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Die Zahlenmeisterin

STAT-UP/Mina Karimi ©
Profitierte von Empfehlungen – Katharina Schüller, Geschäftsführerin Stat-Up

Mit ihrem Unternehmen STAT-UP hat Katharina Schüller völlig neue Geschäftsfelder erschlossen. Der Münchner Dienstleister gilt als deutscher Pionier für statistische Beratungen und Datenauswertungen.

STEFAN BOTTLER, Ausgabe 11/2022

Prothesenträger haben mit vielen Belastungen zu kämpfen. Nicht genug damit, dass sie dauerhaft mit künstlichen Gliedmaßen leben müssen, die die natürlichen Körperteile nie wirklich ersetzen können. Weil Prothesen immer wieder neu anzupassen sind, müssen die Träger auch regelmäßig ihren Arzt oder aber den Hersteller selbst aufsuchen.

Für ein oberbayerisches Medizintechnikunternehmen war dies Grund genug, das Beratungsunternehmen STAT-UP mit der Auswertung der jahrelang gesammelten Patienten- und Produktdaten zu beauftragen. »Wir haben nachgewiesen, dass jeder Patient sich einen Außentermin sparen kann, wenn die 3-D-Herstellung nochmals nachgebessert wird«, berichtet Katharina Schüller (45), Geschäftsführerin der STAT- UP Statistical Consulting & Data Science GmbH. Auch der Hersteller und die Arztpraxen sparen so Zeit und Geld.

Wertschöpfung durch Datenanalyse

Für Schüller zeigt dieses Projekt eindrucksvoll, dass Unternehmen Wertschöpfung generieren, wenn sie ihre vorhandenen Daten umfassend auswerten lassen. »Die Statistik bietet hierfür unfassbar viele Möglichkeiten«, ist die Unternehmerin überzeugt. Lange galt Statistik lediglich als Hilfswissenschaft, die Natur-, Wirtschafts- und Gesellschaftswissenschaften bei empirischen Arbeiten mit validen Zahlen unterstützt. Tatsächlich ist Statistik jedoch eine eigenständige Disziplin. Wer sich für dieses Studienfach entscheidet, wird in alle Methoden eingeführt, wie Daten gewonnen, aufbereitet, analysiert und ausgewertet werden.

Weil seit Jahrzehnten in nahezu allen Lebensbereichen immer mehr Daten anfallen, wird auch die Expertise für deren Weiterverarbeitung immer wichtiger. Solches Know-how hatte Schüller wohl im Kopf, als sie 2003 im Biergarten einem Kommilitonen während eines Gesprächs über ihre berufliche Zukunft, halb scherzhaft, halb ernst gemeint, ein eigenes Unternehmen vorschlug. Der Dienstleister, den beide daraufhin tatsächlich gründeten, warb mit statistischen Beratungen und weiteren Dienstleistungen für Firmen und Institutionen außerhalb der Wissenschaft.

Konkurrent Marktforschung

Von Beginn an hatten es Schüller und ihr Mitgründer (der später in die Wissenschaft zurückkehrte) jedoch mit mächtigen Wettbewerbern zu tun. Die Arbeit mit Daten war damals eine Domäne der Marktforscher. Vor allem Unternehmen fragten deren Dienstleistungen nach, wenn sie kommende Trends ermitteln, neue Produkte einführen oder Kundenverhalten analysieren wollten.

Allerdings blieben die Anbieter ihren Kunden offenbar manche Antwort schuldig. Das erfuhren die STAT-UP-Gründer schnell, als sie das Unternehmen auf der Plattform OpenBC, dem Vorgänger von Xing, bewarben. »Prompt meldeten sich ein Nutzfahrzeughersteller und eine Bank«, erinnert sich Schüller. Der Fahrzeughersteller wollte wissen, welche Kunden ihm langfristig wirklich die Treue halten. Die Bank plante die Einführung von neuen Kreditprodukten für ihre Zielgruppen. Die junge Firma konnte beiden helfen.

Datenmuster lesen

»Der Statistiker kann Muster und Strukturen aus Daten herauslesen«, sagt Schüller. In Vorträgen, Fachaufsätzen und Rundfunksendungen porträtiert sie Statistik als »faszinierendes Handwerk«, das regelmäßig mit Zahlen arbeite, die nur Insidern bewusst seien. »Statistik ist überall – auch dort, wo wir sie am wenigsten vermuten«, lautet ihre immer wiederkehrende Botschaft.

Das machte Unternehmen wie den eingangs erwähnten Medizintechnikhersteller auf die Statistikspezialisten aufmerksam. Andere wie die Fraport AG, die Betreibergesellschaft des Frankfurter Flughafens, engagierten die Münchner für klassische Marktforschungsprojekte. Fraport wollte Details über das Einkaufsverhalten von Passagieren wissen, die am größten deutschen Airport in einen Anschlussflug umsteigen. Mit veränderten Gate-Vergaben, die Passagiere an Geschäften vorbeilotsen, hoffte das Unternehmen, zusätzliche Umsätze zu schaffen. »Wir hatten kaum fundierte Daten und mussten erst einmal Muster für deren Generierung entwickeln«, erinnert sich Schüller.

Predictive-Maintenance-Analysen

Das Start-up hat längst auch in weiteren Märkten Fuß gefasst. Als ein besonders interessantes Geschäftsfeld hat die Unternehmerin Predictive-Maintenance-Analysen ausgemacht. Mit ihrer Datenexpertise ermitteln die mittlerweile rund zwei Dutzend Mitarbeiter, wann Maschinen und Anlagen ausfallen können und welche Präventivmaßnahmen in der Lage sind, dies zu verhindern. Vorteil: Für den Auftraggeber fallen keine zusätzlichen Umsatzverluste an, Kunden bleiben bei der Stange und die Servicekosten sind stabil.

Erfolg durch Empfehlungsmarketing

»Wir haben immer stärker vom Empfehlungsmarketing profitiert«, blickt Schüller auf die Firmenentwicklung mit mittlerweile mehr als 300 Projekten in rund 20 Branchen zurück. Das Spektrum reicht von Großaufträgen, die sich über mehrere Jahre hinziehen, bis hin zu sogenannten Feuerwehreinsätzen, wenn Daten lückenhaft sind oder ihre Qualität zu wünschen übrig lässt. Jeder zweite Dax-Konzern ist Ihr Kunde, hinzu kommen zahlreiche Mittelstandsunternehmen und öffentliche Auftraggeber, vor allem im Verkehrs- und Bildungswesen.

»Auch wir stoßen an Grenzen«, räumt Schüller ein. Als sie während der Coronakrise von Medien regelmäßig nach dem weiteren Pandemieverlauf befragt wurde, konnte sie wegen der unbefriedigenden Datenerhebung nur ungefähre Prognosen abgeben. Allerdings seien diese unterm Strich immer noch genauer gewesen als viele andere Vorhersagen, so Schüller.

So transparent wie möglich

Solche Erfahrungen bestätigen sie in ihrer Absicht, Statistik so transparent wie möglich zu machen. »Wir erklären jedem Kunden detailliert, wie wir seine Daten verarbeiten«, sagt die Unternehmerin. Wenn diese allein nicht aussagekräftig genug sind, müssen weitere Informationen herangezogen werden. Der Aufwand lohnt sich offenbar. Die Datenkompetenz vieler Unternehmen, stellt Schüller fest, ist in den letzten Jahren spürbar gestiegen.

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