Sportliches Unternehmen: Die Welle rollt

Die o2 Surftown MUC hat sich schnell zur neuen Attraktion im Münchner Umland entwickelt. Das Konzept stützt sich auf gleich drei Geschäftsfelder.
Von Eva Elisabeth Ernst, IHK-Magazin 07-08/2025
Ein großes nierenförmiges Becken im Freien. Von der Mitte aus rollen kontinuierlich Wellen – eine nach links, die nächste nach rechts. Surfer in Neoprenanzügen mit Brett unterm Arm warten, bis sie an der Reihe sind. Dann werfen sie ihr Board aufs Wasser, springen rasch auf und gleiten den Wellenkamm entlang.
Seit August 2024 ist das Alltag in der o2 Surftown MUC, Deutschlands erstem und Europas größtem Surfpark. Die Anlage erzeugt rund 9.000 Wellen täglich, die intensiv genutzt werden – selbst bei miesem Wetter. Flutlicht und die Beleuchtung des Beckens ermöglichen das Surfen von 7 bis 23 Uhr.
Selbst im Winter gut gebucht
„Wir waren von Anfang an richtig gut gebucht“, sagt Chris Boehm-Tettelbach, Gründer und Geschäftsführer der Betreibergesellschaft Surftown GmbH. „Selbst im Winter, bei Minustemperaturen und Schneetreiben, wurde gesurft.“ Dank moderner Neoprenanzüge sei dies möglich. Anschließend konnten sich die Surfer im Whirlpool wieder aufwärmen – selbstverständlich mit Blick auf die Wellen.
Der Surfpark hat sich in kurzer Zeit als Sportattraktion im Münchner Umland etabliert. Es zeigte sich schnell, dass der Markt für ein solches Sport- und Touristikangebot durchaus vorhanden ist. Hinter dem Erfolg stehen technisches Know-how, gezieltes Eventmarketing – und eine lange Vorbereitungszeit.
Wellen wie im Ozean
Den Mittelpunkt bildet eine mit Solarstrom betriebene Pneumatikanlage. Sie erzeugt in dem 180 Meter langen Becken rollende Wellen mit einer Höhe von bis zu 2,20 Metern. „So, wie sie auch am Ozean vorkommen“, erklärt Boehm-Tettelbach. „Bei der Eisbachwelle in München handelt es sich dagegen um eine stehende Welle.“ Der Unternehmer weiß genau, wovon er spricht. Schließlich zählte er zu den ersten Eisbach-Surfern, die sich auf die Welle im Englischen Garten wagten.
Im Hauptberuf führte Boehm-Tettelbach 37 Jahre lang die von ihm gegründete Eventagentur planworx GmbH. Mit seinem Team organisierte er mehr als 20.000 Veranstaltungen und betrieb unter anderem die Praterinsel an der Isar, wo er den Praterstrand ins Leben rief.
Münchner sind surf-begeistert
„Es war schon immer meine Vision, Orte zu schaffen, an denen sich jeder wohlfühlt“, sagt der Unternehmer. „In Kombination mit meiner Liebe zum Wassersport führte das letztlich zum Konzept für die Surftown.“ Vor 10 Jahren schrieb er den ersten Businessplan. Standort- und Kaufkraftanalysen ergaben, dass der Großraum München für das Projekt ideal war.
„Durch die Wellen am Eisbach und an der Floßlände gibt es hier bereits eine gewisse Surfaffinität“, sagt der Unternehmer und erinnert sich, dass er einige Jahre lang durchs Münchner Umland gefahren ist und mit Landwirten über mögliche Grundstücke gesprochen hat.
Projekt nach 3 Monaten genehmigt
2018 bot ihm schließlich die Gemeinde Hallbergmoos ein 20.000 Quadratmeter großes Areal an. Sie wollte das Gelände revitalisieren und beleben. Binnen 3 Monaten genehmigte der Gemeinderat das Projekt. Die Finanzierung stemmte Boehm-Tettelbach zunächst mit privaten Investoren aus seinem beruflichen und persönlichen Netzwerk. Später engagierten sich die Münchner Bank eG und die LfA Förderbank Bayern, die BayBG Bayerische Beteiligungsgesellschaft mbH ist Mitgesellschafter.
