Unternehmen | Unternehmen

Expansion aus der Region

Thorsten Jochim ©
Führen Rosenheims älteste Brauerei – Marisa Steegmüller und Lorenz Stiglauer

Die Privatbrauerei Flötzinger wächst nachhaltig – und das in einem rückläufigen Gesamtmarkt. Wie gelingt das dem Rosenheimer Unternehmen?

Von Eva Elisabeth Ernst, IHK-Magazin 10/2023

Wie gut, dass Marisa Steegmüller Brathendl ausgesprochen gern mag. Die geschäftsführende Gesellschafterin der Flötzinger Brauerei Franz Steegmüller GmbH & Co. KG lässt es sich nicht nehmen, bei den meisten Festivals, Gau-, Bier- und Gartenfesten in der Region, die ihr Unternehmen mit Getränken versorgt, persönlich vorbeizuschauen. Und dann isst sie eben ein knusprig gebratenes Hendl – jährlich kommt sie so auf rund 170 Stück.

Das sogenannte Festewesen ist für die inhabergeführte Brauerei ein wichtiger Geschäftszweig, mit dem sie ein knappes Drittel ihres Umsatzes erwirtschaftet. Jährlicher Höhepunkt des Veranstaltungskalenders ist das Rosenheimer Herbstfest, bei dem bis zu 8.000 Gäste im Flötzinger Festzelt feiern.

Brauereigerechtigkeit seit 1543

Flötzinger ist die älteste Brauerei Rosenheims – und die einzige, die noch in Privatbesitz ist. Anno 1543 erteilte Herzog Wilhelm IV. von Baiern dem Bräu in der Rosenheimer Wiesengasse die Brauereigerechtigkeit. 1868 erwarb der Ururgroßvater von Marisa Steegmüller den Besitz der Familie Flötzinger.

Aktuell braut das Unternehmen jährlich rund 150.000 Hektoliter. Zum Sortiment zählen 19 verschiedene Biere, inklusive saisonaler Spezialitäten. Hinzu kommen 100.000 Hektoliter Mineralwasser, Schorle und vor allem das Flötzinger Cola-Mix – „das drittbeliebteste Cola-Mischgetränk in ganz Deutschland“, wie Steegmüller betont.

Eingespieltes Team, schnelle Entscheidungen

Die studierte Betriebswirtin führt das Traditionsunternehmen gemeinsam mit Lorenz Stiglauer (37). Ihr 87-jähriger Vater Franz schaut regelmäßig in der Brauerei vorbei und bringt seine Erfahrungen ein. Fest zugeteilte Zuständigkeitsbereiche gibt es keine: „Wir stimmen uns kontinuierlich ab und arbeiten sehr gut zusammen“, sagt Marisa Steegmüller. Auch Stiglauer schätzt die kurzen Wege und die schnellen Entscheidungen, die in den Chefbüros getroffen werden.

Jahrzehntelang ist der Biermarkt in Deutschland leicht rückläufig ist, dennoch gelingt es dem Unternehmen, kontinuierlich zu wachsen. „Allein in den vergangenen 5 Jahren haben wir unsere Produktion um rund 60 Prozent erhöht“, betont Stiglauer. Mittlerweile stößt die Brauerei jedoch an ihre Kapazitätsgrenzen. Daher werden derzeit im Gewerbegebiet in Schechen, etwa 10 Kilometer vom Hauptsitz entfernt, neue Gär- und Lagertanks gebaut. Auch Teile der Logistik werden dorthin ausgelagert. Der Umzug ist für Mai 2024 geplant. „Das Herzstück der Brauerei, unser Sudhaus, bleibt aber in Rosenheim“, so Steegmüller.

