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Von Deeptech bis Fernreisen: Unicorns aus Oberbayern
Unicorns aus Oberbayern
Sechs hoch bewertete Start-ups aus München und Umgebung im Kurzporträt.
Die Lilium-Gründer und ihr Jet – Sebastian Born, Patrick Nathen, Daniel Wiegand und Matthias Meiner (v.l.)
Foto: LiliumLilium – Aufstieg mit Flugtaxis
2015 haben die Ingenieure und Doktoranden der TU München Daniel Wiegand, Sebastian Born, Patrick Nathen und Matthias Meiner das Luftfahrtunternehmen Lilium gegründet. Das Team entwickelt und baut den Lilium Jet. Er ist elektrisch angetrieben, kann senkrecht starten und landen und braucht als Start- und Landefläche daher nur »rund 40 mal 40 Meter«, wie ein Lilium-Sprecher sagt. »Ein Parkhausdach, eine kleine Fläche im Gewerbegebiet oder am Flughafen reicht aus.«
Lilium selbst nennt seine Innovation »Shuttle-Service«, in der jetzigen Version ausgelegt für sechs Passagiere und Distanzen bis 250 Kilometer. Vor allem in Ballungsräumen sei diese Alternative interessant, weil die Straßennetze dort überlastet sind. Der erste Großauftrag über 220 Jets ging im vergangenen Jahr nach Brasilien.
Ein Unicorn sind die Weßlinger seit 2020, die aktuelle Bewertung beträgt gut drei Milliarden US-Dollar. Seit September 2021 ist Lilium an der New Yorker Börse Nasdaq notiert.
Prozesse vereinfachen – Hanno Renner, Geschäftsführer Personio
Foto: PersonioPersonio – Hilfe für Personaler
Der Anbieter von Personalsoftware hat im vergangenen Oktober 270 Millionen Dollar frisches Kapital eingesammelt. Damit konnten die Münchner ihre Bewertung innerhalb von zehn Monaten vervierfachen – auf 6,3 Milliarden Dollar. 2015 gründeten Hanno Renner, Ignaz Forstmeier, Roman Schumacher und Arseniy Vershinin das Start-up. Es entwickelt eine Technologie, die Personalverwaltern in kleinen und mittleren Unternehmen typische anfallende Arbeiten wie Urlaubsplanung oder Gehaltsabrechnung erleichtert. Digital statt Excel-Tabelle ist das Motto der Münchner, die es damit ganz nach oben geschafft haben.
Mit dem erneut eingesammelten Kapital will das Unternehmen seine Produkte weiterentwickeln. Mehr und mehr sollen Prozesse vereinfacht werden, die nur mittelbar im Personalwesen beheimatet sind, etwa alle Vorgänge rund um IT-basierte Abläufe beim Eintreten und Ausscheiden von Mitarbeitern.
Fintech made in Munich – Scalable-Geschäftsführer Erik Podzuweit, Florian Prucker, Stefan Mittnik (v.l.)
Foto: Scalable CapitalScalable Capital – Vermögen digital verwalten
Mit Scalable Capital gehört auch ein Fintech zu den bayerischen Einhörnern. Das Ende 2014 von Erik Podzuweit, Florian Prucker und Stefan Mittnik gegründete Start-up ist ein digitaler Vermögensverwalter. Schon früh galt Scalable Capital als eines der am schnellsten wachsenden Fintech-Startups in Europa. Mittlerweile ist das Unternehmen Europas größter digitaler Vermögensverwalter. Im vergangenen November wurde erneut kräftig expandiert – durch die Übernahme der Informationsplattform JustETF mit acht Millionen Besuchern im Monat.
Erst im Juni 2021 erhielt das Start-up den Titel Unicorn. Ein von einem chinesischen Tech-Riesen angeführtes Finanzierungskonsortium investierte 180 Millionen US-Dollar, die Münchner wurden mit 1,4 Milliarden Dollar bewertet.
