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Vom Spaß, Neues zu probieren

Marion Vogel ©
Empfindet ein komplexes Umfeld als Chance – Serviceplan-Chef Florian Haller

Florian Haller, Chef der Serviceplan Gruppe, hat aus einer zunächst klassischen Werbeagentur eine internationale Kommunikationsagentur geformt. Er sieht sich eher als Kaufmann denn als Kreativer.

Harriet Austen, Ausgabe 02/21

Das muss er jetzt einfach gleich verkünden: »Wir sind im Juli 2020 die erste klimaneutrale Agenturgruppe Deutschlands geworden«, sagt Florian Haller, Vorstandschef der Serviceplan Group SE & Co. KG. Er ist sichtlich stolz, sein ehrgeiziges Ziel in 100 Tagen erreicht zu haben. Die Vielzahl der damit verbundenen Projekte wie weniger Reisen, Fuhrpark mit Elektro- und Hybridfahrzeugen, Bio-Angebot in der Cafeteria oder Ökostrom war gut vorbereitet. »Wir wussten, wir schaffen das«, sagt Haller und ergänzt, dass auch die Ökobilanz zufriedenstellend ausfiel: »Wir mussten mit weniger CO₂-Zertifikaten ausgleichen als gedacht.«

Komplexität als Chance, nicht Bedrohung

Der 53-jährige Chef von Europas größter inhabergeführten Agenturgruppe sieht sein Unternehmen nicht nur beim Klimaschutz in einer Vorreiterrolle. »Wir waren die Ersten, die eine spezielle Digitalagentur gründeten, ein internationales Angebot aufsetzten und ein integriertes Agenturkonzept entwickelten«, zählt er auf. Keine Frage, die Pionierarbeit ist auch seiner Neugier und Offenheit gegenüber modernen Entwicklungen zu verdanken. »Es macht mir Spaß, neue Dinge auszuprobieren«, versichert er. Die von Vater Peter Haller und dessen Kollegen Rolf O. Stempel gegründete Werbeagentur feierte 2020 ihr 50-jähriges Jubiläum. »Ich sehe diesen Zeitraum als unglaublich positiv«, sagt der heutige Agenturchef, der 24 Jahre davon mitgestaltete. Das Umfeld sei viel komplexer geworden, »aber das empfinde ich als Chance und nicht als Bedrohung«.

Serviceplan setzte auf neue, durchstrukturierte Kommunikationskonzepte und gründete sechs Spezialunternehmen, darunter Plan.net als Digitalagentur und die Mediaagentur Mediaplus. Sie sind am Hauptsitz in München sowie national und international an zahlreichen Standorten im »Haus der Kommunikation« integriert, »für uns ein wesentlicher Erfolgsfaktor und vor allem für Mittelständler äußerst attraktiv, weil wir alle Disziplinen unter einem Dach anbieten können«, sagt Haller.

Agentur mit Partnermodell

Anfangs war gar nicht klar, ob er wirklich die Nachfolge des Vaters antritt. Beim Studium der Betriebswirtschaftslehre in St. Gallen entdeckte er sein Faible für Marketing, das er beim Konsumgüterriesen Procter&Gamble (Ariel, Gillette, Oral-B etc.) vertiefte, wo er »unglaublich viel« lernte, wie er sagt. Ziel- und Zahlenorientierung etwa, aber auch die Verantwortlichkeit der Manager für ihren Bereich.

»Hohe Kontinuität, lebenswichtig«

Dies inspirierte ihn dazu, mit seinem Vater ein inhabergeführtes Partnermodell für Serviceplan zu entwickeln, um wertvolle Mitarbeiter zu binden – seine Bedingung für Nachfolgeplan und Einstieg in die Werbeagentur. »Das sorgt für hohe Kontinuität, die für uns überlebenswichtig ist. Unsere Leute sind unser Kapital«, sagt Haller.

Er selbst sei kein Kreativer, sondern eher Kaufmann, der den Markt durch die Brille der Kunden sieht. Dadurch falle es ihm leichter, die Gesamtstrategie der renommierten Agentur für innovative Kommunikation zu verantworten und nach neuen Themen und Trends zu forschen.

Das Team selbst im Homeoffice zusammenhalten

Seit einem Jahr muss sich Haller nun mit den Folgen der Coronapandemie auseinandersetzen. »Wenn es meine erste Krise gewesen wäre, hätte es mich persönlich stärker getroffen«, meint er. Nach der Bewältigung des Zusammenbruchs des neuen Markts und der Finanzkrise sei er zuversichtlich, die aktuell ungleich schwierigere Situation »auch wuppen zu können«. Haller erwartet, dass sich die Agenturgruppe trotz Bremsspuren von der Branche absetzen kann. Durch die starke IT-Infrastruktur gelinge es, das Team selbst im Homeoffice zusammenzuhalten.

Aktives Neukundengeschäft

Der frühe Einstieg ins Digitalgeschäft zahle sich ebenfalls aus. »Die Coronakrise beschleunigt ja die Digitalisierung. Auf die entsprechenden Anfragen unserer Kunden sind wir daher bestens vorbereitet«, erklärt Haller. Er kann sich sogar über ein aktives Neugeschäft und ein moderates Wachstum freuen. Gleichzeitig registriert er einen weiteren Trend, angestoßen von den Endkunden: »Die Welt hat mit Auftauchen der Pandemie eine Atempause eingelegt.«

Die Menschen würden vermehrt beginnen, Dinge zu hinterfragen und zum Beispiel mehr Nachhaltigkeit von Produkten und Dienstleistungen zu fordern – auch von Serviceplan. »Dem wollen wir uns in unserer Markenführung, aber auch im Unternehmen selbst stellen«, versichert der Agenturchef. Mit dem Engagement für den Klimaschutz ist zumindest ein Anfang gemacht.

Zur Person:

Florian Haller, Jahrgang 1967, sammelte nach dem BWL-Studium erste Erfahrungen
im Marketing bei Lintas sowie Procter & Gamble. 1996 stieg er bei der von seinem Vater Peter Haller und Rolf O. Stempel gegründeten Werbeagentur Serviceplan ein. 2000 wurde er Geschäftsführer der Holding, 2002 übernahm er die Position des Hauptgeschäftsführers. Die größte inhabergeführte Agenturgruppe in Europa betreibt 25 eigene Standorte, ist in 35 Ländern vertreten, macht einen Umsatz in Höhe von 448 Millionen Euro und beschäftigt weltweit 4.400 Mitarbeiter. Florian Haller ist verheiratet und Vater von drei Töchtern.

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