Vertrieb in Italien und Österreich steigert Umsatz

Der jüngste Wachstumssprung gelang vor allem durch die Ausweitung des Vertriebsgebiets. Mittlerweile gibt es die Bier- und Getränkespezialitäten nahezu flächendeckend in ganz Deutschland sowie in Italien und Österreich, allen voran in Tirol und im Salzburger Land. „Ab 2019 haben wir den nationalen Vertrieb über den Getränkefachgroßhandel konsequent ausgebaut“, erklärt Stiglauer. „Das gelang mit viel Fuß- und Überzeugungsarbeit – und dank der Qualität unserer Produkte.“ Preislich seien die Flötzinger Biere nämlich eher am oberen Ende angesiedelt.

Ausgezahlt hat sich die verstärkte Präsenz des Flötzinger Sortiments im Einzelhandel in den Pandemiejahren aus. „Denn das Geschäft mit Fassbier für Gastronomie und Veranstaltungen ist damals natürlich komplett eingebrochen“, sagt Stiglauer. So kam Flötzinger nicht umhin, Mitarbeitende in Kurzarbeit zu schicken. „Wir haben das Kurzarbeitergeld allerdings freiwillig aufgestockt“, betont Steegmüller. „Dadurch haben wir alle an Bord behalten. Denn unsere Mitarbeitenden sind unser wichtigstes Kapital.“ Viele seien schon seit Jahrzehnten bei Flötzinger, regelmäßig werden dort 30- und 40-jährige Betriebsjubiläen gefeiert.

Radl-Service für Mitarbeitende fördert Image

Qualifizierten Nachwuchs zieht das Unternehmen selbst heran: Es bildet derzeit zehn junge Menschen zu Industriekaufleuten, Berufskraftfahrern und Brauereimälzern aus. „Wir haben in der Region eine hohe Bekanntheit als guter Arbeitgeber“, sagt Personalleiterin Angelika Wildgruber (57). „Aber auch für uns ist es nicht mehr so einfach wie noch vor 10 Jahren, neue Mitarbeitende zu finden.“

Um sich als attraktiver Arbeitgeber zu zeigen, richtete das Unternehmen zum Beispiel 2021 eine Radl-Service-Station für Beschäftigte ein, die mit dem Fahrrad zur Arbeit kommen. Dort können sie die Reifen aufpumpen und kleinere Reparaturen durchführen. Aus Platzgründen stellte das Unternehmen die Station mit Genehmigung der Stadt Rosenheim gegenüber dem Haupttor auf öffentlichem Grund auf. Das Angebot kam auch bei anderen Radfahrern so gut an, dass die Brauerei in Rosenheim, Kolbermoor und Neubeuern mittlerweile 8 Radl-Stationen aufgebaut hat. Der Service für die Mitarbeitenden entwickelte sich so letztendlich zum Werbeträger für Flötzinger.

Regionales Sponsoring und umsichtiges Wirtschaften

Auch sonst ist die Brauerei in der Region sehr präsent: Sie unterstützt zahlreiche regionale Sport-, Trachten- und Brauchtumsvereine. Im Profisport ist Flötzinger Sponsor des Eishockeyclubs Starbulls Rosenheim und auf nationaler Ebene offizieller Getränkepartner des Deutschen Eishockeybunds. „Ansonsten sind wir auf Instagram und Facebook vertreten“, sagt Steegmüller. „Aber die beste Werbung für uns ist der Geschmack unserer Biere.“

Gute Qualität und umsichtiges Wirtschaften gemäß den Prinzipien des Ehrbaren Kaufmanns seien ihr wichtig, sagt die Unternehmerin. Damit ließen sich auch die aktuellen Herausforderungen, allen voran die Kostensteigerungen bei Energie, Rohstoffen und Personal, bewältigen.

Nachwuchs in den Startlöchern

Für Kontinuität im Familienunternehmen ist gesorgt: Sohn Sebastian (19) studiert Betriebswirtschaft und Unternehmensführung und plant bereits, in die Brauerei einzusteigen. Ob dies auch Tochter Sophie-Marie (18) tun wird, sei derzeit noch offen, so Marisa Steegmüller. „Wir wollen auf jeden Fall weiterhin gesund wachsen – und eine private Familienbrauerei bleiben.“

Verwandte Themen