„Wir haben es selbst in der Hand“
Das Plenum wählt Denise Schurzmann zur Vizepräsidentin und senkt die IHK-Beiträge. Weitere Themen: Positionierung zur Bundestagswahl und Wege aus der Krise.
Von Martin Armbruster, IHK-Magazin 01-02/2025
Gegen Ende der Sitzung tauchte er dann doch auf der Leinwand auf. Nein, nicht der Nikolaus, sondern der Poltergeist der Weltwirtschaft: Donald Trump. „Keine Angst vor diesem Mann!“, appellierte IHK-Hauptgeschäftsführer Manfred Gößl an das Plenum. Deutschland habe das Potenzial, um aus der Krise zu kommen. „Wir haben es selbst in der Hand“, sagte Gößl.
Umfangreich war die Agenda, welche die Vollversammlung auf ihrer Sitzung Ende November in der IHK zuvor abgearbeitet hatte. Die wichtigste Personalie: Das Plenum wählte Denise Schurzmann ins Präsidium. Schurzmann ist Geschäftsführerin der Krause Industrieschaltanlagen GmbH und engagiert sich seit Jahren für die Wirtschaftsjunioren.
Beiträge sinken um zwei Drittel
In schwierigen Zeiten braucht es Zuversicht. Deshalb sorgte das Plenum der IHK unter „Top 4 Haushalt“ für ein positives Signal: Die IHK-Beiträge werden für das Jahr 2024 nachträglich gesenkt. Der Hebesatz wird von geplant 0,09 Prozent auf 0,032 Prozent reduziert. Gößl sagte, mit diesem Schritt trage die IHK dazu bei, ihre Mitglieder zu entlasten.
Mit einer Reihe von Beschlüssen stellte das Plenum die Weichen für die IHK-Wahl 2026 und für die Bundestagswahl 2025. Durch die Verabschiedung der Mantelpapiere zur Bundestagswahl hat die Vollversammlung für die IHK die Basis geschaffen, um gegenüber Kandidaten und Parteien sprachfähig zu sein. Eva Vesterling betonte, wie groß dieser Gesprächsbedarf sei. Sie sprach von einer Schicksalswahl. Die Insolvenzzahlen stiegen, der Mittelstand sei extrem bedroht. Sie appellierte, die IHK-Positionen bekannter zu machen. „Wir brauchen Breitenwirkung. Die Leute müssen wirtschaftsfreundlich wählen, sonst ändert sich nichts“, sagte Vesterling.
Alles auf Wachstum
Thomas Dittler sagte, er vermisse bei diesen Forderungen das „Wie“. An guten Zielen mangle es nicht. Das Problem sei heute die Umsetzung. Gößl antwortete, das „Wie“ werde in den Mantelpapieren in gebotener Kürze adressiert, vor allem aber in persönlichen Gesprächen mit Politik, Presse und Öffentlichkeit. Im Kern gehe es um eines: alles tun, was gesichert Wachstum fördert.
Ohne Wachstum, sagte Gößl, bröckle und brösle die Finanzkraft der öffentlichen Hand und des Sozialsystems. Die Folgen verdeutlichte er am Beispiel einer Diskussion mit Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU). Da sei es nicht mehr darum gegangen, ob Krankenhäuser in Bayern schließen müssten, sondern um die Frage, „welche und wie viele“.
„Netzwerken, netzwerken, netzwerken“
Präsident Klaus Josef Lutz versicherte: „Wir nehmen die Politik in die Pflicht.“ Das gelte auch für die Staatsregierung. Die IHK monitore laufend, wie es mit dem Bürokratieabbau in Bayern vorangeht. Vizepräsidentin Ingrid Obermeier-Osl sagte, 3 Dinge trügen zur Verbreitung von IHK-Positionen bei: „Netzwerken, netzwerken, netzwerken.“
Wie erfolgreich sie dies selbst macht, schilderte sie in ihrem Bericht aus der Region Südostbayern. Demnach war der von der IHK mitorganisierte Wirtschaftsempfang Altötting-Mühldorf in Burgkirchen mit 600 Teilnehmern erneut ein großer Erfolg – und die Gelegenheit, den Kontakt mit der regionalen Politik zu suchen.
Stillstand nicht hinnehmen
Obermeier-Osl will auch Druck auf die Bundespolitik aufbauen. Den Stillstand beim Ausbau der Bahnstrecke München–Mühldorf–Freilassing (ABS 38) werde die Wirtschaft Südostbayerns nicht weiter hinnehmen. Das bedrohe die Existenz des bayerischen Chemiedreiecks. Die Regionalausschüsse Altötting-Mühldorf, Berchtesgadener Land und Traunstein hätten nun gemeinsam den Bau der ABS 38 gefordert.
