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Noch viel Potenzial

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Kollege gesucht – oft geben Mitarbeiter den entscheidenden Tipp

Empfehlungsprogramme für Mitarbeiter führen zu mehr Bewerbern und Einstellungen gerade auch in engen Märkten – vorausgesetzt, sie sind gut gemacht. Worauf es dabei ankommt.

Bärbel Schwertfeger, Ausgabe 12/2021

»Schon gehört? Wir können auch netto!« So bewirbt das Klinikum Garmisch-Partenkirchen sein Prämienprogramm für Mitarbeiter, die neue Pflegekräfte, medizinisch-technische Radiologieassistenten oder Hebammen anwerben. Insgesamt 3000 Euro netto bekommen die Mitarbeiter dafür.

Für eine Pflegekraft sei das manchmal fast ein ganzes Monatsgehalt, erklärt Esther Trunk, Personalmanagerin bei der Klinikum Garmisch-Partenkirchen GmbH. »Aber das ist einfach eine Win-win-Situation.« Auch die Geschäftsführung sei sofort angetan gewesen, als Trunks Vorgänger das Programm ins Leben rief. »Die stecken das Geld für die Personalsuche lieber in ihre eigenen Mitarbeiter«, so die Personalerin. Offenkundig mit Erfolg. In den ersten drei Quartalen hat das Krankenhaus so mehr als zehn neue Mitarbeiter gewonnen – vor allem Pflegekräfte.

Sehr viele KMU nutzen ein Mitarbeiter-Empfehlungsprogramm

Wie Unternehmen Prämien für die Empfehlung neuer Mitarbeiter einsetzen, zeigt die »Benchmark Studie 2021: Mitarbeiter werben Mitarbeiter« der firstbird GmbH, eines Anbieters von digitalen Empfehlungsprogrammen. Recruiting- und HR-Manager aus 331 Unternehmen weltweit nahmen daran teil, die meisten von ihnen (39 Prozent) kamen aus kleineren Firmen mit bis 500 Mitarbeitern.

Ein Ergebnis: Im deutschsprachigen Raum nützen mehr als zwei Drittel ein Mitarbeiter-Empfehlungsprogramm. Gesucht werden damit vor allem erfahrene Spezialisten und Fachkräfte. Im Schnitt führen sechs empfohlene Kandidaten zu einer Einstellung. 92 Prozent der Unternehmen mit Empfehlungsprogramm vergeben Geldprämien, die Mehrheit zahlt zwischen 501 und 1.000 Euro. Dabei hängt die Summe oft vom jeweiligen Job und von der Dringlichkeit ab, mit der ein Mitarbeiter gesucht wird.

Je gefragter der Kollege, desto höher die Prämie

Dies bestätigt auch Andrea Feidner-Beyer, Director of Training & HR Development der Munich Hotel Partners GmbH. »Bei uns liegt die Prämie bei 500 Euro, aber auch mal bei 1.000 Euro – je nachdem, wie schnell die Stelle besetzt werden muss.« Die Art der Position selbst spiele dabei keine Rolle. Im September 2018 hatte der Betreiber von sechs Hotels und mehreren Restaurants sein bisheriges Empfehlungsprogramm auf eine digitale Lösung des Anbieters Talentry GmbH umgestellt und so gleich im ersten Jahr 51 neue Mitarbeiter gewonnen. Mit dem digitalen Empfehlungsprogramm ist Munich Hotel Partners noch eine Ausnahme. Laut Studie nützen bisher nur 16 Prozent der Unternehmen eine digitale Lösung.

»Wir haben viele junge und technikaffine Mitarbeiter«, erklärt Personalmanagerin Feidner-Beyer. »Die können jetzt eine Jobbeschreibung einfach per E-Mail oder WhatsApp an ihre Bekannten verschicken.« Auch potenzielle Bewerber müssen nur noch auf die Anzeige klicken und landen dann direkt im Bewerbungsmanagementsystem. »Da wird eine große Hemmschwelle abgebaut«, erklärt Feidner-Beyer.

Bis zum Ausbruch der Coronapandemie lief das Programm gut, jetzt starte man langsam wieder neu. Ihre Prämie bekommen die Empfehler, wenn der neue Mitarbeiter eingestellt wurde und an seinem ersten Arbeitstag erscheint.

Gestaffelte Zahlungen

Beim Klinikum Garmisch-Partenkirchen hat man die Zahlungen dagegen gestaffelt. Sobald Mitarbeiter über ein Formular im Intranet einen Vorschlag einreichen, bekommen sie ein kleines Anerkennungsgeschenk im Wert von 20 Euro. Zur Wahl stehen ein Kinogutschein, eine Fahrt mit der Seilbahn oder ein Guthaben auf der Prämienkarte, mit der sie in verschiedenen Geschäften einkaufen können. Wenn der oder die Neue den Job antritt, gibt es 1.000 Euro und weitere 2.000 Euro, wenn er oder sie auch nach der Probezeit bleibt.

Nicht bis zum Ende der Probezeit warten

»Wer seine Geldprämie splittet und zum richtigen Zeitpunkt zahlt, kann den Erfolg seines Empfehlungsprogramms deutlich erhöhen«, erklärt Thomas Bittner, der als Geschäftsführer der Kölner Beratung Organomics GmbH die Studie ausgewertet hat. »Prämien sind wie Belohnungen und da sind zwei besser als eine.« Doch in Teilen überweisen nur die wenigsten Unternehmen die Belohnungen. 71 Prozent zahlen ihre Prämien zu einem bestimmten Zeitpunkt aus, und zwar am häufigsten nach sechs Monaten (32 Prozent). »Das ist zu spät und geht auf Kosten von mehr Empfehlungen«, warnt Bittner.

Sein Tipp: Lieber die Prämie auf zwei Zeitpunkte verteilen, am besten bei Vertragsunterzeichnung des Kandidaten und bei seinem Arbeitsantritt. Auch wenn die Summe dieselbe sei, werde der aufgeteilten Zahlung ein psychologisch höherer Wert zugemessen als der Überweisung auf einen Schlag. Unternehmen, die bis zum Ende der Probezeit warten, handelten unfair gegenüber dem Empfehler. Denn der könne schließlich nichts dafür, wenn ein Neueinsteiger nicht mit seinem Chef klarkommt oder der Job in der Realität anders als erwartet ist.

Problematik der Steuerklassen

Ärgerlich sei es für Mitarbeiter oft auch, dass sie die Prämie als geldwerten Vorteil versteuern müssen, beobachtet Bittner. Eleganter sei es, wenn die Firma das übernehme. Personalmanagerin Trunk vom Klinikum Garmisch-Partenkirchen sieht noch einen weiteren Knackpunkt: »Aufgrund der unterschiedlichen Steuerklassen ist das einfach ungerecht.« Deshalb zahle das Klinikum die Steuer und so bekomme jeder dieselbe Summe.

Als Prämie eigne sich nicht nur Geld, auch wenn das einfach und bequem sei, sagt Experte Bittner. Es gebe wirkungsvollere Cafeteria-System, bei dem sich jeder aus einem Sortiment die passende Belohnung heraussuchen kann. Das sei zwar aufwendiger, aber letztlich auch wirksamer.

»Geld ist immer noch das, was am besten ankommt«, meint dagegen Personalmanagerin Feidner-Beyer. Sie habe jedoch auch schon daran gedacht, andere Prämien anzubieten. Schließlich müsse man sich immer wieder etwas Neues einfallen lassen, um das Programm am Leben zu halten. Das rät auch Experte Bittner: »Lieber immer wieder mal ein kleiner Schubser als nur eine Aktion zu Beginn.«

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