Sprachlich höchst erfolgreich
Der Münchner Hueber Verlag ist bei Lernmaterialien für Deutsch als Fremdsprache weltweit führend. Doch die Pandemie beeinträchtigt das Geschäft spürbar. So will das Unternehmen gegensteuern.
Eva Elisabeth Ernst, Ausgabe 02/21
Eigentlich sollte ihr Bruder die Nachfolge im Familienunternehmen, der heutigen Hueber Verlag GmbH & Co. KG, antreten. Michaela Hueber (61) [gesprochen mit stummem [e] und langem [u]), entschied sich daher nach dem Abitur für ein Jurastudium. Doch dann schlug ihr Bruder doch noch einen anderen Berufsweg ein – und Schwester Michaela startete mit 29 Jahren und dem ersten Staatsexamen als Verlegerin und geschäftsführende Gesellschafterin. »Das Verlagswesen kannte ich schon seit meiner Kindheit, da viele Termine mit Autoren und Geschäftspartnern bei uns zu Hause stattfanden«, sagt Hueber.
Vor 100 Jahren vom Großvater gegründet
Dennoch absolvierte sie Praktika in anderen Verlagen, bevor sie ihre Position antrat: »Dabei wurde ich von allen Mitarbeitern und vor allem vom zweiten Geschäftsführer, der bereits seit vielen Jahren im Verlag war, wirklich bestens unterstützt.« Ihr Jurastudium konnte sie so trotz der neuen beruflichen Herausforderung mit dem zweiten Staatsexamen abschließen. Seither sind 35 Jahre vergangen, in denen Michaela Hueber das Familienunternehmen weiter auf- und ausbaute. Dabei hat sie zwei langjährige Mitarbeiterinnen an ihrer Seite, mit denen sie sich seit zwei Jahren die Geschäftsführung teilt: Marion Kerner (54) ist für den Programmbereich zuständig, Sylvia Tobias (60) für Marketing und Vertrieb.
Deutlich wichtiger als ihr persönliches Jubiläum ist Hueber allerdings das 100-jährige Bestehen, das der Verlag dieses Jahr feiert. Er wurde 1921 von ihrem Großvater Max Hueber gegründet, der damals seine Universitätsbuchhandlung im Münchner Stadtteil Schwabing führte. Bei den ersten Büchern, die der Verlag veröffentlichte, handelt es sich um universitär geprägte Fachliteratur aus Romanistik, Theologie und Philosophie.
7.000 Lehrwerke aller Couleur
Auch heute publiziert der Verlag Lehrwerke – allerdings für ein breiteres Publikum. »Wir spezialisieren uns auf Materialien zum Lernen und Unterrichten von Sprachen«, erklärt Co-Geschäftsführerin Tobias. Das aktuelle Verlagsprogramm umfasst rund 7.000 aktive Titel: Lehrwerke und Selbstlernmaterialien, Grammatiken, Hörbücher und Lektüren sowie Fachliteratur. »Wir bieten Print- und Audiomaterialien sowie Off- und Onlinekurse«, sagt Tobias. »Und zwar für über dreißig verschiedene Sprachen, wobei allerdings die deutsche Sprache besonders im Fokus steht.«
Longseller in besonderer Verbindung mit dem Goethe-Institut
Im Segment »Deutsch als Fremdsprache/Deutsch als Zweitsprache« ist der Hueber Verlag weltweit führend. Diesen Schwerpunkt setzte Ernst Hueber, Michaela Huebers Vater, der maßgeblich an der Entwicklung des 1953 wiedereröffneten Goethe-Instituts beteiligt war. Die von ihm erstmals verlegte »Deutsche Sprachlehre für Ausländer« von Dora Schulz und Heinz Griesbach, die beide am Goethe-Institut lehrten, entwickelte sich zum Best- und Longseller. Mittlerweile ist der Verlag in mehr als 60 Ländern aktiv. »Im DACH-Raum, also in Deutschland, Österreich und der Schweiz, konzentrieren wir uns auf die Erwachsenenbildung«, sagt Tobias. »In allen anderen Ländern begleiten wir das Sprachenlernen vom Kindergarten bis zur Hochschulreife.«
Schulmaterialien als stabiles Geschäftsfeld
Dieses zweite Geschäftsfeld ist derzeit besonders wichtig. Durch Corona schrumpften die Umsätze im Segment der Erwachsenenbildung drastisch, da viele Kurse bei Volkshochschulen und privaten Sprachinstituten abgesagt wurden und die Zahl der ausländischen Studenten an Hochschulen und Universitäten im DACH-Raum deutlich zurückging. »Die Schulmärkte sind dagegen relativ stabil«, erklärt Tobias.
