Fachkräfte | Standortpolitik

Vorfahrt für die Familie

Rosenheimer ©
„Die Arbeitszeit muss zur Lebenssituation passen.“ Jennifer Rosenheimer, Geschäftsführerin MIPM

Firmen mit familienfreundlicher Personalpolitik sind für Arbeitskräfte besonders attraktiv. Der Familienpakt Bayern hilft, die passenden Maßnahmen zu entwickeln und umzusetzen.
 
Von Stefan Bottler, IHK-Magazin 11-12/2024

An unterschiedlichen Arbeitszeitmodellen herrscht kein Mangel. Außer festen Arbeitszeiten auf Vollzeit- oder Teilzeitbasis gibt es längst zahlreiche flexible Varianten wie Gleitzeit, Arbeit auf Abruf oder Vertrauensarbeitszeit. Auch die Arbeitsorte variieren. Viele Beschäftigte erledigen wenigstens einen Teil ihrer Aufgaben im Homeoffice oder unterwegs.

Wenn Unternehmen mit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf ernst machen wollen, sollten sie alle Optionen für eine Flexibilisierung von Arbeitszeit und Arbeitsplatz prüfen.

Diese Erfahrung hat die MIPM – Mammendorfer Institut für Physik und Medizin GmbH bereits vor Jahren gemacht. „Wir haben mittlerweile über 20 unterschiedliche Arbeitszeitmodelle“, sagt MIPM-Geschäftsführerin Jennifer Rosenheimer. Das mittelständische Unternehmen, das Mitglied des Familienpakts Bayern ist, beschäftigt mehr als 80 Mitarbeitende. Jeden Beschäftigten hat Rosenheimer bei der Einstellung nach der Wunscharbeitszeit gefragt. „Die Arbeitszeit muss zur Lebenssituation passen“, lautet das Credo der 38-Jährigen.

Flexible Lösungen gefragt

Am meisten profitieren Arbeitnehmer mit kleinen Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen von der Vielfalt. Sie müssen bei unerwarteten Zwischenfällen ihre Arbeit jederzeit unterbrechen und zu ihrem Wohnort zurückkehren können. Aber auch die übrigen Beschäftigten gewinnen. Sie wünschen flexible Regelungen, wenn sie beispielsweise Handwerker-, Arzt- und andere Termine vereinbaren müssen, oder weil sie wegen langer Anfahrtswege auf großzügige Homeoffice-Regelungen Wert legen.

Das Beispiel zeigt, dass eine familienfreundliche Unternehmensführung nicht nur für Familien Vorteile schafft. Darauf weist auch Ulrike Scharf (CSU), Bayerische Staatsministerin für Familie, Arbeit und Soziales, hin. „Von den neuen Arbeitswelten, die in Unternehmen entstehen, profitieren alle – die Beschäftigten und ihre Familien, die Betriebe und die gesamte Gesellschaft.“

Staatsregierung und Wirtschaft Hand in Hand

Auf solche Synergien verweist auch das diesjährige Jahresthema „Starke Unternehmen – Starke Eltern“ des Familienpakts Bayern. Seit 2014 ebnet dieser mit einer „schlagkräftigen Partnerschaft zwischen Staatsregierung und Wirtschaft“ (Scharf) den Weg in eine familienfreundliche Arbeitswelt. Außer der Bayerischen Staatsregierung gehören dem Pakt die bayerischen IHKs (BIHK), die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) und der Bayerische Handwerkstag (BHT) an.

Mit Coachings, Events und Vor-Ort-Beratungen will diese Initiative zeigen, wie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf im betrieblichen Alltag realisiert werden kann. An überzeugenden Referenzbeispielen herrscht kein Mangel. Über 1.400 Arbeitgeber sind dem Pakt beigetreten. Sie haben wie MIPM flexible Arbeitszeiten und weitere familienfreundliche Maßnahmen im Betrieb realisiert und wissen, welche Chancen solche Umstellungen eröffnen und welche Hürden überwunden werden müssen.

Außerdem haben sich rund 100 Dienstleister, Freiberufler, Initiativen und Vereine dem Pakt angeschlossen. Sie bieten Beratungs-, Betreuungs-, Weiterbildungs- und andere Unterstützungsmaßnahmen an. Für die notwendigen Informationen und Vernetzungen sorgt die Servicestelle des Familienpakts in München.

Ganzheitlicher Ansatz wichtig

10 Jahre nach der Gründung des Familienpakts sind die Ideen für eine familienfreundliche Arbeitswelt noch lange nicht ausgegangen. „Viele Unternehmen sind bereit, bewährte Lösungen zu hinterfragen und neue Formate auszuprobieren“, stellt IHK-Referatsleiterin Elfriede Kerschl erfreut fest. Die Unternehmen haben längst verstanden, dass Familienfreundlichkeit sich nicht in Einzelmaßnahmen erschöpfen darf, sondern nur mit einem ganzheitlichen Ansatz Erfolg haben kann.

„Familienförderung und Familienbewusstsein muss selbstverständlicher Teil der Unternehmenskultur sein“, sagt Benedikt Morsey, Personalchef der Payback Group. Das Münchner Unternehmen möchte Mütter von Kleinkindern ermutigen, möglichst früh ins Berufsleben zurückzukehren. In einer internen Kindertagesstätte, die vom Münchner Dienstleister Sira GmbH betrieben wird, können Mitarbeitende bis zu 3 Jahre alte Kinder betreuen lassen. Für größere Kinder gibt es Spiel- und Bastelzimmer.

Als internationaler Konzern, der auch im europäischen Ausland tätig ist, hat der Bonuskarten-Spezialist auch Beschäftigte im Blick, deren Angehörige im Ausland leben. Sie können dank großzügiger Homeoffice-Regelungen besonders viel Zeit mit ihren Familien verbringen.

Keine Einbahnstraße

Beschäftigte mit pflegebedürftigen Angehörigen profitieren ebenfalls von solchen Lösungen. „Solche Szenarien bedeuten bei uns keinen Bürokratismus, sondern eine schnelle Umstellung des individuellen Arbeitszeitmodells“, sagt Morsey. Wie MIPM baut Payback seine familienfreundliche Unternehmenskultur auf individuellen Arbeitszeitregelungen auf. Allerdings erwartet der Konzern auch von seinen Beschäftigten Flexibilität. Wenn die familiäre Situation sich entspannt hat, sollen diese ihre Arbeitszeit wieder hochfahren.

Netzwerk für Väter

Ansonsten flankieren beide Firmen ihre familienfreundliche Unternehmenskultur mit weiteren Maßnahmen. Payback etwa organisiert für männliche Führungskräfte Seminare, wie die Vereinbarkeit von Beruf und Familie im Betriebsalltag umgesetzt werden kann. Zudem hat das Unternehmen ein Netzwerk für Väter gegründet: Sie sollen sich austauschen, wie sie ihre Arbeit an veränderte familiäre Situationen anpassen können.

MIPM hat sogar die betriebliche Struktur umgebaut und rund 10 Teamleiter ernannt. „Jeder Beschäftigte ist einem Teamleiter zugeordnet, der die individuelle familiäre Situation genau kennt und deshalb auf unerwartete Ausfälle gut vorbereitet ist“, sagt Rosenheimer. Und wenn trotzdem einmal etwas schiefläuft? Dann können sich die Beschäftigten jederzeit an die Chefin wenden. Die Unternehmerin kennt jeden Mitarbeiter persönlich.  

IHK-Info: Familienfreundliche Personalpolitik

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