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Edles aus dem Schloss

Thorsten Jochim ©
Will die Traditionsmarke aktuell halten – Geschäftsführer Anders Thomas

Seit ihrer Gründung vor 275 Jahren vereint die Porzellan Manufaktur Nymphenburg Kunst und Handwerk. In der Fertigung traditionsbewusst, beweist das Unternehmen bei Design und Vermarktung Experimentierfreude.

EVA ELISABETH ERNST, Ausgabe 11/2022

Hoch konzentriert und mit ruhiger Hand setzen die Porzellanmaler Pinselstrich für Pinselstrich auf Teller, Tassen und Figuren. In den historischen Werkstätten auf dem idyllischen Gelände am nördlichen Rondell des Nymphenburger Schlosses lässt sich erleben, was der Begriff »Manufaktur« bedeutet: Traditionelle Handarbeit, ausgeführt von Kunsthandwerkern und Mitarbeitern, die mit Techniken und Rezepturen arbeiten, die von Generation zu Generation weitergegeben werden. Von der Herstellung der Porzellanmasse über die Dreherei und die manuelle Formung bis hin zum Bemalen, Vergolden und Polieren: Bei der Königlichen Porzellan Manufaktur Nymphenburg GmbH & Co. KG wird jedes einzelne Teil der exklusiven Kollektion nach wie vor von Hand hergestellt.

Seit 275 Jahren alles von Hand

Dabei kann das Unternehmen auf eine 275-jährige Geschichte zurückblicken. 1747 gründete der Wittelsbacher Kurfürst Max III. Joseph von Bayern die Churfürstliche Porcelain Fabrique in Neudeck bei München. 14 Jahre später zog die Manufaktur in die eigens für sie erbauten Werkstätten im Schlossrondell.

Bis weit ins 19. Jahrhundert hinein erwarb sich die Nymphenburger Porzellan Manufaktur auch international einen hervorragenden Ruf. Mit der zunehmenden Industrialisierung wurde immer mehr technisches Porzellan, wie etwa Isolierglocken für Telegrafenmasten oder Laborschalen, hergestellt. Die Wittelsbacher begannen, die Manufaktur zu verpachten. Ab 1888 übernahm die Kaufmannsfamilie Bäuml die Pacht und übergab sie 1975 an den Wittelsbacher Ausgleichsfonds.

Immaterielles UNESCO-Kulturerbe

Im Oktober 2011 erwarb schließlich Luitpold Prinz von Bayern (71) gemeinsam mit seinen Cousins Prinz Wolfgang und Prinz Leopold die Manufaktur. »Uns war und ist es wichtig, ein Unternehmen zu erhalten, dessen Porzellanmalerei von der Deutschen UNESCO-Kommission zum immateriellen Kulturerbe ernannt wurde und dessen lange Geschichte stark mit unserer Familie verbunden ist«, erklärt Prinz Luitpold. Er sei sehr zufrieden damit, dass es in den vergangenen elf Jahren geglückt sei, die Porzellan Manufaktur Nymphenburg mit marktgängigen Produkten und ohne staatliche Zuschüsse am Markt zu halten und damit auch die handwerklichen Fähigkeiten zu bewahren.

Internationaler Türenöffner

In seiner Rolle als Gesellschafter des Unternehmens wirkt Prinz Luitpold beratend mit, unterstützt aber auch mit seinem persönlichen Netzwerk. »Prinz Luitpold öffnet uns auch international viele Türen«, betont Geschäftsführer Anders Thomas (45). Die Zielgruppen kennt Thomas aus früheren beruflichen Stationen bei Unternehmen des Luxussegments.

Der Betriebswirt beriet Prinz Luitpold bei Due Diligence und Bieterverfahren rund um den Kauf. Dass Prinz Luitpold ihm anschließend die Position als Geschäftsführer anbot, bezeichnet er als »Fügung und Herausforderung zugleich«. Denn trotz starker Marke und hoher internationaler Reputation stand es damals um die wirtschaftliche Position des Unternehmens nicht zum Besten. Mittlerweile arbeitet es jedoch operativ profitabel und erwirtschaftet Umsätze im einstelligen Millionenbereich.

Ein Drittel Umsatz durch individualisierte Innenarchitektur

Dass die manuelle Herstellung es erlaubt, Produkte zu individualisieren, sieht Prinz Luitpold als große Stärke, die insbesondere im Geschäftsfeld Architektur zum Tragen kommt. Etwa ein Drittel trägt diese Sparte zum Umsatz bei. Die Porzellan Manufaktur Nymphenburg stellt längst auch Leuchten, Waschbecken, Wanddekorationen sowie Fliesen für Wände und Böden her.

