Das Binsen-Projekt
Mithilfe von Pflanzen unterstützt SusTeco-Gründer Wolf-Dieter Rausch Kommunen dabei, ihr Abwasser zu klären – und reinigt so inzwischen sogar ölverschmutztes Wasser in der Wüste.
Von Natascha Plankermann, IHK-Magazin 10/2024
Eine grüne Kläranlage, die nicht stinkt. Darüber staunen jedes Jahr die Kinder aus Rosenheim bei ihrem Schulausflug zum Weiler Berg in der Gemeinde Söchtenau im Landkreis Rosenheim. Wer dort wohnt, fährt immer an dem Ort vorbei, an dem das Abwasser aus seiner Toilette durch verschiedene Filterbecken läuft. „Wir wollten die Pflanzenkläranlage ins Bewusstsein rücken und haben sie absichtlich direkt an die Straße gesetzt“, sagt der Erbauer Wolf-Dieter Rausch, Gründer des Unternehmens SusTeco e.K.
Hinter dem „wir“ steht die inzwischen 120 Köpfe zählende Dorfgemeinschaft von Berg, die vor 27 Jahren entschied, autark zu bleiben und sich nicht an den Kanal zur kommunalen Wasserreinigung anschließen zu lassen. Und das, obwohl für die Pflanzenkläranlage von Berg nicht der Zuschuss bewilligt wurde, der für andere Anlagen selbstverständlich war. Im Gegenteil: „Wir mussten dafür kämpfen, haben den Kanal und die Pumpstationen dafür in Eigenregie gebaut“, erzählt Sebastian Riepertinger, damals Wasserwart in Berg. „Das Amt für Wasserwirtschaft war ebenso dagegen wie die Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall DWA.“ Und Rausch ergänzt: „Als alles fertig war und funktionierte, wurde die Anlage dann zum umweltfreundlichen Vorzeigeprojekt des Wasserwirtschaftsamts.“
Geruchsfrei und preiswert
Der Einsatz der Bürger von Berg zahlt sich bis heute in mehrfacher Hinsicht aus: „Der Lohn besteht nicht nur aus dem sauberen Wasser, das wir geruchlos erreichen, sondern auch aus einem Preis von 70 Cent statt der üblichen Kosten, die bis zu 6 Euro pro Kubikmeter gereinigtem Abwasser betragen können“, sagt Rausch.
Für das Gemeinschaftsprojekt wurde ein eigener Verein gegründet. Mit einem Klärwärter, der regelmäßig Proben nimmt, um die Wasserqualität sicherzustellen – und der im Winter auch mal die Binsenhalme mäht. Seit 25 Jahren funktioniert die Berger Pflanzenkläranlage einwandfrei. „Sie wird sogar immer besser, weil sich in den Becken mit der Zeit Sedimente ablagern, die das Wasser zusätzlich filtern“, erklärt Rausch. Gerade hat er turnusmäßig die wasserrechtliche Erlaubnis für die Anlage neu beantragen müssen – und sie anstandslos erhalten.
Prototyp in elterlicher Gärtnerei
Die Anlage geht auf die Forschungsarbeiten der Biologin Käthe Seidel (1907–1990) zurück. Die Forscherin entdeckte in den 1950er-Jahren, wie gut die sogenannte Teich- oder Flechtbinse geeignet ist, Abwässer zu klären und zu reinigen. Seidel promovierte 1951 mit einer Arbeit über die Ökologie und Technologie dieser Pflanze. 1973 lernte sie Rauschs Vater Fridolin in Bad Reichenhall kennen. „In unserer Gärtnerei baute sie 1975 zusammen mit ihm die erste Pflanzenkläranlage für den Alltagsbetrieb“, erzählt Wolf-Dieter Rausch.
Die Erkenntnisse der Forscherin bilden den Grundstein des Unternehmens SusTeco. „Ich entwickelte die Anlagen weiter, bei denen anfangs einiges gebastelt wurde“, sagt der studierte Bauingenieur Rausch, der auch eine Gärtnerlehre absolviert hat. „Dadurch bekamen die Anlagen ein akzeptables technisches Niveau. Es gibt Messeinrichtungen und die Anlagen entsprechen modernen Hygienestandards.“
Ideal: fließendes Gewässer zum Ableiten
Für ihn gibt es eine „rote Linie“, ab der es für einzelne Gehöfte, Dörfer oder Weiler nachhaltig wird, eine dezentrale Lösung zu bauen und sich nicht an die Großkläranlagen von Städten anschließen zu lassen: „Es kommt darauf an, wie abgelegen das Dorf ist und wie aufwendig es ist, einen Kanal dorthin zu bauen.“ Idealerweise fließt ein Bach oder Fluss vorbei, in den das gereinigte Wasser schließlich geleitet werden kann. „Aber ich habe schon Anlagen gebaut, bei denen es am Ende in einem Versickerungsbiotop landet“, so Rausch.
Überdimensionale Kaffeefilter
Allein 4 Pflanzenkläranlagen in der Gemeinde Söchtenau hat der 65-Jährige geplant und die Umsetzung betreut, insgesamt sind es mehrere 100 – und jede sieht anders aus. Sie bestehen aus 1 bis 5 oder auch mehr Beeten, wenn nötig. Einige von ihnen funktionieren wie Kaffeefilter. In ihnen landet das Brauchwasser aus den Haushalten und ihren Toiletten, das vorher von einer Zerkleinerungspumpe dafür vorbereitet wurde. Danach läuft es durch die restlichen Becken, in denen die Pflanzen dafür sorgen, dass gelöste Stoffe wie Nitrat oder Phosphat nicht ins Grundwasser gelangen.
Ölfreies Wüstenwasser
Das war ein wichtiger Grund, weshalb sich der frühere Wasserwart Riepertinger vor Jahren in Berg für die Pflanzenkläranlage starkgemacht hat. „Selbst Arzneimittel filtert sie heraus, das haben Studierende der TU München in Analysen festgestellt“, sagt er. Rausch hat sich immer weiter mit den Möglichkeiten von Pflanzenkläranlagen befasst und sieht künftiges Potenzial vor allem im Ausland. Im Wüstenstaat Oman im Mittleren Osten unterhält er eine Dependance und arbeitet mit einem omanischen Partner zusammen: Dort wird mithilfe von Schilf und Mikroorganismen wie Bakterien das Wasser geklärt, das bei Bohrungen nach Öl zutage tritt. Die Anlagen, die er dafür zwischen den Dünen geplant hat, sind sogar vom Weltall aus sichtbar – auf Satellitenbildern von Google Earth.