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Problemlöser ECOFARIO: Das Wunder muss warten

Janina Laszlo ©
ECOFARIO-Chef Sebastian Porkert

ECOFARIO-Gründer Sebastian Porkert ist ein Problemlöser: Er hat eine Technik entwickelt, um gefährliches Mikroplastik aus dem Wasser zu fischen. Jetzt kämpft er um die Finanzierung – und um Unterstützung durch die Politik.

MARTIN ARMBRUSTER, Ausgabe 01/2023

Man sagt ihm nach, er habe ein untrügliches Gespür für das, was die Menschen bewegt. Dazu gehört Plastik. »Mir ist zu viel Plastik in der Welt«, klagte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) Ende September 2022 auf dem Bayerischen CSR-Tag in der IHK. Und er bot die Lösung dazu an: »Ich glaube an die Technik, total.«

»Ich glaube an die Technik, total.« Söder darf sich glücklich schätzen. In Bayern gibt es diese Technik, auch wenn der Ministerpräsident das selbst wohl nicht weiß. Der Impuls dafür entstand schon 2013. Den promovierten Ingenieur Sebastian Porkert alarmierten damals Medienberichte über die Verschmutzung der Gewässer mit Mikroplastik. »Mir war sofort klar, dass da etwas getan werden muss.«

Fünf Gramm Mikroplastik tägliche Aufnahme

Unter Mikroplastik versteht man Partikel, die kleiner als fünf Millimeter sind. Allein in Deutschland werden pro Jahr rund 330.000 Tonnen Mikroplastik freigesetzt. Die Folgen sind beängstigend. Bis zu fünf Gramm Mikroplastik nimmt der Mensch täglich im Körper auf. Mikroplastik steht im Verdacht, Krebs, Hormonschäden und Entzündungen zu verursachen. Zudem wirken die Partikel wie ein Kleber für Toxine, Schadstoffe und Medikamentenrückstände.

164 Millionen Partikel pro Stunde im Münchener Abwasser

Mikroplastik stammt aus Peelingkosmetik, Putz- und Waschmitteln, Reifenabrieb, Shampoos, Zahnpasta und Synthetikkleidung. Der Ammersee ist ebenso verseucht wie der Gardasee, in der Donau schwimmen mehr Partikel als Fischlarven, die Belastung der Meere steigt und steigt. Was Porkert motivierte, war vor allem eines: das Versagen der konventionellen Filtertechnik. Selbst mit dem heutigen Stand der Technik eliminieren Kläranlagen maximal 95 Prozent der Plastikteilchen. Was das bedeutet? Porkert macht die Rechnung auf: Im geklärten Abwasser finden sich im Schnitt pro Kubikmeter 7.000 Partikel. Allein München produziert rund 6,5 Kubikmeter Abwasser pro Sekunde.

Porkert und sein Team sind entschlossen, die Plastikflut zu stoppen. Schon der Name des Münchner Start-ups ECOFARIO GmbH steht für ein Versprechen: Er setzt sich zusammen aus Ökologie (Eco) und der Bachforelle (Salmo Trutta Fario), einem Fisch, der klares, sauerstoffreiches Wasser liebt.

Highspeed-Quirl

Statt der üblichen Filter setzt das Unternehmen auf die Kraft modifizierter Hydrozyklone. Mit einer Zentrifuge, dem High-G-Separator, wird das Wasser in Highspeed gequirlt. Der Wasserwirbel sorgt für ein Gravitationsfeld, das Mikroplastik in die Mitte des Wasserwirbels saugt. Laut Porkert lassen sich so 95 Prozent der Plastikteilchen, die bei einer Kläranlage durchrutschen, vom Wasser trennen.

Der Hydrozyklon muss direkt in der Kläranlage toben. Ist das Mikroplastik schon im Fluss oder im See, ist es zu spät. Dort würde die Technologie auch Fischen und Kleinlebewesen schaden. Porkert ist von den Vorzügen seiner Lösung überzeugt. Die sei besser, kostengünstiger und wartungsärmer als Filteranlagen.

Idee vielfach ausgezeichnet

Die Fachwelt äußert sich begeistert. 2014 erhielt Porkert den »Strascheg Award« für die beste wissenschaftliche Idee. Beim Deutschen Nachhaltigkeitspreis gewann Porkert den »Next Economy Award 2020« in der Kategorie Resources. Die Idee des Hydrozyklons finden auch die Medien gut.

Idee gut, aber zunächst kein Geld für sie

»Einfach genial«, lobte der Mitteldeutsche Rundfunk. Das Magazin »National Geographic« widmete dem »Plastikfischer« ein Porträt. Eine Erfolgsstory wie aus einem Guss. Doch leider hat sie einen Riss. Porkerts Problem: Alle finden seine Idee gut, aber niemand will sie zunächst finanzieren.

