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Mehr als eine schöne Aussicht

Medical Park Holding SE ©
Ulf Ludwig ist seit Herbst 2019 Vorstandschef der Medical-Park-Gruppe

Rehabilitation ist das Geschäft von Medical Park aus dem Freiberger-Imperium in Amerang. Ulf Ludwig als neuer Chef soll die Klinikgruppe ordnen.

Cornelia Knust, Ausgabe 04/20

Der Himmel drüben über Herrenchiemsee ist hellblau. Die Blässhühner schwimmen im spiegelglatten Wasser vor der Terrasse. Vom Speisesaal klingt das Gemurmel angeregter Unterhaltung. Die hellen Tagungsräume im vertäfelten Wandelgang warten auf die nächsten Gäste. Man könnte sich in einem noblen Wellness- oder Seminarhotel befinden, doch es ist eine Fach- und Rehaklinik für Psychosomatik.
»Chiemseeblick« liegt in Bernau am Standort einer ehemaligen Raststätte der Bundesautobahn. Inhaber und Betreiber ist der Reha-Spezialist Medical Park (MP), ein Familienunternehmen aus Amerang im Chiemgau mit 250 Millionen Euro Umsatz.

»Messen und verbessern«

Medical Park betreibt in ganz Deutschland solch spektakuläre Kliniken für Genesende. Doch der jahrelang vom Unternehmen propagierte Slogan »Gesundwerden und Wohlfühlen in traumhafter Lage« greift nach Ansicht des neuen Chefs der Gruppe zu kurz. »So wichtig eine schöne Umgebung ist: Die Qualität der eigentlichen Rehabilitationsleistung steht im Mittelpunkt. Sie müssen wir messen und verbessern«, sagt Ulf Ludwig, seit September 2019 an der Spitze der Medical Park Holding SE. Als Vorstand im Bundesverband deutscher Privatkliniken kennt der 49-Jährige die Szene: »Es gibt von Seiten der Kostenträger und des Gesetzgebers keine wirkliche Qualitätssicherung in der Reha und keine Messung des Reha-Erfolgs«, so Ludwig. »Wenn sich da etwas tut, dann beruht das auf der Initiative von Kliniken wie unseren, die aufwendige Fragebögen zur wiedererlangten Lebensqualität der Patienten erarbeiten.«
Während in den Akutkliniken streng nach Fallpauschalen und Personalschlüsseln kalkuliert und eine Erfolgsstatistik geführt wird, regiert in der Reha immer noch der Tagessatz, der von den Kliniken jedes Jahr mit Krankenkassen und Rentenversicherungen einzeln auszuhandeln ist. Die Betreiber empfinden, wenig überraschend, den Tagessatz als zu niedrig, das Klinikwahlrecht der Patienten als zu eingeschränkt.
Betriebswirt Ludwig will sich da politisch einmischen, bezeichnet sich als gut vernetzt und hat mit seiner Karriere bei großen Klinikkonzernen wie Helios und Asklepios womöglich gute Voraussetzungen für die Lobbyarbeit. Noch pendelt der passionierte Segler und vierfache Vater wochenends nach Hamburg, wo seine Frau eine große Klinik leitet. Doch für den Sommer plant die Familie den Umzug an das »bayerische Meer«.
Familienunternehmer Ernst Freiberger (s. Kasten oben), dem MP jetzt wieder zu 100 Prozent gehört, hat Ludwig als Hoffnungsträger engagiert – nach Jahren einer gewissen Unruhe in der Gruppe. Ausgesucht hat ihn der Top-Manager Wolfgang Reitzle (71), der bis vergangenen Sommer den MP-Aufsichtsrat führte und ab 2014 auch mit zehn Prozent an MP beteiligt war. Die Gründe für seinen Wiederausstieg sind nicht bekannt.
Reitzle hat mit dem Gesundheitsmanager Ole Wiesinger (57) gleichzeitig einen Mann für seine eigene Nachfolge an der Spitze des Aufsichtsrats gefunden, den CEO Ludwig gut kennt und als seinen »Mentor« bezeichnet. Noch eine Änderung: Von der Familie sitzt nun nicht mehr Freibergers Tochter Felicitas (37) aus erster Ehe im Aufsichtsrat, sondern seine zweite Ehefrau Anja (51), Mutter seiner zwei jüngeren Kinder.

