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Ich bin die Expertin

Marion Vogel ©
»Wir sind Pioniere in einem jungen Markt« – Katharina Kreitz, Geschäftsführerin von Vectoflow

Harriet Austen, Ausgabe 02/2020

Die Maschinenbauingenieurin Katharina Kreitz baut mit ihrer Firma Vectoflow die kleinste Strömungssonde der Welt. Für ihr junges Start-up hat sie bereits große Unternehmen als Kunden gewonnen.

Mathe und Mädchen – ein Reizthema für Katharina Kreitz. »Mädchen wird immer noch vermittelt, dass das Fach für sie zu schwer ist. Dabei ist es einfach und logisch«, sagt die Geschäftsführerin der Vectoflow GmbH in Gilching. Deshalb besucht die junge Unternehmerin Schulen und erzählt, was man mit Naturwissenschaft und Technik alles anfangen kann. Dann berichtet die 32-Jährige von ihren kleinen Strömungssonden, die Formel-1-Rennwagen oder Drohnen schneller machen und mit 3-D-Druckern hergestellt werden. So ein Gerät bringt Kreitz auch in die Klassen mit. »Ich will meine Begeisterung an die Mädchen weitergeben und ihnen Mut machen«, begründet sie ihr Engagement. Kreitz weiß schließlich, wie es ist, als Mädchen in eine Richtung gedrängt zu werden. Mathe kannst du nicht, sagte ihre Mutter und schickte sie auf ein neusprachliches Gymnasium. Ergebnis: Französisch 5, Mathe 1. Nach dem Abitur entschied sich Kreitz für ein Maschinenbaustudium. Um herauszufinden, »was in Zukunft etwas für mich sein könnte«, arbeitete sie als Werkstudentin bei BMW, Lufthansa, der Nasa und Airbus. Dabei merkte sie schnell, dass für sie Hierarchien, Nine-to-five-Mentalität und lange Entscheidungswege erst einmal nicht infrage kommen. Noch wichtiger war, dass sie während ihrer Diplomarbeit bei BMW mit Messtechnik experimentierte und auf Probleme mit zu großen und störanfälligen Messsonden stieß. »Es gab nur einen einzigen Hersteller«, erklärt Kreitz. Das war der entscheidende Impuls für sie, »es selbst zu versuchen«. Sie lehnte alle verlockenden Jobangebote ab und hatte nur noch einen Gedanken: die kleinste Strömungssonde der Welt mit filigranem 3-D-Druck zu bauen. Mit den Messdaten der Sonde lassen sich Objekte entwickeln, die weniger Energie verbrauchen und mehr leisten. Kreitz und ihr Kollege Christian Haigermooser, ein Aerodynamiker, beantragten ein EXIST-Stipendium, um in Ruhe tüfteln zu können. Voraussetzung dafür war, dass ein Betriebswirt im Team ist. Kreitz zögerte nicht lange und machte in Paris den Master in Business Administration (MBA). »Eine Riesenerweiterung im Gedankengut«, freut sie sich noch heute über diese Entscheidung. »Jetzt weiß ich in beiden Bereichen Bescheid.« Davon profitiert das junge Unternehmen. Aufträge an Land ziehen, mit Kunden verhandeln, auf Messen die Produkte präsentieren – das ist bis heute die Aufgabe von Kreitz und macht ihr zunehmend Spaß. »Ich hätte nie gedacht, dass ich die SalesPerson werde.«

Erster Auftrag aus der Formel 1

Dass Vectoflow überhaupt gegründet wurde, ist eigentlich einem glücklichen Zufall zu verdanken. Kaum hatte das kleine Team eine erste Website gebastelt, rief ein Manager aus der Formel 1 an und bestellte die Sonden. »Wegen der Haftung haben wir innerhalb von drei Wochen die Firma gegründet«, sagt Kreitz lachend. Die kleinen, individuell herstellbaren Strömungssonden waren einsatzbereit. Mit Startkapital und 3-D-Druckern hatte Mentor und Investor Hans J. Langer, Gründer der EOS GmbH in Krailling, ausgeholfen. Bald musste die Firma größere Räume suchen. »Wir brauchten einen eigenen Windkanal und dafür genügend Platz«, sagt Kreitz. Fündig wurde sie in Oberpfaffenhofen auf dem Gelände des ESAInkubators Bayern. Dort steht der Windkanal in einem Container hinter dem Parkhaus. Bereits zwei Jahre nach der Gründung schrieb Vectoflow schwarze Zahlen. »Wir sind als Pioniere in einem noch jungen Nischenmarkt tätig und wurden deshalb relativ schnell bekannt«, erklärt Kreitz. In der Auto-, Luft- und Raumfahrtbranche habe sie »offene Türen eingerannt«. Außerdem: »Als Frau falle ich auf und bleibe im Gedächtnis.« Klar werde sie immer noch gefragt, wo denn der Profi sei. »Ich bin die Expertin«, erwidert sie dann gelassen – und wird akzeptiert. Kreitz bezeichnet sich als Energiebündel, »als unglaublich positiv, extrovertiert und laut«. Diese Eigenschaften braucht sie, um den Vertrieb voranzutreiben, eine Niederlassung in den USA zu eröffnen und vor allem den schweren Skiunfall zu bewältigen, den sie vor einem Jahr hatte. »Ich bin froh, dass ich noch lebe, und will nach vorne schauen«, sagt sie und plant die Zukunft. Das Geschäftsführerteam will eigene 3-D-Drucker anschaffen, in den Multimaterialdruck einsteigen und mehr Kunden in der Luft- und Raumfahrt akquirieren. Rückblickend ist Kreitz froh, sich für die Selbstständigkeit entschieden zu haben: »Ich bin persönlich gewachsen, habe unglaublich viel gelernt und kann meine eigenen Entscheidungen treffen.«

Zur Person

Katharina Kreitz, Jahrgang 1987, studierte Maschinenbau mit Schwerpunkt Luft- und Raumfahrt. Nebenbei arbeitete sie als Werkstudentin bei großen Unternehmen, bis sie sich 2015 mithilfe eines EXIST-Stipendiums und mit zwei Kollegen selbstständig machte. Ihre Firma Vectoflow GmbH baut kleine, hochsensible Sensoren, die die Strömung von Luft, Gas, Wasser oder Öl messen und weltweit konkurrenzlos sind. Die Firma hat ihren Sitz in Oberpfaffenhofen, macht drei bis vier Millionen Euro Umsatz, beschäftigt 15 Mitarbeiter und hat bereits 60 Kunden.

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