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Klarer Vertrauensbeweis

Andreas Gebert ©
Beschloss zahlreiche Positionen – das IHK-Plenum

Die Vollversammlung im Frühjahr 2023 bestellt Manfred Gößl erneut zum Hauptgeschäftsführer und die IHK demonstriert Frauen-Power im Ehrenamt am Weltfrauentag.

Von Martin Armbruster, IHK-Magazin 04/2023

Das Datum spielt eine Rolle. Die Vollversammlung tagte am 8. März 2023, dem Weltfrauentag – und das bestimmte die Agenda mit. Deshalb startete das Plenum mit einer schönen Geste, einem Strauß Schokoblumen für jede Unternehmerin, die persönlich zur Sitzung kam. Ein Gruppenbild der Frauen zeigte: Noch nie in der IHK-Geschichte war eine Vollversammlung so weiblich. 42 Unternehmerinnen ergeben einen Frauenanteil von 46 Prozent.  

Hauptgeschäftsführer Manfred Gößl betonte, die IHK für München und Oberbayern sei heute das „Role Model" für andere Wirtschaftsorganisationen bei der „Einbindung von Frauen-Power im Ehrenamt". Er nannte konkrete Beispiele des ehrenamtlichen Engagements der Unternehmerinnen – ob in der Politikberatung, in Medien, bei Veranstaltungen oder als Gastgeberin im eigenen Betrieb. Und er verwies auf anstehende Aktionen der IHK wie den „Girls’ Day – Ich werde Chefin!" am 27. April 2023 oder den „Unternehmerinnentag" am 7. Juli 2023.

 
Gößl: Lust auf weitere 5 Jahre im Amt

Ein besonderer Tagesordnungspunkt der Sitzung war aber eine (männliche) Personalie. Die Vollversammlung bestellte Gößl bis 2028 erneut zum Hauptgeschäftsführer der IHK für München und Oberbayern. Damit wird Gößl in den nächsten 5 Jahren auch Hauptgeschäftsführer des BIHK, der Dachorganisation der bayerischen IHKs, bleiben. Gößl zeigte keine Spur von Amtsmüdigkeit, im Gegenteil. Er betonte: „Ich habe Lust darauf."

Präsident Klaus Josef Lutz sagte, damit werde die IHK weiter von einem Top-Hauptgeschäftsführer geleitet. Gößls Stellvertreter Peter Kammerer sprach von einer „wegweisenden Entscheidung". Die IHK profitiere insgesamt von der „unglaublich guten Zusammenarbeit" an der Spitze.

Überzeugende Leistungsbilanz

Gößl selbst bot dem Plenum eine Art Leistungsbilanz. Sein Ziel sei eine partizipative, unternehmerische, kommunikative, digitale und wirkungsvolle IHK. Auf diesem Weg sieht er schon deutliche Fortschritte erreicht: Die Zahl der Fachausschüsse ist auf 16, die der Regionalausschüsse auf 20 gestiegen. Schon zweimal wurde der IHK-Beitrag auf den niedrigsten Wert Bayerns gesenkt. Die Zahl der messbaren Webseitenabrufe habe sich seit 2019 um den Faktor 3,5 auf 13 Millionen im vergangenen Jahr erhöht. Über 150.000 Anfragen gingen letztes Jahr allein im Informations- und Servicezentrum der IHK ein. Gößl erklärte, durch die Arbeit als bayerische Bewilligungsstelle für die Coronawirtschaftshilfen wisse „da draußen jeder", was die IHK leisten könne.

Unter dem Tagesordnungspunkt „Politische Themen/Gesamtinteressenvertretung" verabschiedete das Plenum „Mantelpapiere" zur anstehenden Landtagswahl in Bayern und zur Bundespolitik. Laut Kammerer bündeln und legitimieren diese Papiere IHK-Grundsatzpositionen: „Wir müssen jederzeit sprachfähig und inhaltlich up to date sein."

Kritik an Produkthaftungsgesetz

IHK-Syndikus Beate Ortlepp erklärte, weshalb die geplante EU-Richtlinie über die Haftung für fehlerhafte Produkte ein Irrweg sei. Das deutsche Produkthaftungsgesetz habe sich bewährt und reiche aus. Es gelte der Grundsatz: Der Hersteller haftet für ein mangelhaftes Endprodukt. Nach dem Willen der EU sollten künftig nunmehr auch die Hersteller der Produktkomponenten haften.