Weit erfreulicher war ihr Bericht über die 11. Fahrt des IHK-Bildungsexpresses Anfang November. Im Ausbildungs-Sonderzug fuhren Ausbilder und Chefs von 35 Betrieben mit. Sie stellten Schülern und deren Eltern rund 90 Ausbildungsberufe vor.
Gemeinsam mit WKÖ in Brüssel
Franz Schabmüller, Vorsitzender des IHK-Regionalausschusses Ingolstadt, meldete für die IHKjobfit! in Ingolstadt im Oktober einen Rekord: Die IHK-Ausbildungsmesse habe rund 2.600 Besucher verzeichnet.
Hauptgeschäftsführer Gößl erklärte in seinem Bericht, die IHK agiere in Traunstein ebenso wie in Brüssel, um ihre Mitglieder zu unterstützen. In Traunstein sei eine neue IHK-Mitarbeiterin tätig, um die südöstlichsten Landkreise noch intensiver zu betreuen. Gemeinsam mit der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) habe man in Brüssel in jüngster Zeit gleich 3 Veranstaltungen in der Bayerischen Vertretung organisiert, um dort mit Entscheidern über EU-Vorhaben zu diskutieren, die in Bayern Sorgen machten.
Sorgen um DSGVO und Strompreise
Punkt 1 sei die Datenschutz-Grundverordnung, die Unternehmen unverändert vor Probleme stelle. Punkt 2 sei die drohende Aufspaltung Deutschlands in unterschiedliche Strompreiszonen. Laut Gößl würde das ausgerechnet dort den Strom verteuern, wo die Produktion sitze – im Süden und Westen des Landes. Dann, so befürchtet er, werde noch mehr Industrie ins Ausland abwandern.
Dazu könne auch, Punkt 3, die EU-Chemikalienstrategie beitragen. Heidrun Hausen erklärte, die EU reguliere hier im Teamplay mit Nichtregierungsorganisationen (NGOs) an der Realität vorbei. Wohin der EU-Ansatz „toxic free environment“, also das Pauschalverbot von Stoffen, führe, habe die Werkschließung von 3M in Gendorf gezeigt. Hausen sprach von zerstörten Lieferketten, der Vernichtung von Firmen und Jobs. Ihr Unternehmen, der Klebstoffhersteller Delo in Windach, werde daher eine 2. Produktion in Malaysia eröffnen.
Dem Mittelstand zuhören!
Ingo Schwarz kritisierte, die EU-Großvorhaben Green Deal und Sustainable Finance seien in erster Linie von Professoren und NGOs entworfen worden. Vor allem mittelständische Unternehmen seien bis heute außen vor geblieben: „Man hört uns nicht zu.“ Reinhard Schwaiger sah das ebenso. Aufgrund der ESG-Kriterien sei er als Banker gezwungen, einen Firmenkredit schon bei einem Standortwechsel mit mehr Eigenkapital zu hinterlegen, was den Mittelstand schwäche.
Weniger Bürokratie = mehr Wachstum
Gößl zitierte den ifo-Chef Clemens Fuest, der die Abschaffung der Taxonomie gefordert habe. Gößl sagte, auch in der Zusammenarbeit mit dem ifo Institut gehe es um das „Wie“, um Wege aus der Krise. Im IHK-Auftrag habe das ifo eine Studie zur Bürokratie erstellt. Demnach könnte ein Bürokratieabbau auf das Niveau von Schweden die deutsche Wirtschaftsleistung jährlich um bis zu 150 Milliarden Euro erhöhen.
Wieder länger arbeiten
Gößl meinte, angesichts dieses Potenzials müsse man Trumps Zölle nicht fürchten. Den dadurch erwarteten Schaden in Höhe von 30 bis 50 Milliarden Euro pro Jahr stünde ein 3- bis 5-fach größerer Leistungsgewinn durch entschlossenen Bürokratieabbau gegenüber. Gößl zitierte aus einer weiteren ifo-Studie für die IHK zum Fachkräfteangebot Bayerns. Tenor: Durch kluge Arbeitsanreize lohne sich mehr und längeres Arbeiten. Damit ließe sich die drohende Fachkräftelücke ebenfalls aus eigener Kraft erheblich schließen. Arbeitskräftezuwanderung käme dann in machbarer Größe ergänzend hinzu.
„Das müssen wir schaffen können“
Gößl skizzierte vor dem Plenum das, was die Politik bislang nicht schafft. Einen großen Plan: „Bürokratieabbau wie in Schweden, Digitalisierung wie in Dänemark. Das müssen wir doch wirklich schaffen können, oder?“
IHK-Info zu den Positionen
Die IHK-Vollversammlung im November 2024 verabschiedete Positionen zu aktuellen Aspekten der Umweltpolitik, zur Fachkräftegewinnung durch Deregulierung des Arbeitsmarkts, zur IT-Sicherheit für Unternehmen und zum Standortfaktor Tourismus – unter den Themenbereichen steht das aktuellste Positionspapier jeweils oben.