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Tue Gutes und rede darüber

Familienbetrieb – Monika Prechtl mit ihrem Ehemann Andreas Prechtl, ihrer Schwägerin Petra Prechtl-Mareth und ihrem Neffen Simon Mareth (v.l.)

Sabine Hölper, Ausgabe 03/2020

Familienfreundlichkeit ist ein Schlüsselfaktor für Unternehmen, die sich als attraktiver Arbeitgeber positionieren wollen. Erfolgreich sind dabei vor allem jene Firmen, die ihre Angebote breit bekannt machen.

Im Einzelhandel arbeiten vorwiegend Frauen. In den Prechtl-Frischemärkten an vier Standorten in Oberbayern sind es 85 Prozent. Zwar nimmt der Anteil tendenziell ab, sagt Monika Prechtl (48), verantwortlich für Personalentwicklung und -führung. Dennoch: Bei 370 Mitarbeitern insgesamt macht das mehr als 300 weibliche Angestellte. Deren typische Laufbahn gestaltet sich laut Prechtl meist folgendermaßen: Sie machen im Haus eine Ausbildung, arbeiten einige Jahre und werden dann schwanger. Für das Unternehmen gelte es, die Mütter so bald wie möglich wieder ins Unternehmen zurückzuholen – und sei es zunächst nur für wenige Stunden in der Woche. In den vier Filialen des mittelständischen Lebensmitteleinzelhändlers funktioniert das sehr gut. Familienfreundlich wie das Unternehmen ist, bietet es alle erdenklichen Teilzeitmodelle. Das macht den Betrieb attraktiv für Frauen, die nach wie vor den größeren Teil der sogenannten Familienarbeit übernehmen. Familienfreundlichkeit ist einer der wichtigsten Bausteine, um Mitarbeiter zu halten und neue zu finden. Wer gleitende Arbeitszeiten anbietet oder Extraurlaubstage gewährt, wenn die Kinder krank sind, hat bessere Chancen, Mitarbeiter zu finden und zu binden. Viele Unternehmen haben mittlerweile erkannt, wie bedeutsam Familienfreundlichkeit im Wettbewerb um Fachkräfte ist. Allerdings: Die besten Maßnahmen nützen nichts, wenn sie nicht bei der Zielgruppe ankommen. Deshalb ist es nicht nur wichtig, familienfreundlich zu sein, sondern ebenso, dies zu kommunizieren – und zwar sowohl innerhalb des Betriebs als auch nach außen, um Bewerber auf sich aufmerksam zu machen.