Der erste Spatenstich erfolgte im Juni 2022, die erste Welle rollte im März 2024. Zur offiziellen Eröffnung im August kamen rund 15.000 Besucher. „Anfang Oktober fanden die nationalen Meisterschaften im Wellenreiten bei uns statt, die vom Bayerischen Fernsehen live gestreamt wurden“, freut sich Boehm-Tettelbach. Sogar das Wetter spielte mit: Wie auch bei der Eröffnung herrschte strahlender Sonnenschein.
Nachhaltig: geschlossener Wasserkreislauf
Allerdings war die Bauzeit eine Herausforderung – und das lag nicht nur an der Pandemie: „Es gab fast jeden Tag neue Katastrophen“, erinnert sich Boehm-Tettelbach. „Schließlich wurde eine derartige Anlage noch nie gebaut. Insgesamt haben wir mit mehr als 70 Planern und Architekten gearbeitet, die Abstimmung der einzelnen Gewerke war sehr komplex.“ Dazu kam, dass während der Bauphase die Form des Gebäudes verändert und einer Welle nachempfunden wurde.
Der Anspruch war, so nachhaltig wie möglich zu bauen: So wird etwa das Wasser im Becken im Wellengenerator gereinigt, was einen geschlossenen Wasserkreislauf erlaubt. Wo immer sinnvoll, wurden Solaranlagen zur Stromerzeugung installiert. Umso bemerkenswerter, dass die geplanten Investitionskosten von 45 Millionen Euro nicht überschritten wurden.
Deutsches Olympia-Team trainiert hier
Das Konzept scheint aufzugehen. Schon 9 Monate nach Eröffnung war die Anlage laut Boehm-Tettelbach „ganz nah dran“, operativ profitabel zu arbeiten. Bereits im Frühjahr waren die Surf-Slots in den Sommerwochenenden komplett ausgebucht, obwohl das sportliche Vergnügen seinen Preis hat: Eine Surfeinheit von 60 Minuten im Wellenbecken plus Sicherheitsbriefing und Coaching oder Guiding durch einen professionellen Surfcoach kostet ab 89 Euro. Maximal 700 Surfeinheiten pro Tag sind möglich.
Selbst Profisurfer schätzen die Qualität der Wellen: Mittlerweile trainiert das deutsche olympische Surfteam in Hallbergmoos. Ein gut ausgestatteter Surfshop und die Möglichkeit, Surfstunden zu buchen, runden das Angebot ab.
Gastronomie, Events, Kooperationen
Daneben gibt es noch 2 weitere Geschäftsfelder. Zum einen die Gastronomie und das Eventgeschäft: Der Surfpark verfügt über ein öffentlich zugängliches Café-Restaurant mit Aussichtsterrassen, die für private Events gebucht werden können. „Wir haben dort gleich die dafür nötige Technik für Moderation, Screens und Disco-Beleuchtung installiert“, sagt Boehm-Tettelbach.
Zudem wurden 2 sogenannte Coodo, kleinere Gebäude für Veranstaltungen mit 60 und 28 Personen, auf dem Gelände gebaut. Auch mit der Entwicklung des Eventgeschäfts ist der Geschäftsführer sehr zufrieden.
Showcase für Pooltechnik
Das 3. Geschäftsfeld nennt er „Kooperation und Sponsoring“. Die Anlage dient auch als technischer Showcase für die Unternehmen, deren Technologien zum Einsatz kommen, wie etwa bei den Lichtmasten und der Pooltechnik. „Wir sind damit so etwas wie ein permanenter Messestand.“
Werbefilme am Beckenrand
Außerdem gibt es noch Werbekunden, die unter anderem Werbeclips auf dem großen Screen über dem Becken schalten, und nicht zuletzt das Telekommunikationsunternehmen o2 Telefónica als Titelsponsor.
Traum von weiteren Surftowns
Apropos Namensgebung: Die 3 Buchstaben MUC sieht Chris Boehm-Tettelbach nicht nur als Ortsbezeichnung und Hinweis auf den nahegelegenen Flughafen. Er kann sich gut vorstellen, weitere Surftowns nach diesem Schema zu benennen, etwa BER für Berlin. „Meine Vision ist es, dass wir in Deutschland noch 3 Surftowns bauen und betreiben – und dass Surfen Schulsport wird.“