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"Unsicherheit akzeptieren": Unternehmensberater Norbert Wieselhuber über kluge Führung in der Krise

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»Wichtig sind Wahrheit und Klarheit in der Kommunikation«, so Unternehmensberater Norbert Wieselhuber

Das Führungs- und Kommunikationsverhalten des Unternehmers entscheidet mit darüber, wie gut eine Firma die Coronakrise bewältigt, sagt Norbert Wieselhuber. Der renommierte Berater deutscher Familienunternehmen, verrät, worauf es dabei ankommt.

Ausgabe 05/2020, Eva Elisabeth Ernst

Herr Wieselhuber, die gesamte Wirtschaft steckt derzeit im Krisenmodus. Worin zeigt sich ein mittelständischer Unternehmer als guter Krisenmanager?

Eine Krise erhöht den Handlungsdruck. Im Gegensatz zu angestellten Managern geht es für einen Unternehmer immer auch um die eigene Existenz, sein eigenes Vermögen. Das kann ein starker Treiber sein, kann aber auch Ängste und Blockaden auslösen. Ein guter Krisenmanager agiert proaktiv. Er mobilisiert alle Reserven und Ressourcen, er priorisiert und fokussiert – auch wenn die Unsicherheit groß ist. Zu warten und auf Besserung zu hoffen oder die aktuellen Entwicklungen und Einschränkungen als übertrieben oder überzogen abzuqualifizieren, ist nicht sinnvoll.

»Entscheidungen schnell treffen - und durchsetzen.«

Dass mittelständische Unternehmer Entscheidungen schnell treffen und durchsetzen können, ist in der aktuellen Situation von Vorteil. Diesen Vorteil sollten sie nutzen und konstruktiv und konzentriert vorgehen. Denn der Faktor Zeit ist entscheidend – auch wenn es darum geht, das Unternehmen für die Zeit nach Corona neu zu konfigurieren. Doch in der Krise sind nicht nur starke Macher, sondern auch visionäre Unternehmer gefragt, die ihren Mitarbeitern das Licht am Ende des Tunnels aufzeigen können.

Was raten Sie Mittelständlern? Worauf sollten sie nun besonders achten?

Wichtig sind Wahrheit und Klarheit in der Kommunikation mit allen Stakeholdern. Wenn es weitere Gesellschafter gibt, ist ein gemeinsames, geschlossenes Auftreten zielführend. Die Gesellschafter sollten den Unternehmer inhaltlich, mental und auch mit Kapital unterstützen. Stichwort Kapital: Ein sofortiger Ausgaben- und Investitionsstopp ist das Gebot der Stunde. Der Unternehmer muss überlegen, welche Geschäfte, welches Risikoprofil, welche Wertschöpfungstiefe und welchen Organisationskomfort er sich noch leisten kann. Eine enge Einbeziehung der Stammmannschaft und die Beschwörung des hoffentlich vorhandenen Corporate Spirits halte ich ebenfalls für entscheidend.

»Schwierig: „Schneckenhaus-Mentalität" oder Ankündigungsweltmeister.«

In der Krise zeigt sich zudem der Reifegrad eines Unternehmens bei der Digitalisierung: Wer diesem Thema in den letzten Jahren die nötige Aufmerksamkeit geschenkt hat, tut sich nun leichter damit, den Betrieb aufrechtzuerhalten.

Nicht allen fällt es leicht, sich auf die aktuelle Situation einzustellen. Welche Verhaltensweisen sehen Sie als eher kontraproduktiv in der Krise?

Wenn Unternehmer nicht oder nur spärlich kommunizieren und sich ins Schneckenhaus zurückziehen, führt dies zu großer Unsicherheit innerhalb und außerhalb des Unternehmens. Auf Hilfe von anderen zu warten ist genauso schädlich, wie faule Kompromisse einzugehen und radikale Entscheidungen hinauszuzögern. Schwierig wird es auch für Ankündigungsweltmeister, die ihren Worten keine Taten folgen lassen und nicht zeitnah nachhalten, ob ihre Entscheidungen umgesetzt werden.