Nur langsame Erholung erwartet
Dennoch traf die Pandemie das Münchner Verlagshaus stark: Trotz zwei sehr guter Monate zu Jahresbeginn sank der Umsatz 2020 um ein Viertel auf rund 25 Millionen Euro. »Und auch das Jubiläumsjahr 2021 wird schwierig«, prognostiziert Unternehmerin Hueber. Bereits im vergangenen Jahr wurden viele Einsparpotenziale gehoben, insbesondere in Marketing und Vertrieb. Ein Teil der Mitarbeiter ging in Kurzarbeit. »Daher mussten wir niemanden entlassen«, so Hueber.
Sie rechnet damit, dass sich die Umsätze in den kommenden Jahren nur langsam erholen und bis 2025 nicht das gewohnte Niveau erreicht haben werden. »Der Verlag muss sich verkleinern«, sagt sie. »Dabei setzen wir auf natürliche Fluktuation und entwickeln einvernehmliche Lösungen für Mitarbeiter, die früher in Rente gehen möchten.«
Seit 30 Jahren digitale Produkte - Umsatzsprung durch Coronakrise
Bei der Bewältigung der geschäftlichen Auswirkungen der Pandemie hilft es, dass der Hueber Verlag sich schon seit 30 Jahren mit der Digitalisierung beschäftigt. »Als Ergänzung zum physischen Buch bieten wir mittlerweile einen ganzen Kranz an Onlineprodukten«, sagt Tobias. »Die Palette reicht von Erklärvideos und Einstufungstests über Onlineaudiodateien bis hin zu Kopiervorlagen und Lehrerhandbüchern.« Derzeit erwirtschaftet der Verlag rund vier Prozent des Umsatzes mit digitalen Angeboten. Hueber rechnet damit, dass dieser Anteil bis 2025 auf 20 Prozent steigen wird. »Durch Corona verändert sich die Art des Lernens rasch und nachhaltig«, sagt sie.
Mit Sprachenschulen und Digitalanbietern kooperieren
Um sich im Dschungel der digitalen Möglichkeiten nicht zu verzetteln, setzt das Unternehmen verstärkt auf Kooperationen, unter anderem mit Sprachenschulen und Anbietern digitaler Lösungen. In die Partnerschaften bringt Hueber Content, aber auch den hohen internationalen Bekanntheitsgrad und die gewachsenen weltweiten Vertriebsstrukturen ein. »Alles, was wir nicht selber, besser und schneller anbieten können, was unser Programm ergänzt und bereichert sowie mit Sprachen zu tun hat, darf unter unser Vertriebsdach schlüpfen«, fasst Hueber die Strategie zusammen. »Wir wollen uns auf unsere Stärken konzentrieren und in unsere Stärken investieren.«
Die Eigenständigkeit und Unabhängigkeit des Verlags zu erhalten, ist ihr ein großes Anliegen. »Ich bin sehr zuversichtlich, dass der Hueber Verlag gesund aus der aktuell schwierigen Situation herauskommen wird«, sagt sie. Schließlich bereitet sich mit ihrer Tochter Helen Hueber (22) bereits die vierte Generation auf den Einstieg ins Unternehmen vor.