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PhönixPreis 2022: Prämierte Vorbilder

Marion Vogel ©
Begehrte Trophäe – PhönixPreis

Der PhönixPreis ehrt Migrantenunternehmen, die mit ihrer wirtschaftlichen Leistung und ihrem interkulturellen Engagement den Standort München bereichern. Welche Herausforderungen dabei zu meistern sind, berichten hier stellvertretend drei der Preisträger.

HARRIET AUSTEN, Ausgabe 01/2023

Migranten, die ein Unternehmen führen, stehen nicht nur für wirtschaftlichen Erfolg. Sie tragen auch zu Vielfalt und sozialem Frieden in der Stadt bei. Um diesen Beitrag zu würdigen, vergibt die Landeshauptstadt München den PhönixPreis. Er ehrt Unternehmer mit Zuwanderungsgeschichte, bringt ihnen positive Resonanz und Anerkennung und macht sie sichtbarer.

Ende November 2022 nahmen gleich elf Unternehmer den PhönixPreis in Empfang: Weil die letztjährige Verleihung pandemiebedingt ausgesetzt werden musste, standen die Preisträger von 2021 und 2022 gemeinsam auf der Bühne im Alten Rathaus der Landeshauptstadt.

Gewinner des PhönixPreises 2022:

alziraspa Beauty&Wellness, ARCORA Handels GmbH, eliev Munich, Treesense GmbH, ÜZM GmbH

Die Ehrung der erfolgreichen Unternehmer darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass häufig Informationsdefizite sowie Finanzierungs-, Sprach- und Bürokratieprobleme den Sprung in die Selbstständigkeit behindern oder später Wachstum und Produktivität hemmen. »Deshalb ist es wichtig, dass auch Migranten die vielfältigen kostenlosen betriebswirtschaftlichen Angebote für Gründer ebenso wie für bestehende Unternehmen nutzen«, sagt IHK-Referentin Cornelia von Kapff und weist auf die IHK-Services hin.

IHK-Service rund um Integrationsberatung und Unternehmer
Bewerben für die nächste Runde 2023

Der PhönixPreis wird seit 2010 jährlich von der Landeshauptstadt München an Migrantenunternehmen vergeben, die seit mindestens drei Jahren am Markt aktiv sind. Die Jury, zu der auch IHK-Hauptgeschäftsführer Manfred Gößl zählt, würdigt die Kategorien positive Unternehmensentwicklung, Einrichtung von Arbeits- und Ausbildungsplätzen, soziales Engagement sowie Vielfalt im Unternehmen.

Der Wirtschaftspreis ist mit insgesamt 5.000 Euro dotiert. Interessierte Unternehmen können sich bis September 2023 beim Referat für Arbeit und Wirtschaft der Stadt München bewerben.
phoenixpreis(at)muenchen.de

Welchen Herausforderungen sich Unternehmer mit Migrationshintergrund ganz konkret stellen müssen und wie sie diese bewältigen, zeigen die Porträts von drei der Siegerfirmen.

Mode, die verbindet

Mohamad Alhamod hat harte Zeiten hinter sich. Eigentlich steckt er immer noch mittendrin. Kaum hatte er Mitte 2019 ein geräumiges Modeatelier im Münchner Glockenbachviertel eröffnet, verhagelte ihm Corona das gerade gut anlaufende Geschäft. Unterkriegen ließ er sich davon nicht. »Ich bin ein Kämpfer«, sagt Alhamod.

Zuvor hatte er ganz andere Herausforderungen bewältigt. Flucht aus Syrien unter schwierigsten Bedingungen, Start in Deutschland »unter null«, wie er sagt, Prüfung zum Schneidergesellen im Schnellverfahren, um überhaupt hier Fuß fassen zu können. Dabei hatte er in einer Kleinstadt vor den Toren von Damaskus bereits ein Modeatelier mit 13 Angestellten betrieben. »Schade, dass hier die Fähigkeiten von Geflüchteten nicht anerkannt werden«, moniert Alhamod und nennt als weitere Hürden »Sprache, Geld, Papiere«. Ihm fehlte auch eine Familie in Deutschland, die ihn hätte unterstützen können.

Er verhehlt dabei nicht, dass er viel Glück hatte: Zwei Ehrenamtliche halfen ihm bei der Prüfung. Von seinen Qualitäten überzeugte Privatleute liehen ihm Geld. Eine engagierte Mitarbeiterin im Jobcenter unterstützte seine Pläne, sich selbstständig zu machen, und ein kulanter Vermieter kam ihm im Coronaabschwung entgegen.

