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Problemlöser socialbee: Gute Jobs statt Almosen

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„Jeder soll es in Deutschland schaffen können“, sagt socialbee-Gründerin Zarah Bruhn

Die Gründerin Zarah Bruhn zeigt mit ihrem Sozialunternehmen socialbee, wie man Geflüchtete nachhaltig in Beschäftigung bringt.

Von Martin Armbruster, IHK-Magazin 03/2023

Noch heute schwärmen viele von der „positiven Energie“, die in München zu spüren war, als im Herbst 2015 Tausende Geflüchtete am Hauptbahnhof ankamen. „Die ganze Welt lobt unsere Willkommenskultur“, jubelte der regionale Fernsehsender münchen.tv. Die damalige BWL-Studentin Zarah Bruhn erlebte das als ehrenamtliche Helferin mit. Sie stellte sich nur irgendwann die Frage: Was passiert, wenn die Euphorie verflogen ist und die Fernsehkameras ausgeschaltet sind?

Das Thema ließ Bruhn nicht mehr los. Sie hatte den Eindruck, dass trotz großer Versprechen viel zu wenig für die Integration getan wird. Was sie beschäftigte, waren diese grotesken Zahlen: 80 Prozent der Geflüchteten landeten in der Langzeitarbeitslosigkeit, obwohl 85 Prozent der Firmen bereit waren, Geflüchtete einzustellen.

Modell der sozialen Zeitarbeit ausgebaut

Bruhn wollte das ändern. Ihr Credo: „Jeder soll es in Deutschland schaffen können.“ Sie gab ihr Berufsziel auf, Investmentbankerin zu werden, lieh sich Geld von ihren Eltern und gründete mit Maximilian Felsner die socialbee gGmbH, Deutschlands erste soziale Zeitarbeitsagentur für Geflüchtete. Sie will erreichen, was die Politik nur ansatzweise schafft: Geflüchtete und Unternehmen zusammenzubringen.

Bruhn sagt heute, sie habe mit socialbee einen „Kontrapunkt“ setzen wollen – gegen Ökonomen, die vorrechneten, die Abschottung käme Deutschland billiger. Stattdessen hat sie das Modell der sozialen Zeitarbeit über sechs Jahre ausgebaut und bietet heute neben der direkten Stellenbesetzung über eine anfängliche Arbeitnehmerüberlassung auch eigene Weiterbildungsprojekte und Coachings für Geflüchtete, aber auch für Unternehmen an.

Bruhn will zeigen, dass es anders und besser geht. Um Hürden auf Unternehmensseite abzubauen und Motivation zu mehr Vielfalt aufzubauen, bietet sie Firmen eine Diversitäts-Expertise, die an ein „Rundum-sorglos-Paket“ erinnert.

Der Bürokratie-Irrsinn, der Behörden-Wirrwarr – socialbee kümmert sich darum. Fehlende Zeugnisse und berufliche Qualifikationen werden von Firmen häufig als eine vermeintlich große Hürde wahrgenommen, die aber leicht abgebaut und durch eigene Zertifizierungsverfahren effektiv gelöst werden könne, berichtet socialbee-Sprecherin Laura Zwerger.

Geflüchtete gezielt schulen

Das Unternehmen bietet dafür mittlerweile mehr als 27 eigene Qualifizierungsprogramme an, branchenübergreifend und deutschlandweit. Hier können Firmen in Zusammenarbeit mit socialbee selbst Geflüchtete zu Fachpersonal schulen oder im Anschluss an ein Qualifizierungsprogramm einzelne Vakanzen mit Absolventen besetzen. Darüber hinaus hat socialbee auch Diversity-Trainings und interkulturelle Betreuung von Onboarding-Prozessen im Programm.

„Empowerment“ ist dabei ein Schlüsselbegriff. Beginnt eine direkte Stellenbesetzung mit einer Arbeitnehmerüberlassung, sollen die Mitarbeitenden es nach spätestens eineinhalb Jahren in die Festanstellung oder in eine Ausbildung schaffen, weil das der entscheidende Schritt zu einem selbstbestimmten Leben ist.

Dafür werden Ziele und Stärken jeder Person in einer individuellen Betreuung durch Integrationsmanager gefördert – auch weiterführend in den ersten Monaten in einem neuen Job. So werden Abbruchquoten minimiert und die individuelle Potenzialentfaltung ermöglicht.

Diverse Rekrutierung überzeugt

Anfangs rekrutierte Bruhn noch selbst in den Flüchtlingsunterkünften. Heute kann das Unternehmen auf ein Netzwerk von 4.000 Kontakten in Behörden, Helferkreisen und Hilfsorganisationen zugreifen. „Unternehmen sehen endlich das Potenzial in der diversen Rekrutierung – und bekommen von uns top motivierte Talente“, sagt Bruhn.

Da ist zum Beispiel der Architekt, der kein Wort Deutsch sprach, aber mit dem Fahrrad für Foodora Pizzen ausliefern konnte. Dank socialbee arbeitet der Mann heute in Deutschland in seinem gelernten Beruf und spendet nun selbst aus Überzeugung Geld für die Integrationsarbeit von socialbee.