Firmen sind zu zurückhaltend

Aber wie gelingt es am besten, beiden Adressaten-Gruppen klarzumachen, dass sie trotz betreuungsbedürftiger Kinder oder pflegebedürftiger Angehöriger willkommen sind? »Tue Gutes und rede darüber«, sagt Veronika Schandl. Sie leitet gemeinsam mit Michael Birlbauer die Servicestelle des Familienpakts Bayern, der Firmen dabei unterstützt, familienfreundliche Maßnahmen umzusetzen. Ihrer Erfahrung nach sind viele Unternehmen zurückhaltend in der Kommunikation, da sie sich sorgen, dass das Herausheben der Maßnahmen »nach Selbstbeweihräucherung aussieht«. Andere glauben, dass ihr Angebot »eine Selbstverständlichkeit« sei. Doch beides führt nicht zum Erfolg. »Familienfreundlichkeit ist angesichts des aktuellen Fachkräftemangels ein Schlüsselthema«, sagt Schandl. »Man sollte familienfreundlich agieren und muss das auch kommunizieren. Sonst bringt es wenig.« Aber: »Gerade bei kleinen und mittelgroßen Unternehmen ist mit wenig Aufwand viel zu holen«, verspricht Schandl. Ganz ohne Einsatz geht es allerdings nicht. Unternehmerin Prechtl zum Beispiel setzt auf persönliche Gespräche, um mit den Mitarbeitern zu verhandeln, wie der Wiedereinstieg für alle Beteiligten am besten laufen kann. Die Tür zu ihrem Büro stehe für solche Gespräche immer offen. Außerdem ruft sie die Frauen (und die wenigen Männer) in der Elternzeit an, um den Wiedereinstieg konkret zu bereden. Das brauche zwar ein bisschen Zeit, so Prechtl, aber die Mitarbeiter könnten so sehen, dass Familienfreundlichkeit im Betrieb tatsächlich gelebt wird. Dass sie zum Beispiel die Filiale wechseln können, um näher an der Kita arbeiten zu können, oder dass sie zunächst als 450-Euro-Kraft einsteigen können. Dies tragen die Betroffenen via Flurfunk weiter – und werden so Vorbilder für andere Mitarbeiter. Auch Franz Schabmüller (34), geschäftsführender Gesellschafter der Framos Holding GmbH, hält flexible Arbeitszeiten für besonders wichtig für Eltern. »Wenn ein Vater um 9 Uhr einen Anruf bekommt, dass das Kind nicht betreut werden kann, weil es zum Beispiel krank ist, dann ist es in der Regel kein Problem, wenn er nach Hause gehen möchte.« Da die Kollegen dies mitbekommen, wissen sie, dass sie selbst auch unterstützt werden, wenn es nötig ist. Und dass es machbar ist.

Nur versprechen, was man halten kann

Selbstverständlich sollten sich Unternehmen davor hüten, »Dinge zu versprechen, die man nachher nicht halten kann«. Auf diese »sehr wichtige Regel« weist Judith Mangelsdorf, Geschäftsführerin der Deutschen Gesellschaft für Positive Psychologie UG, hin. Die familienfördernden Maßnahmen sollten langfristig angelegt sein, Versprochenes also nicht zurückgezogen werden. Umgekehrt gilt aber ebenso: Was man halten kann, sollte man auch versprechen – laut genug, dass es alle mitbekommen, und am besten auf allen vorhandenen Kanälen. So wie die Vamed Klinik Kipfenberg. Sie hält für ihre rund 540 Mitarbeiter zahlreiche Erleichterungen bereit – vom neuntägigen Extraurlaub für Familienangelegenheiten über Kinderbetreuung in der Ferienzeit im Sommer bis hin zu Arbeitszeiten, die an die individuelle Situation angepasst sind. »Wir haben mehr als 100 verschiedene Arbeitszeitmodelle von stundenbasiert bis hin zu Vollzeit«, sagt Dominik Bilz (28), Leiter Projektmanagement und Unternehmenskommunikation. Er ist in der komfortablen Lage, eine Menge Familienfreundliches kommunizieren zu können. Aber entscheidend ist: Er macht es auch. Das Unternehmen habe die Kommunikation kürzlich noch einmal deutlich verbessert, sagt er. So stellt Bilz die Informationen über die familienfreundlichen Maßnahmen nicht mehr nur im regelmäßig erscheinenden Newsletter vor. Alles Wichtige teilt das Unternehmen ebenso in Mitarbeiterversammlungen mit und spricht die Pflegekräfte und Ärzte auf den Stationen auch direkt an. Mindestens einmal im Jahr wird ein Stand im Foyer aufgebaut. »Dort informieren Mitarbeiter über die Maßnahmen und geben ein Handbuch aus, in dem diese aufgelistet sind«, sagt Ute Haase, Geschäftsführerin der Vamed Klinik Kipfenberg. Außerhalb des eigenen Betriebs lassen sich familienfreundliche Angebote zum Beispiel auf Karrieremessen bekannt machen. Besonders gut gelingt das im persönlichen Gespräch mit Jobinteressenten. Viele Firmen kommunizieren in Stellenausschreibungen genau, was Bewerber erwarten können. Ins Vorstellungsgespräch gehört das Thema ohnehin.

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