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Von München aus das Meer retten

Ina Zabel ©
Die Gründer Joshua Linn (l.) und Philip Mayer wollen mit TheOceanPackage Verpackungsmüll und Meeresplastik reduzieren

Joshua Linn und Philip Mayer produzieren mit ihrer Firma TheOceanPackage Mehrwegboxen für den Versandhandel. Um diesen ohnehin nachhaltigen Ansatz weiter zu steigern, setzen sie Meeresplastik ein.

Von Gabriele Lüke, 11/2023

Corona, Lockdown, Shoppen unmöglich, alle bestellen übers Internet und lassen sich ihre Waren nach Hause schicken. Das ist gerade mal dreieinhalb Jahre her. „Und es hat auch genervt. Die Papiertonnen liefen ständig über, wir sind im Verpackungsmüll regelrecht ertrunken“, sagt Joshua Linn. Das müsste doch anders gehen, nachhaltiger, dachte er sich.

Wäre nicht vielleicht auch im Versandhandel ein Mehrweg- statt Einwegsystem machbar?

Wie schon früher, wenn ihn eine Idee beschäftigte, rief er seinen Freund Philip Mayer an. Die beiden sind im Münchner Stadtteil Lehel zusammen aufgewachsen. Mayer sprang sofort auf die Idee an. Die beiden telefonierten, gingen in Klausur. Heraus kam eine komplexe Geschäftsidee mit nachhaltigem Anspruch. „Wir hatten beschlossen, tatsächlich Mehrwegverpackungen für den Versandhandel zu produzieren. Um die ökologische Wirkung noch zu steigern, sollten die Verpackungen zu mindestens 25 Prozent aus Meeresplastik bestehen“, so Mayer. 2021, noch in der Coronazeit, gründeten sie in München die TheOceanPackage UG. Ein privater Investor sicherte die Gründung finanziell ab.

Nicht reden – machen!

Dass Meeresplastik in den Verpackungen verwendet werden sollte, hatte nicht zuletzt familiäre Gründe. „Ich habe Verwandte in Lateinamerika. Sie erleben, wie ihre Strände immer wieder von Plastikabfällen verschmutzt werden“, erzählt Mayer. „Ganz abgesehen von unserer Liebe zum Meer und unserem Bewusstsein für die ökologische Bedeutung der Ozeane wollten wir mit TheOceanPackage auch ein persönliches Zeichen setzen.“

Inzwischen haben die beiden Gründer ein Team von weiteren 6 engagierten Mitarbeitenden an ihrer Seite. Sie haben bereits 10.000 Mehrweg-Plastikversandboxen im Umlauf und mit dem Onlinemodehändler Outfittery GmbH einen ersten großen Kunden. Wenn ein geliefertes Kleidungsstück nicht passt, können und sollen die Besteller die OceanPackage-Verpackungen zum Rückversand nutzen. Passt alles, lässt sich die Box klein wie ein Brief falten und geht ebenfalls an den Händler zurück. Der nutzt sie dann für den nächsten Versand. Wenn die Boxen abgenutzt sind, werden sie recycelt. „Das geht bei Plastik bis zu 40 Mal“, sagt Linn.

Höherer Impact durch Meeresplastik

„Wir sind wirklich glücklich, dass der Start gelungen ist“, freuen sich die beiden Gründer. „Wir haben für die Idee gebrannt, wollten sie unbedingt realisieren, auch wenn wir am Anfang von Plastik und Produktion wenig wussten, Wissen erst noch aufbauen mussten.“ Mitgebracht haben sie über ihre Ausbildungen Kenntnisse in Wirtschaftswissenschaften (Joshua Linn) und Logistik und Vertrieb (Philip Mayer). Über Kunststoffe an sich, Meeresplastik, Zulieferung und Herstellung haben sie sich dann durch intensive Recherche schlau gemacht. „Als wir wussten, was wir brauchen, haben wir nach passenden Kooperationspartnern gesucht“, sagt Linn. Das Meeresplastik liefert ihnen Honest Ocean, eine Firma in Indonesien. Sie sammelt Plastikabfälle am Strand ein und verarbeitet sie zu Granulat. Die Versandboxen selbst, in die das Granulat einfließt, produziert ein Partner in Italien. Lieferketten, Logistik und Vertrieb werden von München aus gesteuert.

Mindestens 50.000 Boxen bis Ende 2023

Aktuell steht die Expansion auf der Tagesordnung. Bis Ende 2023 sollen 50.000 bis 100.000 Boxen produziert und weitere Großkunden akquiriert sein. Gespräche mit weiteren Finanziers stehen an. Und auch der ökologische Impact soll weiter wachsen. „In Indonesien, vielen anderen Meeresanrainern in Asien und auch in Lateinamerika gibt es keine Müllsammelstellen. Solche könnten aber verhindern, dass so viel Plastik an den Stränden und im Meer landet. Das würden wir gern mit Honest Ocean angehen“, sagt Mayer. Auch der Transport des Granulats per Schiff könnte nachhaltiger werden, findet er. „Unsere Freundin Amelie Binder, die wir auch von früher aus dem Lehel kennen, will mit ihrer Firma CargoKite die Seefahrt ökologischer machen. Da werden wir ins Gespräch gehen.“

Der Stadtteil Lehel in München, fast schon im Voralpenland, Luftlinie rund 300 Kilometer vom nächsten Meer entfernt, scheint ein erstaunlich gutes Ökosystem für Meeresretter und -retterinnen zu sein. Auf jeden Fall aber für Gründungswillige: „Wir können die Selbstständigkeit nur empfehlen“, sagt Mayer. „Wer eine gute Idee hat, sollte nicht warten, sondern einfach anfangen. Es macht Spaß, ist gute Art der Selbstverwirklichung – und je nach Geschäftsidee kann man auch ein bisschen die Welt retten.“

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