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Betrachtet roadsurfer als Vorreiter der Branche – Geschäftsführer Markus Dickhardt

Seit 2016 vermietet das Start-up roadsurfer Campingbusse. Inzwischen sind die Münchner international aktiv und sehen sich als Marktführer in Europa. Wie ist das so rasch gelungen?

Von Sabine Hölper, IHK-Magazin 04/2024

Der Frühling ist da, die Urlaubssaison beginnt – und damit die heiße Zeit für die 650 Mitarbeiter der roadsurfer GmbH. Das Kerngeschäft der Münchner ist die Vermietung von Campingbussen. Die Hauptsaison geht von Ostern bis zu den Herbstferien. Rund 6.000 Fahrzeuge unterschiedlicher Hersteller hat das 2016 gegründete Unternehmen im Angebot. Sie können an mehr als 70 Standorten in 16 Ländern ausgeliehen werden, außer in Deutschland unter anderem in Frankreich, Spanien, Schweden und den USA.

Roadsurfer ist nach eigenen Angaben der europäische Marktführer in diesem Segment und will seine Position weiter ausbauen. „Die Fahrzeugflotte soll in diesem Jahr auf knapp 8.000 Camper wachsen“, sagt Geschäftsführer Markus Dickhardt.

Eigene Erfahrung gab Anstoß für Gründung

Die Idee zu roadsurfer entstand nach einer Reise. Markus und Susanne Dickhardt, Christoph und Stephie Niemann sowie Jean-Marie Klein – die späteren Gründer des Unternehmens – hatten Campingurlaub an der Atlantikküste gemacht. Die Dickhardts, angetan von dieser Art des Reisens, versuchten im Anschluss, fürs nächste Jahr einen Bulli zu mieten. Das war allerdings nicht leicht. „Im Internet gab es kaum Anbieter, nur sehr kleine, und die waren alle so gut wie ausgebucht“, sagt Markus Dickhardt. Auch die Abwicklung war kompliziert. „Ich musste zum Bezahlen vor Ort erscheinen“, sagt er. „Das kann doch nicht sein“, schoss es dem Familienvater durch den Kopf. „Das muss doch einfacher gehen.“

Dickhardt und seine Mitstreiter wollten es wissen: „Wir haben uns auf YouTube Onlinetutorials angesehen, wie man einen Webshop aufbaut“, sagt der 40-Jährige. Dann suchten sie einen Namen für ihre Unternehmung, fanden roadsurfer perfekt, um die Freiheit, die Campingurlaub verspricht, auszudrücken – und gründeten. Sie kauften 25 Camper zu je knapp 100.000 Euro mit privaten Ersparnissen und einem Bankkredit. Das Geschäft lief gut an, sehr gut sogar. Schon nach 1 Jahr war das Unternehmen profitabel.

Mit frischem Geld auf internationales Parkett

Somit stand der nächste große Schritt an, die Ausweitung der Flotte auf 250 Fahrzeuge. Diese Finanzierung war nicht mehr ganz so leicht wie die erste – und doch wieder mit der Bank zu bewältigen. Dass das Unternehmen schließlich Anfang 2020 Eigenkapital einsammelte und Gesellschafter an Bord holte, lag an dem stetig starken, auch internationalen Wachstum. „Irgendwann monierte die Bank, dass angesichts der hohen Bilanzsumme die Eigenkapitalquote zu niedrig sei“, erklärt Dickhardt.

Die Expansion geht mit hohem Tempo weiter – trotz zahlreicher Mitbewerber. Allein in München starteten etwa zur gleichen Zeit wie roadsurfer mehrere Camper-Vermietungen, darunter die FreewayCamper GmbH oder die CamperBoys GmbH, die heute unter der Marke Off auftritt. Doch roadsurfer entwickelt sich besonders schnell. Dickhardt führt dies auf das „super Gründerteam“ zurück, aber auch darauf, dass „wir immer mutiger waren, vieles ausprobiert haben“.

