Freier Handel | Standortpolitik
Eine Alternative zu China
Großer Absatzmarkt, junge Bevölkerung, Zukunftstechnologien, Emanzipation gegenüber der Abhängigkeit von China – die ASEAN-Staaten sind aus vielen Gründen attraktiv.
Von Sabine Hölper, IHK-Magazin 07-08/2024
Ob Ballbesitz oder Torchancen – während Sportevents wie der Fußball-EM sehen Zuschauer bei den TV-Übertragungen etliche Statistiken. Was viele nicht wissen: Die Daten kommen meist von den Philippinen. Viele deutsche Unternehmen betreiben hier Business Process Outsourcing (BPO), sagt Christopher Zimmer (59), Geschäftsführer der AHK Philippinen in Manila.
Unter BPO versteht man die Auslagerung sekundärer Unternehmensprozesse an externe Dienstleister. Die Philippinen gelten als guter Standort dafür. Die Bevölkerung des Landes ist mit im Schnitt 25 Jahren jung und „sehr ehrgeizig“, sagt Zimmer. Außerdem sprechen die meisten Filipinos Englisch, die Kultur ist der westlichen sehr ähnlich. Das sind gute Bedingungen für bayerische Firmen, um auf den Philippinen zu investieren.
Attraktiv: 10 Staaten, 670 Millionen Einwohner
Und nicht nur dort. Der gesamte ASEAN-Raum wird für den bayerischen Mittelstand zunehmend attraktiv. Zur Vereinigung ASEAN (Association of Southeast Asian Nations) gehören neben den Philippinen Brunei, Indonesien, Kambodscha, Laos, Malaysia, Myanmar, Singapur, Thailand und Vietnam. Zusammen kommen die 10 Staaten auf rund 670 Millionen Einwohner. Damit ist das Gebiet auch als Absatzmarkt für Konsumgüter interessant.
Ein weiterer Grund, warum die deutsche Wirtschaft ihre Aktivitäten verstärkt in den ASEAN-Raum verlagert, liegt etwas weiter nördlich: in China. Das Reich der Mitte schottet sich seit Jahren immer mehr ab. Im vergangenen Sommer hat die deutsche Bundesregierung ihre China-Strategie veröffentlicht und rät darin der Wirtschaft zu einer klaren Risikostrategie und Lieferkettendiversifizierung. Viele Unternehmen haben darauf reagiert und suchen nach Ausweichmöglichkeiten, etwa in den ASEAN-Ländern.
Neue Diversifizierungs Desks helfen Firmen
Beraten lassen können sich die Firmen dazu in einem der neu eingerichteten Diversifizierungs Desks, etwa in Vietnam, Indonesien oder China. Den Diversifizierungs Desk in Peking leitet Jonathan Schoo (41). Die geopolitischen Spannungen würden mittlerweile eine Neuorientierung nötig machen, sagt er. Hinzu kämen eine in China schwächelnde Wirtschaft und noch immer zum Teil unterbrochene Lieferketten.
Es sei zwar schon längst nicht mehr von Decoupling (dt. „Entkopplung“) die Rede, sagt Schoo. Die deutschen Firmen in China ließen sich allerdings immer häufiger über Möglichkeiten der Diversifizierung beraten, zum Beispiel in Webinaren oder persönlichen Gesprächen. Darin erfahren sie von den naheliegenden Alternativen in der ASEAN-Region. Vor allem Länder wie Vietnam, Thailand, Malaysia und Indonesien stehen dort im Fokus.
Singapur: Stadtstaat überzeugt
Aber auch Singapur gilt als Hub für ausländische Investoren, weiß Tim Philippi (61), Geschäftsführer der AHK Singapur. „Viele deutsche Firmen haben ihren Hauptsitz für die Region in Singapur“, sagt er. Dazu gehören zum Beispiel die Münchner Unternehmen TÜV Süd AG, der Filmtechnikspezialist ARRI AG oder das Technologieunternehmen Rhode & Schwarz GmbH & Co. KG. Sie schätzen die stabilen wirtschaftspolitischen und rechtlichen Rahmenbedingungen, die gute Infrastruktur inklusive Direktverbindungen mit dem Flugzeug aus München sowie Englisch als gängige Sprache.
Der Stadtstaat prosperiert. Er ist global einer der wichtigsten Raffineriestandorte, beheimatet den zweitgrößten Hafen der Welt und ist der weltweit drittwichtigste Finanzstandort. Und es finden sich noch andere Pluspunkte. „Hier gibt es so gut wie keine Korruption“, sagt AHK-Geschäftsführer Philippi. „Das Lebensumfeld ist sicher, das Gesundheits- und Bildungswesen auf einem hohen Niveau.“
IHK-Veranstaltungstipp: ASEAN Insights 2024 am 18. September in der IHK
Welche Möglichkeiten bieten die einzelnen ASEAN-Länder bayerischen Unternehmen? Welche Herausforderungen gibt es beim Geschäftseinstieg? Antworten geben die kostenfreien ASEAN Insights am 18. September 2024.