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Es gibt keinen Nachfolger für die Firma in der Familie? Die Übergabe an die Mitarbeitenden kann eine gute Alternative sein. Worauf es dabei ankommt.
Von Eva Elisabeth Ernst, IHK-Magazin 09/2023
Der Zeitplan steht seit Langem: 2028 werden sich Rainer Hoffmann und Thomas Zachau nicht nur komplett aus der von ihnen 1997 gegründeten Unternehmensberatung zurückziehen. Sie werden auch sämtliche Firmenanteile an Führungskräfte und Mitarbeitende verkauft haben. „2016 haben wir unsere Nachfolgeregelung systematisiert und terminiert“, sagt Zachau. „So gestalten wir unseren unumkehrbaren Rückzug aus dem Unternehmen selbst.“
Ein Generationswechsel, der sich über 12 Jahre hinzieht, mag zunächst lang erscheinen. Doch im Grunde stellten Hoffmann und Zachau die Weichen für ihren Ausstieg bereits kurz nach der Gründung: „Wir haben von Anfang an darüber nachgedacht, wie es gelingen kann, eine Organisation zu bauen, die auch ohne uns weiterleben kann“, sagt Zachau. „Denn die meisten Unternehmensberatungen verschwinden nach der ersten Generation wieder vom Markt.“
Aktien für die Mitarbeitenden
Hoffmann und Zachau firmierten bereits nach knapp 3 Jahren als Partnerschaftsgesellschaft in eine Aktiengesellschaft um, weil die Übertragung von Aktien an Mitarbeitende relativ unkompliziert ist. Damals beschäftigten sie 10 Personen. Heute arbeiten 160 Menschen in der H&Z AG und weitere 450 in Tochterunternehmen. H&Z berät internationale Konzerne und Mittelständler bei Einkauf und Supply Chain, Strategie und Performance sowie Nachhaltigkeit und Transformation.
Alle Mitarbeitenden, die länger als 2 Jahre im Unternehmen beschäftigt sind, können Anteile kaufen. Die Möglichkeit, sich an seinem Arbeitgeber zu beteiligen, nimmt ein großer Teil des Teams wahr. Rund 17 Prozent der H&Z-Aktien sind im Besitz von Mitarbeitenden unterhalb des Partnerkreises. Der Wert der nicht börsengehandelten Anteilsscheine wird durch eine klar definierte, interne Formel ermittelt, die Gewinn, Umsatz und Rücklagen berücksichtigt. „Im Pandemiejahr 2021 gab es einen kleinen Dip – aber ansonsten ist der Wert der Aktie analog zum Unternehmenswert kontinuierlich gestiegen“, sagt Zachau. „Außerdem schütten wir jährlich eine sehr vernünftige Dividende aus.“
Wertsteigerungen einkalkulieren
Mitarbeitende, die H&Z verlassen, müssen ihre Anteile zurückgeben und erhalten dafür den aktuellen Wert. Bei Partnern und Vorständen gibt es eine Frist von 4 Jahren, innerhalb der sie den Gegenwert ihres Aktienpakets erhalten. „Da es sich hier um beträchtliche Summen handelt, ist dieser Zeitraum sinnvoll, um die Liquidität des Unternehmens nicht zu gefährden“, sagt Zachau. Denn mittlerweile sind die H&Z-Aktien teuer.
Er rät allen Unternehmern, die über ähnliche Modelle nachdenken, im Vorfeld abzuwägen, wo das Unternehmen in 10 oder 20 Jahren stehen soll. Welchen Wert wird es dann haben? Und wie muss die Stückelung aussehen, um die Aktien auch für die nächste und die übernächste Generation bezahlbar zu halten?