Welche unternehmerischen Phasen unterscheiden Sie bei der Coronakrise? Und wo stehen wir derzeit?

Die erste Phase war natürlich Schock, gekoppelt mit Verunsicherung. Die daraus entstehende Paralyse musste erst einmal überwunden werden, im Unternehmen und auch im persönlichen Umfeld. Selbst wenn sich die Lage immer wieder verändert und verschärft, muss der Bedrohungsgrad für das Unternehmen abgeschätzt und darauf basierend Entscheidungen getroffen und umgesetzt werden. Bei derart rasanten Entwicklungen, wie wir sie momentan erleben, kommt es natürlich immer auch zu Fehleinschätzungen und Fehlern. Die Unsicherheit zu akzeptieren und laufend nachzujustieren, gehört in dieser Phase, in der wir uns derzeit befinden, dazu. In der letzten Phase geht es dann darum, den Restart anzudenken und sich mit der Zukunft zu beschäftigen.

Was tun, um eigene Ängste zu überwinden und angesichts der Krise zum Beispiel nicht in Lähmungs- oder Fluchtreflexe zu verfallen?

Fluchtverhalten ist nicht angesagt und von einer Vogel-Strauß-Politik wird man schnell eingeholt. Meines Erachtens ist es in Krisensituationen hilfreich, sich selbst eine Struktur zu schaffen und einzuhalten. Durch die Kommunikation mit anderen – vor allem natürlich mit der Familie und dem engeren Führungskreis – gelingt es, aus der Isolation herauszukommen. Generell gilt: Aktivitäten relativieren die Angst.

Wie wichtig ist es in einer Krise, dass ein Unternehmer Zuversicht ausstrahlt und kommuniziert?

Bei der Finanzkrise, mit der die Coronakrise derzeit ja gern verglichen wird, ging es grundsätzlich ums Geld. Jetzt geht es dagegen um Leben und Tod. Corona unterscheidet nicht nach Alter, Religion, Wohlstand. Im engeren Führungs- und Familienkreis sollte auch diese existenzielle Dimension angesprochen werden. In seiner Kommunikation darf ein Unternehmer seine Selbstzweifel nach außen tragen – aber nicht in jeder Sekunde. Er sollte signalisieren, dass er alles dafür tut, damit diese Krise bestmöglich überwunden wird. Mit Versprechungen sollte man dagegen vorsichtig sein. Besser ist Verlässlichkeit in Kommunikationsinhalt und -stil. Denn Verlässlichkeit ist die Basis von Vertrauen.

In manchen Unternehmen geht es jetzt um kritische Themen wie etwa die krisenbedingte Kündigung von Mitarbeitern und Lieferantenverträgen oder um das Stilllegen der Produktion. Wie sollen solche Entscheidungen am besten getroffen, kommuniziert und umgesetzt werden?

»Keine Panik oder Willkür. Besser Transparenz.«

Zunächst sollte sich ein Unternehmer bemühen, nicht aus Panik heraus zu handeln. Zudem sollte er diese Entscheidungen transparent treffen und den Impact der Krise auf Funktionen und Kapazitäten erklären. Es darf keinesfalls der Eindruck von Willkür entstehen. Generell sind Entscheidungen dieser Art für einen Unternehmer immer extrem hart – auch wenn sie ihm derzeit durch die aktuellen Entwicklungen aufgezwungen und diktiert werden.

Zur Person

Norbert Wieselhuber (70) ist Gründer und Managing Partner der Unternehmensberatung Dr. Wieselhuber & Partner GmbH, die vorrangig Familienunternehmen unterstützt. Dafür erhielt er 2010 das Bundesverdienstkreuz. Nach einer Ausbildung zum Industriekaufmann studierte Wieselhuber Betriebswirtschaftslehre an der FH München und der LMU München, wo er auch promovierte. Er ist Mitglied in Aufsichts- und Firmenbeiräten, Gründer und Mitgesellschafter verschiedener Industrie- und Dienstleistungsunternehmen sowie Honorarprofessor an der Hochschule München.

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