Das Unternehmen hat bereits Hunderte Geflüchtete in feste Jobs gebracht. Die Langzeit-Integrationsquote liegt bei knapp 90 Prozent. Als besonders schöne Zahl betrachtet Firmensprecherin Zwerger in diesem Zusammenhang die 10.000 Kontaktpunkte in den Arbeitsmarkt, die socialbee mit weiteren Maßnahmen wie Beratungsgesprächen, Trainings oder Vermittlungen schon geschaffen habe. Die Wirtschaft zieht mit.

Öffentlichkeitswirksame Werbekampagne

Derzeit verfügt socialbee über ein Netzwerk mit gut 500 Firmenkontakten. Mit mehr als 260 Unternehmen arbeitet es zusammen, darunter sind etwa der Softwarekonzern SAP SE, das Einrichtungshaus IKEA, die Deutsche Bank AG und die Fischkette NORDSEE GmbH. Bruhn will aber mehr erreichen, als nur Stellen zu besetzen. Sie will das „gesamte System sozial revolutionieren“. Deshalb wendet sie sich auch an die Öffentlichkeit. Zusammen mit der Hamburger Agentur Jung von Matt AG und dem Werberiesen Ströer-Gruppe sorgte sie 2018 mit der Kampagne „Soft skills can come the hard way“ für einen Wow-Effekt in deutschen Großstädten. Solche Motive hatte das Land auf 2.200 Plakaten und 4.000 Screens noch nie gesehen. Da stellte sich Zeray aus Eritrea mit den Worten vor: „Ich bin teamfähig. Ich habe mit 85 Menschen in einem kleinen Schlauchboot überlebt.“

Die Medien berichteten, wer dahintersteckt, das machte socialbee über Nacht bundesweit bekannt. 2019 folgte die Kampagne „Spot the refugee“. Die Suchbilder auf den Plakatwänden zeigten Albert Einstein (Flucht aus Hitler-Deutschland) und den Queen-Sänger Freddie Mercury (floh mit seiner Familie von Sansibar nach England). Die Kreativen verlangten für die Kampagne nichts. Das war „pro bono“, für die gute Sache.

Trotz Krise Mitarbeiterzahl und Standorte ausgebaut

Nur die Coronakrise hätte socialbee fast gekillt. Zum Glück für die Geflüchteten ist die vorbei, und das Unternehmen arbeitet wieder im Angriffsmodus. Im Herbst 2022 konterte man den Sozialtourismus-Vorwurf von CDU-Chef Friedrich Merz mit einer bissigen PR-Kampagne. Inzwischen ist socialbee auf 45 Mitarbeiter gewachsen, macht rund drei Millionen Euro Umsatz und hat neben München Standorte in Stuttgart, Hamburg und Berlin.

Testimonials belegen, dass die socialbee-Konzepte wirken. So sagt zum Beispiel Jürgen Hörmann, Personalchef des Münchner Biomarktfilialisten VollCorner Biomarkt GmbH: „Das Konzept erlaubt uns, die Mitarbeiter kennenzulernen und zu sehen, wie sie sich entwickeln.“ Er hat drei Geflüchtete angestellt. Blumen Salmen urteilt auf Google: „Großartiges Start-up. Endlich mal eine Flüchtlingsintegration, die wirklich was bringt!“

Inzwischen hat socialbee selbst viele Helfer – Privatpersonen und Stiftungen, die das gemeinnützige Unternehmen mit Spenden fördern. Bruhn erhielt mit socialbee den Audi Generation Award 2021, den KfW-Gründer Award, den Female Founders Award der US-Handelskammer und den Next Generation Award. Sogar die Champagnermarke Veuve Clicquot kürte Bruhn mit dem Bold Woman Award.

Frauen im Fokus: Female Edition Programm

Aktuell kümmert sich das Unternehmen verstärkt um geflüchtete Frauen, für die es besonders schwierig ist, einen Job zu bekommen. Die Beschäftigungsquote liegt bei 16 Prozent. Im Mai 2023 startet socialbee daher das „CARE CHAMPIONS – Female Edition Programm“, das Frauen den Einstieg in den Pflegeberuf ermöglichen soll.

Die Chance, auf dem Feld noch mehr zu erreichen, eröffnet die „Google.org Impact Challenge for Women and Girls“; socialbee gehört zu den 34 Organisationen, die unter 8.000 Bewerbern weltweit für die mit 25 Millionen US-Dollar dotierte Challenge ausgewählt wurden. Das Projekt soll dazu beitragen, das Wirtschaftsleben für Frauen und Mädchen gerechter zu machen.

Schon im April 2022 erfolgte der ultimative Ritterschlag. Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP) berief die Unternehmerin als Beauftragte für soziale Innovationen in ihr Ministerium. Bruhn hat jetzt nur noch halbtags für ihr Unternehmen Zeit – aber die Chance, in Berlin die großen Hebel zu bewegen.


Die Problemlöser: Clevere Ideen für große Herausforderungen

Integration, Klimaschutz, Energiekrise, Fachkräftemangel – das sind nur einige der gewaltigen Probleme, vor denen wir stehen. In Oberbayern gibt es zahlreiche Unternehmen, die diese Herausforderungen annehmen: Sie entwickeln kluge Lösungen für die drängenden Aufgaben unserer Zeit. Das IHK-Magazin stellt diese Problemlöser in einer Serie vor.

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