Dadurch ist der Modedesigner in der Lage, mit seinem 2018 gegründeten Atelier eliev Munich (der Name kommt vom englischen »believe«: glauben) exklusive Abend-, Braut- und Alltagsmode aus Naturmaterialien wie Wolle, Seide und Leinen zu präsentieren und gezielt seine Marke aufzubauen. Schnitte und Farben der eleganten Damenmode verknüpfen arabische und europäische Einflüsse.

»Ich möchte wieder so weit kommen wie in Syrien«, beschreibt Alhamod sein ehrgeiziges Ziel. Den Willen, die Kraft und die Kreativität dazu bringt der 42-Jährige mit. Aufgeben ist für ihn keine Option.

Auch die Coronakrise begriff er als Herausforderung und entwickelte Mitte 2021 ein neues Standbein für sein Geschäft: die Online-Änderungsschneiderei »Change into« für Privatkunden und Firmen. Damit will er sich gegen Fast Fashion und für nachhaltiges Denken positionieren.

Alhamod: »Change into – das bedeutet, dass du deine Kleidung, dein Wissen, dein Bewusstsein änderst.«

Mit Sensoren Bäume retten

Auch Bäume sind gestresst und können darüber berichten. Zu dieser ungewöhnlichen Aussage kommen die vier Chefs von Treesense. Einer davon ist Semir Babajić (28), der das Ziel des 2019 gegründeten Start-ups erklärt: »Wir entwickeln eine Sensortechnologie, die die Herzfrequenz des Baumes misst und zeigt, wann er unter dem Klimawandel und somit unter Trockenstress leidet.« Dann könnten, so der bosnischstämmige Betriebswirt, Pflege und Bewässerung effizienter gestaltet werden, um ein Fällen des Baumes zu vermeiden.

Weil das Fällen auch relativ kostspielig ist, sprechen für das kleine Wearable zur Rettung der Bäume, genannt Treesense Pulse, nicht nur ökologische, sondern auch ökonomische Gründe. Die ersten Smart-City-Pilotprojekte laufen in Mainz, Mailand und Kirchheim.

München sei noch nicht dabei, bedauert Babajić. Gespräche mit Baureferat und Stadtwerken seien aber geplant. Der Treesense-Geschäftsführer erhofft sich nun vom PhönixPreis Aufmerksamkeit und Rückenwind.

Entwickelt hat die innovative Sensorik der Forstwirt Giancarlo Foderà (48), der 2011 aus Sizilien nach München einwanderte und die Methode gemeinsam mit drei Kollegen an der Technischen Universität München (TUM) verfeinerte. Er tat sich anfangs schwer in Deutschland – mit der Sprache, mit seinem Uniabschluss, der nicht anerkannt wurde. Deshalb musste er zuerst als Landschaftsgärtner arbeiten, bis er durch einen glücklichen Zufall an die TUM kam.

»Dafür können wir jetzt sein tolles Netzwerk in Italien nutzen, um Kunden zu gewinnen«, sagt Babajić. Er selbst betätigt sich bei der Suche nach Lieferanten für die Sensoren als Türöffner in Bosnien: »So können wir ein europäisches Unternehmen bleiben und müssen nicht nach China.«

Innovatives fürs Reinigen

»Leicht geht heute eigentlich nichts«, macht sich Sami Memili gleich Luft. Seit 30 Jahren sei er im Geschäft und immer noch gelte: Um in seiner Branche mithalten zu können, sind besseres Wissen, bessere Produkte, international anerkannte Prüfberichte und viel Überzeugungskraft nötig.

Der 54-jährige Unternehmer stammt aus der Türkei, studierte in den USA Business Administration und wanderte 1991 in Deutschland ein. Ein Jahr später gründete er die ARCORA Handels GmbH in München, die sich auf Produkte für die Reinigungs- und Hygienetechnik spezialisiert hat.

Seitdem baute Memili das Unternehmen Schritt für Schritt aus und ist heute stolzer Arbeitgeber von 370 Mitarbeitern, Betreiber von weltweit fünf Produktionswerken und Lieferant von mehr als 1.490 Artikeln von Reinigungs- und Pflegechemikalien über Wischbezüge und Reinigungsmaschinen bis hin zur Arbeitskleidung.

»Wir bieten alles an, was sich auf dem Boden bewegt«, sagt Memili, um gleich zu ergänzen, dass sich das Sortiment um Mikrofasertextilien erweitert hat. Dabei handelt es sich um eigene Produkte sowie die Fertigung für namhafte Markenhersteller. Um die aktuell 96 patentierten Innovationen bundes- und auch weltweit zu vermarkten, gründete er 2005 die ARCORA International GmbH.

Der PhönixPreis bedeutet Memili viel: »Mit unserer wahren Erfolgsgeschichte ermutigen wir junge Unternehmer und zeigen ihnen, dass man trotz der geschäftlichen und privaten Barrieren doch ans Ziel kommen kann.«

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