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Konflikte beilegen durch Mediation

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Mediation - gemeinsam zur Lösungsfindung

Mit mediativen Verfahren lassen sich viele Streitfälle schnell und effektiv aus der Welt schaffen. Warum sich der Einsatz von Mediation für Unternehmen lohnt.

GABRIELE LÜKE, Ausgabe 01/2023

Nadine Greck (46) hat angespannte Situationen am Arbeitsplatz schon immer schneller als andere erspürt – und mit viel Fingerspitzengefühl oft lösen können. »Ich wollte aber nicht mehr nur intuitiv, sondern professioneller, strukturierter vorgehen«, sagt die ehemalige Konzernführungskraft. So entschied sie sich, eine Ausbildung zur Mediatorin zu machen, und absolvierte dazu den Master of Mediation an der Fernuniversität Hagen. Ihre Idee ging auf: »Ich kann nun noch früher auf Konflikte reagieren und sie nachhaltiger aus der Welt schaffen.«

Mediativen Werkzeugkasten beherrschen

Aus dieser Erfahrung heraus möchte Greck, die mittlerweile in München als Mediatorin, Coach und Trainerin selbstständig ist, auch andere Führungskräfte und Unternehmer ermutigen, sich mit Mediation zu beschäftigen. Gerade jetzt sei das besonders sinnvoll. »Zu den ohnehin intensiven Veränderungen der Arbeitswelt kommen derzeit viele externe Belastungen wie Pandemie oder Krieg«, sagt sie. »All das macht Beschäftigte dünnhäutig, es entstehen leichter Konflikte.« Als Führungskraft den mediativen Werkzeugkasten zu beherrschen und zu nutzen, helfe sowohl präventiv als auch im Konfliktfall selbst. Greck ist überzeugt: »Eine mediative Haltung macht Führung grundsätzlich wirksamer.«

Höchste Vertraulichkeit

In der Mediation, einer speziellen Variante der außergerichtlichen Streitbeilegung, verhandeln die Kontrahenten so lange eigenverantwortlich und selbstbestimmt miteinander, bis sie im besten Fall eine einvernehmliche Lösung gefunden haben. Begleitet werden sie dabei von einem unparteilichen Mediator. Er hilft, den Konflikt zu analysieren und die Lösung vorzubereiten, ohne dabei aber selbst, wie etwa ein Richter, ein Urteil oder eine Lösung zu präsentieren. Das Verfahren unterliegt höchster Vertraulichkeit.

Auch bei innerbetrieblichen Spannungen

»Mit ihrer spezifischen Herangehensweise eignet sich Mediation bestens für Konflikte zwischen und in Unternehmen«, betont Reiner Ponschab (79), der in den 1990er-Jahren die Wirtschaftsmediation aus den USA nach Deutschland mitbrachte (siehe Interview im Kasten unten). Mediation insbesondere auch bei innerbetrieblichen Spannungen anzuwenden, ergibt messbare Vorteile: Die Unternehmensberatung KPMG AG ermittelte, dass die Kosten solcher Streitigkeiten regelmäßig 20 Prozent der Personalkosten erreichen. Schwelen ungelöste Konflikte, arbeiten Beschäftigte weniger motiviert und effizient, Schnittstellen und Kommunikation funktionieren schlechter, Projekte verzögern sich oder scheitern, Mitarbeiter kündigen.

»Menschliche Seite besser handhaben«

»Technische oder organisatorische Probleme zu lösen, haben Führungskräfte gelernt. Mediative Verfahren erleichtern es ihnen, auch die menschliche Seite besser zu handhaben und solche Konfliktkosten zu sparen«, sagt Greck. »Zudem schafft ein mediativer Führungsstil eine wertschätzende Atmosphäre. Das spricht sich – als Zusatzeffekt – herum und macht als Arbeitgeber attraktiver.«

Situation des anderen besser verstehen

In der Praxis geht es nicht darum, bei jedem Konflikt eine komplette Mediation umzusetzen. Führungskräfte können den Werkzeugkasten des Mediators im Bedarfsfall selektiv anwenden: also zuhören, hinterfragen, die jeweiligen vordergründigen Positionen und die dahinterliegenden Interessen identifizieren und spiegeln, dadurch die Situation des jeweils anderen besser verstehbar machen. So können die Kontrahenten schließlich aufeinander zugehen, um gemeinsam eine Lösung zu finden – und wieder gut zusammenarbeiten.

