Bis zum Mount Everest

Der Bergschuhspezialist LOWA produziert vorwiegend in Europa und exportiert bis nach China. Dabei verfolgt der Mittelständler eine konsequente Nischenstrategie.
Von Eva Elisabeth Ernst, IHK-Magazin 09/2023
Ein Lifestyle-Produkt? Nein, das sind seine Schuhe nicht, meint Alexander Nicolai. Daran ändern auch die bunten Akzente und auffälligen Sohlen nichts, die auch bei jungen Kunden gut ankommen. „Wir fertigen schließlich keine Sneaker, sondern funktionale Produkte mit perfekten Sohlen und Passformen für moderates bis schwieriges Gelände, mit denen unsere Kunden die Natur genießen können“, betont der Geschäftsführer der LOWA Sportschuhe GmbH. „Und das soll auch so bleiben.“
Dieser Fokus auf die Kernkompetenzen kommt offenbar gut an: Das Unternehmen ist auf nachhaltigem Wachstumskurs. 2022 verkaufte es mehr als 3,16 Millionen Paar Schuhe. Lediglich im Coronajahr 2021 waren es noch etwas mehr. Damit sieht sich LOWA als Marktführer in Deutschland, Österreich und der Schweiz.
Vom Handwerks- zum Industriebetrieb
Der Hauptsitz des Unternehmens liegt in Jetzendorf, einer Gemeinde mit rund 3.100 Einwohnern im oberbayerischen Landkreis Pfaffenhofen. Dort gründete 1923 der Schustersohn Lorenz Wagner LOWA, für den Firmennamen fügte er die ersten beiden Buchstaben von Vor- und Nachnamen zusammen. Zunächst stellte Wagner Haferlschuhe her, bald darauf sattelte er auf Bergschuhe und Skistiefel um. Die einstige Manufaktur entwickelte sich zum Industriebetrieb mit mehreren Fabrikstandorten in Deutschland.
Bis 1992 war die Firma im Besitz der Gründerfamilie. Doch Marktveränderungen und Managementfehler führten zur Krise und schließlich zum Verkauf an das italienische Familienunternehmen Tecnica. Die Skischuhproduktion wurde nach Italien verlagert, LOWA konzentriert sich seither auf Berg- und Wanderschuhe.
Turnaround mit leichtem, stabilem Bergschuh
Tecnica hält heute 80 Prozent der Anteile. Die restlichen 20 Prozent gehören Werner Riethmann, der das Unternehmen als langjähriger Geschäftsführer wieder auf Erfolgskurs navigierte und es heute zusammen mit Nicolai leitet. Der Turn-around gelang vor allem mit dem besonders leichten und dennoch stabilen Bergschuh „Renegade“, der auch heute noch in mehreren Varianten hergestellt wird.
„Die Zusammenarbeit mit Tecnica läuft nach wie vor sehr gut“, sagt Nicolai, der vor seiner Ernennung zum Geschäftsführer 2019 Produktentwicklung und Design leitete. „Für die nächsten Jahre haben wir ein Strategiepapier erarbeitet und mit den Gesellschaftern abgestimmt“, so Nicolai. „Operativ arbeiten wir selbstständig.“ Größter Absatzkanal ist der Fachhandel, da bei Berg- und Wanderschuhen die Beratung und das Anprobieren nach wie vor sehr wichtig sind. Es gibt auch einen LOWA-Onlineshop. Der Anteil der Schuhe, die darüber verkauft werden, liegt bislang im einstelligen Prozentbereich.
Starker Export weltweit
Auch wenn der deutsche Markt nach wie vor wächst: Mehr als die Hälfte der produzierten Schuhe exportiert das Unternehmen in knapp 80 Länder weltweit, Tendenz steigend. Die wichtigsten Auslandsmärkte sind die Schweiz, Österreich, die Beneluxstaaten sowie die USA. Mittlerweile gibt es aber selbst in China Kunden.
Hohe eigene Wertschöpfung
Hergestellt werden LOWA-Schuhe nahezu ausschließlich in Europa. Der Großteil stammt aus einem Werk in der Slowakei mit 1.900 Mitarbeitenden. „Dabei handelt es sich um einen Produktionspartner, mit dem wir über 25 Jahre lang zusammengearbeitet haben“, erklärt Nicolai. „Da es keinen Nachfolger gab, konnten wir das Unternehmen 2019 kaufen und unsere Wertschöpfungstiefe erhöhen. Damit decken wir alle Bereiche vom ersten Konzept über das Design bis hin zur Produktion selbst ab.“ Nach der Akquisition baute LOWA zwei neue Hallen, modernisierte den Maschinenpark und erhöhte die Jahresproduktion auf knapp 3 Millionen Paar Schuhe.
Jährlich rund 300.000 Paar Schuhe produziert das Werk am Stammsitz in Jetzendorf. Dort werden zudem Materialien, neue Modelle sowie Stichproben aus der laufenden Produktion auf Herz und Nieren geprüft. Eine Besonderheit bildet der Reparaturservice mit seinem beachtlichen Ersatztteillager: Jährlich werden in Jetzendorf nämlich rund 18.000 LOWA-Schuhe neu besohlt, manche stammen noch aus den 1980er-Jahren. Gewinne erwirtschaftet die Firma mit dem Service nicht, dafür stärkt er Marke und Kundenbindung – und leistet einen Beitrag zur Nachhaltigkeit.
Stammkunden pflegen, Marke verjüngen
Stammkunden zu pflegen und die Marke dennoch zu verjüngen, zählt zu den strategischen Zielen des Unternehmens. Nicolai freut sich, dass in den 3 Coronajahren auch vermehrt jüngere Zielgruppen den Outdoorsport für sich entdeckt haben. Die Sommerkollektion 2023 umfasst mehr als 110 verschiedene Modelle, um möglichst alle Nutzungsanforderungen abzudecken – vom Hochalpin-Bergsteigen auf dem Mount Everest bis zum Spaziergang mit dem Hund im Park.
Neues Geschäftsfeld: Trailrunning-Schuhe
Um sich noch breiter aufzustellen, gibt es seit Juli dieses Jahres eine Trailrunning-Kollektion mit extrem leichten und dennoch gut gedämpften Schuhen. Sie werden allerdings in Vietnam hergestellt, da das Know-how rund um die Verarbeitung des Kunststoffs für die Zwischensohlen und Schaftmaterialien nur in Asien existiere, sagt Nicolai. Vermarktet werden die Schuhe daher unter der Subbrand „ATR by LOWA“, um sich von der Hauptmarke zu unterscheiden. Schließlich sollen sich die Kunden darauf verlassen können, „dass die Schuhe der Kernmarke LOWA made in Europe sind“, so der Geschäftsführer.
Wachstum sukzessive erhöhen
Nun geht es darum, die Kostensteigerungen bei Materialien, Löhnen und Energie durch effizientere Produktionsabläufe aufzufangen – und zwar bei gleichbleibend hoher Qualität, wie Nicolai betont. Leichte Preisanpassungen ließen sich dennoch nicht vermeiden.
Eine weitere Herausforderung bildet die Erhöhung der Kapazitäten. „Durch die Eigenproduktion in Europa können wir nur sukzessive wachsen“, sagt der Geschäftsführer. „Dafür hatten wir in den vergangenen Jahren aber auch kaum unter asiatischen Lieferkettenproblemen zu leiden.“