Freikilometer, Erklärvideos, und eine Tasche voller Überraschungen

So führte roadsurfer recht schnell freie Kilometer ein und war damit Vorreiter. Heute bieten die meisten Konkurrenten ebenfalls eine unbegrenzte Kilometerleistung pro Tour an. Außerdem glaubt der Gründer, dass die „starke Kundenzentrierung“ ein Alleinstellungsmerkmal ist. Jeder neue Mieter erhält, bevor er die Reise in einem der bunt folierten Camper antritt, eine Fahrzeugeinweisung mit ausführlichen Erklärvideos und Fotos. Im Bus findet er die nötige Campingausrüstung, ein Gästebuch und eine Tasche mit Überraschungen.

„Sabine Rennsemmel“: Jedem Kunden sein Wohnmobil

Die jeweils ersten Mieter eines neuen Busses werden besonders emotional angesprochen: Das Fahrzeug wird nach ihnen benannt. Am Armaturenbrett des Beifahrers befindet sich ein Schild mit einem Namen, der Bezug nimmt auf den Mieter, zum Beispiel „Sabine Rennsemmel“ oder „Sabine Sonnenschein“. Das Ausdenken der Namen sei eine Heidenarbeit, aber roadsurfer will sie sich auch bei 8.000 Campingmobilen noch machen.

Ein weiterer Service, den die Oberbayern anbieten: eine immer länger werdende Liste von außergewöhnlichen Stellplätzen in ganz Europa, etwa auf Weingütern, Bauernhöfen oder direkt am Meer. Auf der Webseite können sich Reisende Inspirationen holen und Übernachtungsmöglichkeiten direkt buchen. Das ist insbesondere für Neulinge eine Hilfe, die häufig zwar Lust auf Camping haben, aber keine Ahnung, wo sich interessante Stellplätze befinden.

Zweitmarkt für Camper

Gleichzeitig steht die Buchungsplattform auch Wohnmobilbesitzern zur Verfügung. Diese Gruppe wächst allein schon deshalb, weil roadsurfer Modelle, die ein paar Monate oder Jahre vermietet wurden, verkauft. „Es gibt im Grunde keinen Zweitmarkt für Camper“, sagt Dickhardt. „Wir haben ihn für Leute, die Geschmack an Campern gefunden haben, geschaffen.“

Das ist ein kluger Schachzug. Denn somit muss sich das Unternehmen nicht anderweitig darum kümmern, Bullis mit hoher Kilometerzahl abzustoßen. Das Geschäftsmodell funktioniert also innerhalb der gesamten Wertschöpfungskette. Das hat es von Beginn an, trotz mehrfacher Krisen wie etwa der Pandemie.

Auftragsdelle durch Krisen

Häufig heißt es, Corona habe den Camper-Boom erst beflügelt, da es lange nicht möglich war, zu fliegen und in Hotels zu übernachten. Dickhardt hat das zumindest in den Anfängen der Pandemie anders erlebt: „Die Campingplätze waren ja auch eine Zeit lang zu“, sagt er. Monatelang habe man sich nur mit Stornierungen und Rückzahlungen beschäftigt – ohne neue Buchungen entgegennehmen zu können. Als die Pandemie dann vorbei war, kam die nächste Krise.

Das Unternehmen wollte stark wachsen. Doch Lieferkettenengpässe aufgrund des Kriegs in der Ukraine verhagelten dem jungen Unternehmen sein Vorhaben. Die Automobilhersteller konnten die Fahrzeuge nicht wie gewünscht zur Verfügung stellen. „Das hat uns im Ergebnis Millionen gekostet“, sagt der Unternehmer.

20 Standorte, 1.000 Mitarbeiter, 200 Millionen Euro Umsatz

2023 sei das erste „normale“ Jahr gewesen, freut sich Dickhardt. Wobei „normal“ für roadsurfer bedeutet, weiteres Wachstum vorzubereiten. Für 2024 planen die Outdoor-Travel-Experten die Expansion in neue Märkte wie Kanada, Norwegen und Irland. In den USA kommen mit Las Vegas und San Francisco weitere Stationen dazu.

Mehr als 20 neue Standorte sollen eröffnet werden, die Zahl der Mitarbeiter auf knapp 1.000 anwachsen, der Umsatz in Richtung 200 Millionen Euro gehen. Und das ist noch nicht alles. Langfristig hat Dickhardt Australien und Neuseeland im Blick.

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