Viel Kapital für Deeptech – die beiden Agile-Robots-Gründer Peter Meusel (l.) und Zhaopeng Chen
Foto: Agile RobotsAgile Robots – Roboterarme mit KI
Das jüngste oberbayerische Einhorn hat diesen Status im September 2021 erlangt: Damals erhielt das Unternehmen mit Hauptsitz in München und Peking 186 Millionen Euro Kapital und wurde somit mit 850 Millionen Euro beziehungsweise einer Milliarde US-Dollar bewertet.
Peter Meusel und Zhaopeng Chen haben Agile Robots 2018 aus dem Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrum (DLR) heraus ausgegründet. Das Start-up entwickelt mithilfe von künstlicher Intelligenz (KI) Roboterarme und -hände, die den menschlichen Fingefertigkeiten so nahe kommen, dass sie etwa Smartphones zusammenbauen können. Auch in der Automobilindustrie kommen die ersten Produkte der Münchner bereits zum Einsatz.
Agile Robots ist ein sogenanntes Deeptech-Unternehmen, also stark forschungs- und ingenieurgetrieben. Daher auch der erneut hohe Kapitalbedarf. Erst im Jahr davor hatten die Bestandsinvestoren in zwei Finanzierungsrunden 130 Millionen Dollar in das Robotik-Start-up gesteckt.
Helfen, Abläufe zu optimieren – Celonis-Gründer Alexander Rinke, Martin Klenk und Bastian Nominacher (v.l.)
Foto: CelonisCelonis – clevere Datenanalyse
2018 wurde Celonis zum Einhorn. Seit der letzten Finanzierungsrunde im Sommer 2021 ist es gar ein sogenanntes Decacorn: Die Investoren beteiligten sich mit einer Milliarde US-Dollar am Münchner Start-up, was zu einer Unternehmensbewertung von elf Milliarden Dollar führte.
Das 2011 von Alexander Rinke, Martin Klenk und Bastian Nominacher gegründete Unternehmen ist Marktführer im Process Mining. Diese Big-Data-Technologie hilft Unternehmen dabei, Kosten im großen Stil einzusparen. Bisher ermöglichte die Software, Abläufe aus Daten heraus zu analysieren und abzubilden. Dank der neuesten technologischen Weiterentwicklung bekommen die Firmen nun auch Tools an die Hand, um diese Abläufe zu optimieren.
Die aktuell hinzugekommenen Finanzmittel sollen insbesondere in den weiteren globalen Ausbau des Geschäfts gesteckt werden. Dabei haben die Unternehmer insbesondere die USA im Blick. Bereits seit 2016 ist New York zweiter Firmensitz.
Günstige Mobilitätsangebote – Gründerteam Daniel Krauss, Jochen Engert und André Schwämmlein (v.l.)
Foto: FlixBusFlixMobility – mit Bus und Bahn den Markt aufrollen
FlixMobility ging 2012 an den Start, nachdem die Deutsche Bahn ihr Monopol auf Fernreisen verloren hatte. Das von André Schwämmlein, Jochen Engert und Daniel Krauss gegründete Start-up bietet preisgünstige Reisen über längere Strecken an. In kürzester Zeit haben die Münchner das größte Fernbusnetz in Europa etabliert.
Inzwischen bieten sie nicht nur Reisen per Bus (FlixBus) an, sondern seit 2018 unter der Marke FlixTrain auch per Bahn. Das Einhorn aus München hat sich in den vergangenen Jahren mehrere Mitbewerber einverleibt, etwa Megabus oder Postbus. Ende Oktober gab es bekannt, Greyhound Lines, den größten Fernbusanbieter in Nordamerika, übernommen zu haben. Vor dem Deal boten die Münchner mehr als 400.000 tägliche Verbindungen mit gut 2.500 Zielen in 36 Ländern an. Mit Greyhound kommen 2.400 Destinationen in Nordamerika mit fast 16 Millionen Fahrgästen pro Jahr hinzu.