 »Mediative Haltung muss authentisch sein«

Was aber müssen Führungskräfte mitbringen, um als Mediatoren erfolgreich zu sein? »Die mediative Haltung muss authentisch sein. Wenn jemand eher mit Druck führt, nimmt man ihm den Mediator nicht ab«, sagt Rolf Schumacher (53), Unternehmensberater und Führungskraft mit Mediationsausbildung in München. Aber natürlich könne auch eine solche Führungskraft die Mediation nutzen. Etwa indem sie externe Mediatoren hinzuholt oder einen innerbetrieblichen Mediatorenpool einrichtet.

»Betriebswirtschaftlich einfach maximal vorteilhaft«

Schumacher nutzt seine mediativen Kenntnisse ebenfalls in seiner täglichen Beratungsarbeit in insolvenzgefährdeten Betrieben. »Führungsarbeit heißt, ein Team aus unterschiedlichsten Einzeltalenten zu orchestrieren, die alle gesehen werden wollen; die sich Wertschätzung, Anerkennung, Entwicklung und Sinn wünschen; die Ängste und Sorgen haben, sich ärgern, streiten«, sagt er. »Mir hilft der Mediationswerkzeugkasten, sie besser, nachhaltiger abzuholen, eine Lösung zu finden und sie so auch im Betrieb zu halten.« Nur mit funktionierenden Teams seien Unternehmen erfolgreich. »Die Mediation ist auch betriebswirtschaftlich einfach maximal vorteilhaft.«

IHK-Service: MediationsZentrum
IHK-Veranstaltungstipp: 5. Bayerischer Mediationstag

Der 5. Bayerische Mediationstag steht unter dem Motto »Wege zur Mediation« und stellt unter anderem Anwendungsfelder für Mediation vor.

Termin: 19. Juni 2023

Ort: IHK Akademie München,
Orleansstraße 10–12, 81669 München

Weitere Informationen auf der Webseite der IHK zum Mediationstag.

»Gemeinsame Zukunft ermöglichen«

Wie die Mediation der Wirtschaft hilft, erklärt Reiner Ponschab, Rechtsanwalt und Gründer von Ponschab + Partner Mediatoren sowie von EUCON – Europäisches Institut für Conflict Management e.V.

Herr Ponschab, wie verbreitet ist Wirtschaftsmediation in Deutschland inzwischen?

Inzwischen kennen zwar mehr und mehr Betriebe das Verfahren, und doch ist es noch zu wenig bekannt. Grundsätzlich gehen Unternehmen in Deutschland immer noch zu schnell und häufig vor Gericht. In Italien müssen Streitparteien zuerst eine Mediation absolvieren und dürfen erst vor Gericht, wenn diese gescheitert ist. In Großbritannien drohen erhebliche Kostennachteile, wenn die Klagepartei nicht nachweisen kann, dass sie vor Klageerhebung eine außergerichtliche Einigung versucht hat. Eine solche Regelung würde ich mir für die Bundesrepublik auch wünschen.

Was macht die Mediation gerade für Unternehmen sinnvoll?

Sie ist schneller und kostengünstiger als ein Gerichtsprozess. Zudem können die Kontrahenten auf Basis der eigenständig erzielten einvernehmlichen Lösung in der Regel auch miteinander weiterarbeiten. Das macht die Mediation gerade für betriebsinterne Konflikte interessant. Zumal diese aktuell durch die vielen Veränderungen im Wirtschaftsleben noch zunehmen.

Wie lassen sich mediative Verfahren im Unternehmen etablieren?

Es muss ein Commitment von oben vorausgehen. Die Unternehmensführung muss es wollen. Dann kann der Unternehmer selbst dieses Verfahren lernen, er lässt Führungskräfte ausbilden, holt externe Mediatoren hinzu.

Sie selbst haben die Wirtschaftsmediation aus den USA nach Deutschland gebracht. Wie kam es dazu?

Ich habe mich Anfang der 1990er-Jahre in Harvard weitergebildet. Ein amerikanischer Studienkollege war ausgebildeter Wirtschaftsmediator, er erklärte mir die Methode, ich durfte bei ihm hospitieren. Schließlich war ich so begeistert, dass ich die Methode in Deutschland etablieren wollte. Zunächst bot ich sie über die Kanzlei an, für die ich damals arbeitete. Dann entwickelte ich eine Ausbildung, die später ins Angebot der IHK Akademie in Westerham übernommen wurde und bis heute angeboten wird. Schließlich gründete ich im Ruhestand noch einmal eine auf Mediation spezialisierte Kanzlei mit aktuell 40 Partnern.

Was ist die wichtigste Botschaft, die Sie Mediatoren, aber auch interessierten Führungskräften mit auf den Weg geben?

Bei der Mediation geht es um einvernehmliche Lösungen, sodass beide gewinnen können. Eine Mediation macht nichts kaputt, sondern ermöglicht im Gegenteil eine gemeinsame Zukunft – und schafft so für Betriebe gute Perspektiven.

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