Nach Ansicht des IHK-Rechtsausschusses drohten den Zulieferern unkalkulierbare Risiken – zumal auch die Haftungsobergrenze von 85 Millionen Euro fallen soll. Präsident Lutz warnte, dadurch könnten kleine Firmen „in die Luft fliegen", selbst wenn sie keinen direkten Kundenkontakt hatten. Damit schwäche sich Europa selbst. Das Plenum sah das ebenso und verabschiedete die Position.

Klimaschutz-Förderung für Konzerne ...

Die Vollversammlung beschloss zudem zwei Positionen zu den Themen Klimaschutzverträge und „Superabschreibungen". Mit Klimaschutzverträgen will die Bundesregierung große Unternehmen mit hohem CO2-Ausstoß dazu bewegen, auf grüne Energien umzusteigen. Die Mehrkosten werden vom Bund ausgeglichen. Wird die Produktion klimaneutral günstiger als mit fossilen Brennstoffen, zahlen die geförderten Unternehmen ihre Mehreinnahmen an den Staat zurück.

...  aber auch für den Mittelstand

Es gehe um viel Geld, so Gößl. Mit 68 Milliarden Euro plane Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), das dürfe nicht nur bei wenigen Großkonzernen ankommen. Was die IHK fordert: einen Deal mit dem Staat, den auch energieintensive Mittelständler nutzen können – mit einem schlanken Auktionsverfahren und mehr Flexibilität. Der angesetzte Förderzeitraum von 15 Jahren lege die Unternehmen auf eine Technologie fest. Gößl fordert mehr Flexibilität oder eine Öffnungsklausel.

Weiterhin kritisiert er eine Gewinnabschöpfung von bis zu 70 Prozent als absurd hoch. Immerhin habe Berlin den Kreis der förderfähigen Unternehmen schon erweitert. Als Schwellenwert gilt nun ein jährlicher CO2-Ausstoß von zehn Kilotonnen. Ursprünglich hatte die Grenze bei 30 Kilotonnen gelegen.

Klimainvestitionen durch Abschreibungen ankurbeln

Auch mit Blick auf die USA, die derzeit ein Klimaschutzpaket von 370 Milliarden US-Dollar auf den Weg bringen, sprach sich die Vollversammlung dafür aus, einen „Investitionsturbo durch bessere Abschreibungsregeln" zu zünden. Hintergrund: Im Berliner Koalitionsvertrag ist eine „Investitionsprämie für Klimaschutz und Digitalisierung" vereinbart. Mit Hinweis auf die schwierige Wirtschaftslage mochte sich Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) aber bislang noch nicht zur Umsetzung der „Superabschreibung" durchringen.

IHK-Syndikus Ortlepp informierte, dass nur noch Investitionen in Klimaschutz von dieser Prämie profitieren sollen. Das provoziere einen Wust an Abgrenzungsfragen, verkompliziere das Steuerrecht weiter und sei aus IHK-Sicht zu kleinkariert gedacht. Die Wirtschaft in ihrer gesamten Breite brauche einen Schub. Corona-, Energie- und Rohstoffkrise hätten Unternehmen Eigenkapital gekostet. Auch die Finanzierungskonditionen verschlechterten sich.

Politik soll Wirtschaft arbeiten lassen

Gößl stimmte die Vollversammlung auf weiterhin unsichere und herausfordernde Zeiten ein. Der Arbeitskräftemangel und die Energie- und Rohstoffpreise seien für zwei Drittel aller Unternehmen die größten Risiken. Durchgreifende politische Lösungsansätze im Sinne einer Agenda 2030 seien jedoch nicht erkennbar. Auch auf den Zukunftsfeldern künstliche Intelligenz und Digitalisierung werde man von China und den USA gnadenlos abgehängt. „Da spielen wir nur noch in der dritten Liga", stellte Gößl fest.

Schließlich zeigte er an einem Unternehmensbeispiel, dass die deutsche Wirtschaft am „Gulliver-Syndrom" leide: Gulliver wurde durch ein Geflecht von Seilen von den Liliputanern am Boden gehalten. So gehe es auch den Selbstständigen und Betrieben in Deutschland. „Nehmt uns die Fesseln ab und lasst uns einfach mal arbeiten", appellierte Gößl unter dem Applaus der Vollversammlung an die Politiker in Deutschland und Europa.

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