Nachfolgersuche immer schwieriger
Dass die Übergabe an Mitarbeitende eine gute Lösung sein kann, betont auch Markus Neuner, Nachfolgeexperte der IHK für München und Oberbayern. „Wenn kein geeigneter Kandidat aus der Familie bereitsteht und auch kein Wettbewerber, Lieferant oder Kunde Interesse am Kauf der Firma zeigt, wird es für einen mittelständischen Unternehmer derzeit sehr schwierig, einen Nachfolger zu finden“, warnt er. „Schon in der Vergangenheit war es eine Herausforderung, einen externen Käufer zu finden. Heute, in Zeiten des Fachkräftemangels und eines boomenden Arbeitsmarkts, hat sich die Lage weiter verschärft.“
Teamlösungen für den Generationswechsel
Sich unter den Mitarbeitenden nach geeigneten Nachfolgern umzusehen, hält Neuner auch aus strategischen Gründen für sinnvoll: „Sie kennen Unternehmen und Markt und haben letztlich auch ein persönliches Interesse daran, dass ihr Arbeitgeber weiterhin existiert.“ Bei Dienstleistungsfirmen finde der größte Teil der Wertschöpfung ohnehin in den Köpfen der dort beschäftigten Menschen statt.
Welche Möglichkeiten gibt es für die Übergabe an Mitarbeitende? Eine Variante ist der Management-Buy-out, also der Verkauf des Unternehmens an Führungskräfte. Einen großen Knackpunkt bildet allerdings die Finanzierung des Kaufpreises: Gerade jüngere Interessenten verfügen in der Regel nicht über ausreichend hohes Kapital. Ohne Banken oder andere Finanzierungspartner läuft daher wenig.
Die Tücken der Rechtsformen
Soll der Kreis der übernehmenden Mitarbeiter größer sein, muss zunächst ein passendes Modell inklusive einer dafür geeigneten Rechtsform gefunden werden. Der möglichst unkomplizierte Kauf und Verkauf von Anteilen, die Haftung der Anteilseigner, Mitspracherechte und, damit verbunden, die künftige Manövrierfähigkeit des Unternehmens bilden dabei die entscheidenden organisatorischen und juristischen Punkte.
GmbH-Anteile unter der Belegschaft aufzuteilen, hält IHK-Experte Neuner daher für eher wenig zielführend: „Jede Übertragung von Anteilen muss notariell verbrieft werden. Zudem haben die Gesellschafter einer GmbH weitreichende Einsichts- und Informationsrechte – und sie sind gegenüber den Geschäftsführern weisungsbefugt.“ Auch eine Kommanditgesellschaft oder eine GmbH & Co. KG seien in diesem Fall meist nicht die idealen Rechtsformen.
Eine nicht börsennotierte Aktiengesellschaft wie bei H&Z oder eine Genossenschaft sind dagegen grundsätzlich geeignete Varianten, um möglichst viele Mitarbeitende am Unternehmen zu beteiligen und auf diese Weise den Generationswechsel zu bewältigen.
„Bei einer nicht börsennotierten AG besteht die große Herausforderung darin, den aktuellen Wert der Aktien zu ermitteln und bei einem Verkauf jemanden zu finden, der die Anteilsscheine zu diesem Preis kaufen möchte“, so Neuner. Zudem sei für die Gründung einer AG ein Mindestkapital von 50.000 Euro erforderlich.
Vorteile einer Genossenschaft
Bei einem genossenschaftlichen Modell ist dagegen kein Mindestkapital vorgeschrieben. Beim Ausscheiden aus der Genossenschaft erhält jeder Genosse den von ihm einbezahlten Betrag zurück. Jede Genossenschaft muss Mitglied in einem genossenschaftlichen Prüfungsverband sein.
„Der Verband überprüft in der Regel alle 2 Jahre, ob die Geschäfte ordnungsgemäß geführt und zweckmäßige Entscheidungen getroffen wurden“, erläutert Christine Schmaus, IHK-Expertin für Genossenschaften und Stiftungen. Beim Ausarbeiten der Satzung müsse auf eine Besonderheit dieser Rechtsform geachtet werden: „Charakteristisch für eine Genossenschaft ist, dass sie weniger die Gewinnmaximierung als vielmehr die Förderung der wirtschaftlichen, sozialen oder kulturellen Belange ihrer Mitglieder durch einen gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb zum Ziel hat“, erläutert Schmaus.
