Unternehmen | Unternehmen

Alles für ein großes Ziel

Marion Vogel ©
GNA-Geschäftsführer Federico Bürsgens mit dem tragbaren Diagnostiksystem für besonders schnelle Covid-19-Tests

Zehn Jahre ist GNA Biosolutions jetzt alt und gehört mit seinem mobilen Ultraschnelltest für Corona schon zur Weltspitze. Der Geschäftsführer und Mitgründer des Münchner Start-ups, Federico Bürsgens, erlebt derzeit eine außergewöhnliche Situation.

Harriet Austen, Ausgabe 09/20

Spannend, inspirierend, anstrengend.« So beschreibt Federico Bürsgens seinen Job derzeit. »Wir befinden uns auf den letzten Metern.« Auf dem Geschäftsführer der GNA Biosolutions GmbH und seinem 40-köpfigen interdisziplinären Team ruhen große Hoffnungen. Das Biotechnologie-Start-up arbeitet an einem Ultraschnelltest für Corona: Das Gerät liefert nach 15 Minuten Probenvorbereitung in weiteren 15 Minuten eine Antwort.

»Grundstein legen für ein reelles medizinisches Produkt«

Die Sonderzulassung vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte wird noch in diesem Jahr erwartet. »Dann können wir starten und damit den Grundstein legen für ein reelles medizinisches Produkt«, freut sich Bürsgens. Das Molekulardiagnostik-Unternehmen leiste damit einen »kleinen Beitrag zur großen Herausforderung Corona«.

Von selbst geflochtenen Seilen bis zum Center for NanoScience

Bürsgens, ein hochgewachsener und energiegeladener Mann, ist begeisterter Wissenschaftler und Unternehmer zugleich. Der 40-Jährige startete seine Business-Karriere schon in der Grundschule, als er mit Freunden Salat, Kaninchen und selbst geflochtene Seile verkaufte. Nach seinem Studium arbeitete der Physiker am Center for NanoScience an der Ludwig-Maximilians-Universität, wo er promovierte und seine späteren Kollegen Lars Ullerich und Joachim Stehr kennenlernte. Dessen Doktorarbeit am Lehrstuhl für Photonik und Optoelektronik »war der Startschuss für unser Unternehmen«, so Bürsgens. Stehr hatte eine zuverlässige, schnelle DNA-Diagnostikmethode für Krankheitserreger entwickelt. Macht was daraus, forderte Lehrstuhlinhaber Jochen Feldmann die jungen Wissenschaftler auf. Die Idee sei zu schade, um zwischen Aktendeckeln zu schlummern.

US-Investor für deutsches Start-up gewonnen

»Wir haben die Chance genutzt«, sagt Bürsgens. Das Trio startete 2008 mit dem Spin-off NANOSTOVE, gründete zwei Jahre später GNA Biosolutions und holte namhafte Investoren an Bord. Die Serie-C Finanzierungsrunde etwa wurde 2019 unter Federführung von Greybird Ventures abgeschlossen. »Einen US-Investor für ein deutsches Start-up zu gewinnen, war wie ein Ritterschlag«, erklärt Bürsgens. Bei der Weiterentwicklung seiner Technologie konzentrierte sich das Unternehmen zunächst auf Ebola, Tuberkulose sowie multiresistente Erreger. »Wir sind in die Unternehmerrolle hineingewachsen«, sagt der GNA-Geschäftsführer und fügt hinzu: »Wir dachten aber anfangs, es funktioniert schneller.« Biotechnologie sei eben doch eine harte Branche mit ihrer regulatorischen Komplexität und den langen Entwicklungszyklen. 

Wendepunkt Corona

Dann kam die Pandemie »und alles ging plötzlich sehr rasch«, erzählt Bürsgens. Seit März steht Corona im Fokus, das Unternehmen konzentriert Ressourcen, Team, Netzwerk und Lieferketten nur noch darauf. »Das war eine ganz außergewöhnliche Situation«, sagt der Geschäftsführer. »Wir haben alles andere liegen gelassen, Projekte verschoben und uns nur noch auf das eine große Ziel konzentriert«. Die Hilfsbereitschaft, die er dabei erlebt hat, findet er »positiv und inspirierend«.

Schlüsselfaktor Testkapazitäten

Die Investoren gingen den Weg nicht nur aus geschäftlichem Interesse mit, »sondern auch, um einen Beitrag zu einer so großen und wichtigen Sache zu leisten«, so Bürsgens. Unterstützung erhält das Unternehmen auch vom Innovations- und Gründerzentrum Biotechnologie (IZB) in Martinsried, dem BioM Biotech-Cluster und dem Institut für Mikrobiologie der Bundeswehr. Der Freistaat fördert das Projekt ebenfalls. Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) zeigte sich begeistert von den Zahlen: 1.000 Geräte würden täglich 300.000 Tests erlauben. Die Voraussetzungen für eine Massenproduktion sind gegeben.

Die Alfmeier Präzision SE aus Treuchtlingen übernimmt die Produktion der Geräte. Weitere Komponenten und Substanzen kommen von internationalen Lieferanten. Bürsgens ist im Unternehmen für die strategischen Leitlinien zuständig: »Ich muss den Überblick behalten und für optimale Arbeitsbedingungen sorgen.«

Schnelligkeit, Stolz, Visionen

Auf seine Firma, die durch Corona einen regelrechten Schub erhalten hat, ist er sichtlich stolz. Sie sei finanziell gut ausgestattet, halte ein umfangreiches Patentportfolio, verfüge über ein leistungsfähiges, hochmotiviertes Team und besitze eine weltweit gefragte und anerkannte Technologie. Und es geht schnell voran. Das Start-up erhielt den Zuschlag für ein EU-Projekt und entwickelt jetzt einen kostengünstigen molekularen Test für den Endverbraucher zu Hause. Das passt zur Vision von Bürsgens und seinen Gründungskollegen. Sie wollen mit ihren Produkten immer nah am Patienten sein.

Zur Person

Federico Bürsgens studierte Physik in Münster und Würzburg, machte seinen Master in Austin/Texas und promovierte an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. Dort gründete er mit Studienkollegen ein Spin-off, aus dem 2010 die GNA Biosolutions GmbH entstand. Bürsgens
begann als Finanzchef und ist seit 2019 CEO. Das Start-up hat seinen Sitz im Innovations- und Biotechnologiezentrum Martinsried und entwickelt ultraschnelle, tragbare molekulare Diagnoseplattformen, die sich für verschiedene Krankheitserreger wie Ebola, Schweinepest,
Tuberkulose und SARS-CoV-2 eignen.

Verwandte Themen