
Folgende Anhaltspunkte können für eine selbstständige Tätigkeit im sozialversicherungsrechtlichen Sinn sprechen:

  • eigener Unternehmensauftritt nach außen (Werbung)
     
  • keine oder eine nur geringe Einbindung in die interne Organisation des Auftraggebers (zum Beispiel keine oder nicht regelmäßige Teilnahme an Meetings und internen Briefings)•    Ort und Zeitplanung sind dem Selbstständigen überlassen
     
  • der Selbstständige arbeitet in einer eigenen Betriebsstätte
     
  • im Zusammenhang mit der Ausübung der Tätigkeit beschäftigt er einen eigenen Angestellten
     
  • der Auftragnehmer setzt eigenes Kapital und die eigene Arbeitskraft unter Risiko eines Verlusts ein. Besonders wichtig sind die selbst getragene unternehmerische Entscheidungsfreiheit und das unternehmerische Risiko.
     
  • eine Vergütung, die weit über dem für sozialversicherungspflichtige Angestellte Üblichen liegt und somit Eigenvorsorge ermöglicht
Rechtsform kein Schutz

Häufig wird dazu geraten, als Kapitalgesellschaft, etwa als GmbH zu agieren, um eine Scheinselbständigkeit zu vermeiden. Dabei sei aber zu beachten, dass eine Leistungserbringung als GmbH nicht in jedem Fall einer Einstufung als Scheinselbständiger entgegensteht. Auch bei der Rechtsform handelt es sich lediglich um ein Indiz, erklärt Kamp. „Insbesondere bei einer Ein-Mann-GmbH ist es durchaus denkbar, dass bei ausgeprägter Weisungsabhängigkeit und Eingliederung in den Betrieb des Auftraggebers dennoch eine abhängige Beschäftigung bejaht wird“.

IHK-Info: Statusfeststellungsverfahren

Im Statusfeststellungsverfahren/Anfrageverfahren gemäß § 7a Sozialgesetzbuch (SGB) IV können Auftraggeber und Auftragnehmer eine Entscheidung zum Status eines Erwerbstätigen beantragen. Über den Antrag entscheidet die Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung Bund auf Grund einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls.

Wer eine Statusfeststellung anstrebt, kann hier die Antragsformulare herunterladen. Dort und unter der kostenlosen Service-Nummer 0800-1000 480 70 bietet die Deutsche Rentenversicherung zudem weitere Informationen zum Thema.
Umfassende IHK-Informationen zur Scheinselbstständigkeit auf der Website.

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