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Nach Brexit: Neuanfang mit Hürden

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Brexit – es gibt ein Abkommen, aber bürokratische Hürden bleiben

Trotz des Partnerschaftsabkommens zwischen der EU und Großbritannien machen Bürokratie und Zollformalitäten selbst gut eingespielte Geschäftsbeziehungen nun komplizierter. Manche Neuerungen wirken sich derzeit besonders gravierend aus.

Mechthilde Gruber, Ausgabe 04/2021

Die Erleichterung war auf beiden Seiten groß, als sich die Europäische Union und das Vereinigte Königreich kurz vor Jahresschluss auf einen Vertragsentwurf einigten: Seit dem 1. Januar 2021 ist das künftige Partnerschaftsabkommen vorläufig anwendbar. Was sich aber in den ersten Januarwochen als neue Realität herauskristallisiert hat, sei für viele Unternehmen doch sehr ernüchternd, sagt Jessica de Pleitez, Expertin für Europa und Ansprechpartnerin zum Brexit bei der IHK für München und Oberbayern. »Auch wenn es nun ein Abkommen gibt, heißt dies nicht, dass die Zollgrenze damit entfällt und bürokratische Hürden für den Handel mit Gütern und Dienstleistungen beseitigt sind.«

Noch Übergangsfristen bis Ende Juni 2021

Durch den Brexit ist Großbritannien zum Drittland geworden. Die Konsequenzen bekommen bayerische Unternehmen deutlich zu spüren. Für den Warenverkehr sind nun umfangreiche Zollbestimmungen und Formalitäten zu beachten. Für jede Ein- und Ausfuhr müssen Unternehmen eine Zollanmeldung abgeben. Für viele Waren gibt es noch Übergangsfristen bei der Einfuhr auf der britischen Seite, aber auch diese Zollanmeldungen müssen spätestens bis Ende Juni 2021 nachgereicht werden. Wenn es sich um Ursprungsware handelt, können durch das neue Abkommen Zölle und Quoten vermieden werden. Den dafür notwendigen Nachweis zu führen, ist für Firmen, die bisher noch keine Erfahrung mit Drittländern hatten, eine Herausforderung. Und nicht nur für sie. »Wir stellen fest, dass auch erfahrene Unternehmen mit den wirklich kniffligen Details bei den Ursprungsregeln dieses Abkommens ihre Probleme haben«, sagt IHK-Zollexperte Klaus Pelz.

Detailwissen etwa zur 135-Pfund-Grenze gefragt

Die neue Zollgrenze hat auch massive Änderungen bei der Umsatzsteuer zur Folge. Lieferungen unterliegen nun den umsatzsteuerlichen Regelungen zu Aus und Einfuhr. Jetzt hat Großbritannien zum Beispiel Neuregelungen bezüglich der Einfuhr von bestimmten betragsmäßig beschränkten Warenlieferungen (135-Pfund-Grenze) erlassen. »Das aber ist sehr komplex«, sagt IHK-Steuerexpertin Katja Reiter. »Unternehmen sollten sich hierüber detailliert informieren.«

Nicht nur im Warenverkehr, auch bei Dienstleistungen gibt es grundlegende Änderungen. Weil mit dem Brexit die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer nicht mehr gültig ist, muss bei bestimmten Dienstleistungen die Unternehmereigenschaft des Vertragspartners nun durch andere Belege – zum Beispiel durch eine Unternehmerbescheinigung – nachgewiesen werden. Auch sollte immer überprüft werden, ob bei bestimmten Dienstleistungen das Reverse-Charge-Verfahren weiterhin anzuwenden ist.

»Noch keine klare Ansage, was nötig ist«

Bei grenzüberschreitenden Dienstleistungen und bei der Entsendung von Mitarbeitern fallen die Unterschiede im Vergleich zur Zeit vor dem Brexit am gravierendsten aus, sagt Alexander Lau, Leiter Europa und Handelspolitik bei der IHK. »In vielen Fällen gibt es noch keine klare Ansage, ob für bestimmte Tätigkeiten im Vereinigten Königreich ein Visum nötig ist und welche Unterlagen – möglichst in englischer Sprache – mitgeführt werden müssen.« Fest stehe jedoch, dass man in Zukunft nicht einfach ins Flugzeug steigen und mal eben auf der Insel etwas installieren, reparieren oder warten könne.

Kompliziert wird es vor allem für Dienstleister, die mit Waren unterwegs sind, die sie nicht auch selbst hergestellt haben. »Die genaue Vorbereitung auf eine Geschäftsreise ins Vereinigte Königreich wird daher im Gegensatz zum letzten Jahr einige zusätzliche Zeit und Mühe benötigen, wenn man nicht bei der Grenzkontrolle wieder nach Hause geschickt werden möchte«, betont Lau.

IHK-Brexit-Service:

Ausführliche und laufend aktualisierte Informationen bietet die IHK-Brexit-Website.

IHK-Fachberater der Brexit-Taskforce stehen per Email und telefonisch Rede und Antwort unter der Brexit-Hotline: 089-5116-1110.

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