Umbau in der Geschäftsführung

Die MP-Gruppe (13 Kliniken, 3000 Mitarbeiter) hat zwar zahlenmäßig erfolgreiche Jahre hinter sich, die Gewinnmarge vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) soll zweistellig sein. Dennoch gab es zuletzt reihenweise Wechsel in der Geschäftsführung. Anfang 2019 kam ein neuer Finanzchef. Aktuell verlässt gerade die Personalvorständin das Haus.
Ludwigs Vorgänger Ulrich Mauerer (47), der im Sommer 2019 überraschend ausschied, musste die Krise rund um die Ermittlungen der Münchner Staatsanwaltschaft managen. Das Verfahren gegen vier Chefärzte wegen des Verdachts falscher Abrechnungen mit Privatpatienten und privaten Krankenkassen in der MP-Klinik in Bad Wiessee wurde 2018 gegen Zahlung erheblicher Geldauflagen eingestellt. MP musste wegen fahrlässiger Aufsichtspflichtverletzung zudem ein Bußgeld von 450000 Euro zahlen.
Ludwig hat sich von Freiberger eine externe Prüfung der Gruppe noch in seinem ersten Jahr als Chef ausbedungen. Auch die Innenrevision will er stärken und für eine regelmäßige Sensibilisierung der Mitarbeiter sorgen. »Oberste Regel ist, sich an Recht und Gesetz zu halten«, sagt Ludwig. »Die Rufschädigung ist in solchen Fällen immens, eine Absicherung daher unabdingbar.«

Der Reha-Markt wächst

Der neue Chef soll nicht nur aufräumen, sondern auch angreifen. Reha ist in Deutschland ein 10-Milliarden-Euro-Markt, der weiter wächst. MP hat sich auf die Schwerpunkte Orthopädie (Hüfte, Knie, Rücken) und Neurologie (Schlaganfall, MS, Parkinson) verlegt. Danach folgen Herzprobleme, psychosomatische Erkrankungen und Krebs. Der Betreuungsumfang wächst, denn die Patienten kommen immer früher aus den kostenbewussten Kliniken in die Rehabilitationseinrichtungen, müssen also immer aufwendiger, teils sogar intensivmedizinisch versorgt werden.
Für einen Reha-Anbieter bedeutet das einerseits mehr Geschäft und bessere Heilungsergebnisse, andererseits mehr Investitionen in die medizinische Ausstattung und in gut geschulte Mitarbeiter, die auch Nacht- und Notdienste schieben müssen. Die Knappheit an Mitarbeitern ist der kritische Faktor für das Wohlergehen der Gruppe. Auch extern wächst sie langsamer als früher einmal angekündigt. Zuletzt kam Ende 2018 nach längerer Pause eine neue Kurklinik hinzu: 178 Zimmer in Bad-Sassendorf in Nordrhein-Westfalen. Dabei scheint mit 75 Prozent Eigenkapitalquote die Unabhängigkeit von externen Geldgebern extrem groß.
Ludwig muss einerseits nach außen gut verhandeln, also höhere Pflegesätze herausholen. Andererseits gilt es, wenn die Kostenträger 18 bis 28 Tage pauschal bezahlen, die Reha-Ziele in möglichst kurzer Zeit mit hoher Therapiedichte zu erreichen. Erwünscht sind außerdem Skaleneffekte über eine größere Anzahl von Betten in den einzelnen Häusern und eine hohe Auslastung der Häuser (sie liegt nach Firmenangaben im Schnitt bei über 90 Prozent).
Ein großer Anteil an Privatpatienten (derzeit 20 Prozent), eine vermögende Klientel aus dem Ausland, Selbstzahler aus dem Inland, der Verkauf von Zusatzleistungen – all das hilft der Marge. Auch der »Case Mix« ist wichtig, also genügend »schwerere Fälle« und Spezialangebote wie zum Beispiel Schlaftherapie. Ebenso liegt in der Digitalisierung eine Chance.
Die Gruppe, die den als Gesellschaften geführten einzelnen Kliniken viele Dienste zentral anbietet und sie zum gegenseitigen Benchmarking herausfordert, kann nach Ludwigs Worten noch einmal 100 Millionen Euro mehr Umsatz vertragen: durch Zukauf einzelner Klinikträger oder kleinerer Gruppen.

MP will Fachkräfte binden

Doch der Schlüssel liegt laut Ludwig in der Qualität. Sie zieht den Gast, sie hält den Mitarbeiter. Fachkräfte binden und ordentlich bezahlen, das sei sein Credo. Höhere Gewinne müssten nicht nur in Geräte und Gebäude, sondern auch in eine bessere Vergütung des Personals investiert werden.
Im Führungsverhalten sieht er sich als »Coach«, der nicht als unangenehmer Besserwisser auftritt, gleichwohl die Maßstäbe hoch setzt. Mit Blick auf die glitzernde Oberfläche des Chiemsees sagt er: »Ich bin wie Wasser. Das drückt von allen Seiten, ohne dass man es merkt.«
www.medicalpark.de
 

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