Das zweite Umsatzdrittel wird mit Geschirr erwirtschaftet, das dritte mit dekorativem Porzellan, wozu unter anderem Vasen, Karaffen und Kerzenleuchter zählen, aber auch eine große Auswahl an Figuren vom bayerischen Löwen bis hin zu filigranen klassischen Figuren der Commedia dell’Arte. »Sie wurden im Jahr 1753 von Franz Anton Bustelli entworfen und sind das erste Kooperationsprojekt zwischen einem Künstler und der Manufaktur«, erklärt Geschäftsführer Thomas.

»Künstler als Markenbotschafter«

Diese Tradition wird heute fortgesetzt. So gestalteten Designer wie Vivienne Westwood oder Christian Lacroix die Neuauflagen der Figuren. »Wir arbeiten aber auch mit anderen zeitgenössischen Designern wie etwa Konstantin Grcic und Hella Jongerius sowie bildenden Künstlern wie Carsten Höller und Wim Delvoye zusammen«, erklärt der Geschäftsführer. »Die Künstler fungieren als Markenbotschafter und sorgen für Vielfalt und frischen Wind im Sortiment.«

Verkauf über Onlineshop und Multiplikatoren 

Wichtigste Absatzmärkte sind Kanada und die USA. In den USA verkauft das Unternehmen nach wie vor über den klassischen Einzelhandel und beliefert knapp 30 exklusive Concept Stores. In Deutschland und den anderen internationalen Märkten setzt es dagegen auf den vor drei Jahren eröffneten Onlineshop sowie Multiplikatoren wie Architekten und Innenarchitekten. Den Showroom am Odeonsplatz in München schloss das Unternehmen im Dezember 2020 wieder: »Miete und Personalkosten waren in Relation zum dort realisierten Umsatz zu hoch«, erklärt Geschäftsführer Thomas.

Exklusives Gästehaus im Schlossrondell 

Allerdings gibt es am Unternehmenssitz am Nymphenburger Schlossrondell einen großzügigen Showroom, in dem die aktuelle Kollektion gezeigt wird. Direkten Kontakt zur Markenwelt haben aber auch die Gäste der sogenannten Nymphenburg Residence. In diesem Gästehaus mit Blick auf das Schloss, laut Thomas »die exklusivste Unterkunft der Stadt«, wurden auf drei Etagen vier Schlafzimmer, sieben Bäder, drei Wohnräume, ein Esszimmer, Küche, Fitnessraum, Konferenzbereich plus Heimkino und Weinkeller eingerichtet. Dort lassen sich Geschirr und architektonische Elemente der Manufaktur nicht nur bestaunen, sondern auch nutzen. Die Residence wurde am 13. März 2020 eröffnet – eine Woche vor dem ersten Lockdown. Daher hielt sich der Beitrag des Gästehauses zur Stärkung der wirtschaftlichen Lage bislang in Grenzen. »Doch die Buchungszahlen steigen, unser Konzept geht auf«, sagt Thomas.

Pop-up-Restaurant mit Sternekoch

Bester Resonanz erfreute sich das Pop-up-Restaurant der Manufaktur, in dem Sternekoch Jan Hartwig in einer ehemaligen Schleiferei zwischen September und Oktober dieses Jahres von Montag bis Freitag ein feines Menü mit Weinbegleitung kreierte. »Auch hier kamen die Gäste mit der Manufaktur und unseren Produkten in Berührung«, sagt Thomas, der sich durchaus weitere Aktivitäten in dieser Richtung vorstellen kann. »In unserem Segment wird es immer wichtiger, eine traditionelle Marke auch mit ungewöhnlichen Ideen aktuell und begehrenswert zu halten.«

Schloss Kaltenberg Gruppe

Die Familie Wittelsbach bündelt weltweite Schutzrechte und Lizenzkooperationen organisatorisch in der Schloss Kaltenberg Gruppe mit den Gesellschaften Schloss Kaltenberg Königliche Holding und König Ludwig International.

Hauptsitz der Gruppe ist Schloss Kaltenberg, 1292 erbaut und heute Eigentum von Luitpold Prinz von Bayern, dem Urenkel des letzten bayerischen Königs, Ludwig III. Weithin bekannt ist das Schloss durch das Kaltenberger Ritterturnier, das jährlich rund 10.000 Besucher ins Mittelalter zurückversetzt.

Es ist die Residenz von Prinz Luitpold und seiner Familie, aber auch das Domizil der gleichnamigen Brauerei sowie Ursprungsort der königlichen Bierspezialitäten, die unter den Marken »Kaltenberg«, »König Ludwig Weißbier« und »König Ludwig Dunkel« weltweit unter Lizenz produziert und verkauft werden.

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