Das Beispiel ECOFARIO zeigt, wie wichtig Fördermittel sind. 10.000 Euro Preisgeld aus einem Ideenwettbewerb, ein Zuschuss des Bundeswirtschaftsministeriums und drei Gutscheine über insgesamt 38.000 Euro von Bayern Innovativ haben dazu beigetragen, dass es das Unternehmen überhaupt gibt.

Den größten Teil der Kosten finanzierte das Start-up aus Eigenmitteln. Gehälter für das vierköpfige Team gab es keine. Eine Crowdfunding-Kampagne scheiterte kläglich. Statt der erhofften 660.000 US-Dollar kamen nur 9.000 US-Dollar zusammen. Porkert tröstet sich mit Zynismus. Er sagt, ein toter Delfin im Kunststoffnetz bewege die Leute eben mehr als ein Bachflohkrebs, der an Mikroplastik erstickt.

Pressebericht ermöglicht Prototyp

Als »Gamechanger« erwies sich ein Beitrag der »Süddeutschen Zeitung« (»Der Wassermann«) über das Unternehmen. Eine Münchner Privatfrau las ihn und stellte dem Start-up daraufhin 400.000 Euro zur Verfügung. »Das hat uns gerettet«, meint Porkert. Er konnte seinen ersten mobilen Prototyp bauen und testen – in Neufinsing, in Eching am Ammersee und in Röthenbach an der Pegnitz. »Die Ergebnisse sind top«, versichert der Ingenieur.

Im Zuge der Energiekrise hat Porkert seine Lösung nochmals verbessert. Sein Hydrozyklon braucht Strom, etwa 0,3 Kilowatt pro Kubikmeter Wasser. In Kooperation mit einem Turbinenhersteller hat er die Energieeffizienz um 30 Prozent verbessert.

»Dunkelgrün« nach EU-Taxonomie

Nach der EU-Taxonomie wäre das Unternehmen dunkelgrün, das Geschäftsmodell dient sieben der 17 UN-Ziele (SDGs) einer nachhaltigen Entwicklung. »Wir sind bereit«, betont Porkert. Was noch fehlt, sind Käufer und Investoren. »Es ist demotivierend«, klagt der Unternehmer. Zumindest einen Erfolg kann er verbuchen. Ein norddeutsches Family-Office ist eingestiegen. Die Finanzierung des Unternehmens ist bis Ende 2023 gesichert.

Geld verdient das Start-up derzeit auf anderen Einsatzfeldern. Für die Papierindustrie fischt es Fasern aus dem Wasser, in Bodenwaschanlagen in Dänemark saugt der Hydrozyklon Öl aus dem Substrat. »Auf Wunsch holen wir auch die Fettaugen aus dem Weißwurstwasser«, scherzt Porkert, der als Pionier der Umwelttechnik gut vernetzt ist. Er ist Vorstandsmitglied des Umweltclusters Bayern und Mitglied im IHK-Ausschuss Unternehmensverantwortung. Nur das Kerngeschäft steht weiter »on hold«.

Gefühlt von der Politik im Stich gelassen

Porkert fühlt sich von der Politik im Stich gelassen. Mikroplastik aus dem Abwasser zu saugen, das würde laut seiner Rechnung pro Bürger und Jahr etwa sieben Euro kosten. Freiwillig würden aber weder Kommunen noch Industrie ihre Kläranlagen nachrüsten. »Es geht nur mit Zwang, mit Verboten oder Grenzwerten«, ist Porkert überzeugt. Er hofft auf eine bayerische oder europäische Gesetzesinitiative. Auch die Bürger würden das befürworten, 84 Prozent der Verbraucher sprechen sich für die Regulierung von Mikroplastik aus. Die Frage ist nur, ob ECOFARIO durchhält, bis es die gibt.

Öl von Wasser trennen

Dabei wären die Möglichkeiten fantastisch. Das Unternehmen könnte Kläranlagen nachrüsten und nach Tankerunglücken Öl vom Wasser trennen. Es ist Partner des Projekts »Ocean Waste RecyclingShip«, das pro Tag 350.000 Kubikmeter Trinkwasser aus Meerwasser gewinnen will.

Vorerst jedoch wird Mikroplastik weiter fast ungehindert in die Flüsse strömen. Gut möglich, dass eines nicht zu fernen Tages medizinisch nötig wird, was auch ECOFARIO nicht schafft: ein Verfahren, um Mikroplastik aus Menschen zu entfernen.

Die Problemlöser: Clevere Ideen für große Herausforderungen

Klimaschutz, Energiekrise, demografischer Wandel – das sind nur einige der gewaltigen Probleme, vor denen wir stehen. In Oberbayern gibt es Unternehmen, die diese Herausforderungen annehmen: Sie entwickeln kluge Lösungen für die drängenden Aufgaben unserer Zeit. Das IHK-Magazin stellt diese Problemlöser in einer Serie vor.

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