Genossenschaft kauft GmbH
Eine genossenschaftliche Lösung zeigt das Beispiel der iteratec GmbH. Bei dem Münchner Unternehmen, das sich auf die Entwicklung individueller Softwarelösungen sowie begleitende Technologie- und IT-Beratung spezialisiert hat, kauft eine Genossenschaft, die iteratec nurdemteam eG, seit 2019 Stück für Stück die GmbH-Anteile der beiden Gründer. Jeder Mitarbeitende der iteratec GmbH kann Genossenschaftsanteile erwerben. Dieses Angebot nahm bislang mehr als die Hälfte des Teams wahr. Bis 2026/2027 soll der Prozess abgeschlossen und sämtliche Gesellschaftsanteile an die Genossenschaft übertragen worden sein.
Unternehmenskultur entscheidend
Bei einer Genossenschaft gilt zwar das Prinzip „jedes Mitglied eine Stimme“ in der Generalversammlung. Die Entscheidungen im Tagesgeschäft trifft jedoch der Vorstand, der die Genossenschaft vertritt und die Geschäfte führt. „Wenn es geteilte Lager gibt, kann die Führung einer Genossenschaft unter Umständen schwierig werden“, warnt IHK-Fachfrau Schmaus. Daher sei wie bei jeder Gesellschaft die Unternehmenskultur entscheidend für den Erfolg. Ein positives Miteinander ist aber besonders wichtig, wenn aus Führungskräften und Mitarbeitenden die Eigentümer eines Unternehmens werden sollen.
Macht abgeben
Bei der H&Z Unternehmensberatung AG entscheidet mittlerweile ein 3-köpfiger Vorstand, dem die beiden Gründer nicht mehr angehören. Noch sind sie zwar im Aufsichtsrat vertreten, aber auch diese Mandate werden sie 2028 niederlegen. „In den ersten Jahren war es schon hart, Entscheidungsmacht abzugeben“, räumt Gründer Zachau ein. „Doch nach und nach habe ich angefangen, es zu genießen, dass ich die Verantwortung anderen überlassen kann.“ Er hält es für sehr wahrscheinlich, dass er bei einem Verkauf der H&Z AG an Externe mehr Geld bekommen hätte: „Aber es ist einfach ein großes Glück, zu beobachten, wie das Unternehmen weiter existiert.“
IHK-Service zur Unternehmensnachfolge
Wie gelingt eine Unternehmensübergabe an Mitarbeitende? IHK-Experte Markus Neuner empfiehlt:
- Ausreichend Zeit vorsehen: Bei einem Verkauf an Externe sollten Unternehmer rund 3 Jahre einplanen, bei einer Übergabe an die eigenen Mitarbeiter mindestens 5 Jahre
- Klaren Zeitplan machen: Firmenchefs sollten sich feste Termine für die einzelnen Meilensteine bis hin zum endgültigen Ausstieg setzen. Wenn sie ihren Exit und die Abgabe von Anteilen immer wieder aufschieben, verlieren die Mitarbeitenden das Vertrauen in diese Lösung
- Unternehmenskultur ausrichten: Es lohnt sich, Mitarbeitende zu ermutigen und zu befähigen, unternehmerisch zu denken und sich an der Firma zu beteiligen. Das gelingt mit einem partizipativen Führungsstil deutlich besser als mit einem patriarchalischen. Unternehmer, die bereits ein Modell zur Mitarbeiterbeteiligung eingeführt haben, tun sich grundsätzlich leichter, dieses in eine Nachfolgeregelung überzuführen.
- Teilen können: Unternehmer sollten sich bewusst sein, dass sie bei einer Übergabe an ihre Beschäftigten vielleicht nicht den Maximalwert erzielen. Dafür steigt die Chance, dass das Unternehmen den Generationswechsel gut überlebt.
Weitere Informationen rund um die Unternehmensnachfolge gibt es
- auf der IHK-Website zum Gesellschaftsrecht
- sowie auf der IHK-Webseite zur Unternehmensnachfolge