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Wieder berechenbar

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Regierungswechsel – Joe Biden zieht bald ins Weiße Haus ein

Dietmar Rieg, Präsident und CEO der Deutsch-Amerikanischen Handelskammer, erklärt, was der Wahlsieg Joe Bidens für den Welthandel und für die bayerische Wirtschaft bedeutet.

Sabine Hölper, Ausgabe 01/21

Herr Rieg, sind Sie als CEO der Deutsch-Amerikanischen Handelskammer erleichtert über den Ausgang der US-Wahl?
Wir sind eine Non-Profit-Organisation. Wir verpflichten uns zur politischen Neutralität. Deswegen konzentrieren wir uns auf die wirtschaftliche Seite und halten uns politisch zurück. Nur eines zum Politischen: Auffallend positiv ist die sehr hohe Wahlbeteiligung. Seit hundert Jahren haben nicht mehr so viele Amerikaner gewählt. Das ist ein gutes Zeichen.

Viele Kommentatoren erwarten, dass mit Joe Biden wieder Verlässlichkeit ins Weiße Haus einziehen wird. Inwieweit teilen Sie diese Einschätzung?
In der Außenwirtschaft und in den außenpolitischen Beziehungen werden der Ton und die Rhetorik anders werden. Joe Biden hat das in seinen Auftritten immer wieder betont: Er will die Vereinigten Staaten wieder vereinigen.

Ist das auch der erhoffte Garant für internationale ökonomische Stabilität und Wachstumsaussichten?
Schauen wir kurz zurück: Eine so unkonventionelle Handelspolitik wie unter Präsident Donald Trump haben die USA bislang nicht gekannt. Es wurden Zölle auf Aluminium und Stahl eingeführt. Für Autos, insbesondere aus Deutschland, wurden Zölle immer mal wieder angedroht, wenngleich letztendlich doch nicht eingeführt. Bezüglich der Handelszahlen zwischen EU und Amerika haben wir aber keinen Einbruch feststellen können.

Die USA waren über viele Jahre Bayerns wichtigster Exportmarkt, aber die Bedeutung Chinas wächst. Welche weitere Entwicklung erwarten Sie?
2020 war ein Ausnahmejahr, man muss es im Hinblick auf die Coronakrise beurteilen. Die Arbeitslosigkeit in den USA nimmt von Quartal zu Quartal zu, die Infiziertenzahlen und die stationäre Aufnahme sind zuletzt dramatisch gestiegen. Das hat nun einmal enorme Auswirkungen auf die Wirtschaft. Und da Sie China ansprechen: Das Land scheint die Krise überstanden zu haben, es schreibt positive Wachstumszahlen. Selbstverständlich wird sich das in Export- und Handelszahlen niederschlagen.

»Buy American« und Strafzölle

Zurück zu den Wirtschaftsbeziehungen zwischen Bayern und den USA. Die bayerische Wirtschaft hofft auf eine Belebung. Allerdings forderte Biden im Wahlkampf seine Landsleute zu »buy American« auf. Auch er will ausländische Produkte mit Strafzöllen belegen beziehungsweise die vorhandenen so schnell nicht wieder abschaffen. Was bedeutet dies für die Firmen?

Die Unternehmen haben in den letzten vier Jahren in den USA ordentliche Geschäfte gemacht, wenngleich es von Branche zu Branche unterschiedlich war. Aber die Grundbedingungen, um hier erfolgreich zu wirtschaften, waren gut und sind gut. Wir machen jährlich Umfragen unter unseren Mitgliedern, den deutschen Unternehmen, die hier investieren. Wir fragen, wie sie die Geschäftschancen und das Umfeld bewerten: In den letzten Jahren waren die Antworten stets positiv.
Das Problem in den Jahren unter Trump war die verstörende Rhetorik. Man wusste nie genau: Kommt jetzt ein Zoll, etwa auf Autos, oder nicht? Das war wenig hilfreich.

Was wird sich unter Präsident Biden konkret für die Wirtschaft ändern?
Biden hat ein großes Programm aufgelegt, unter anderem geht es darin um die Schaffung von Arbeitsplätzen in den USA, vor allem im verarbeitenden Gewerbe. Das soll insbesondere über Steuererhöhungen auf Unternehmensseite finanziert werden: Die von Trump von 35 auf 21 Prozent gesenkten Kapitalertragsteuern sollen auf 28 Prozent angehoben werden.

Höhere Unternehmenssteuern erfreuen Firmen meist nicht sonderlich ...
Das stimmt. Aber die Unternehmen sind nicht nur an niedrigen Steuern interessiert, sondern ebenso an soliden Staatsfinanzen, die wiederum die Voraussetzungen schaffen, um in die Infrastruktur und Weiteres zu investieren. Und dies ist notwendig, um wirtschaftlich tätig sein zu können.

Biden will dem Pariser Klimaschutzabkommen wieder beitreten, aus dem Trump ausgetreten ist. Sehen Sie dadurch einen positiven Impuls für die Wirtschaft?
Absolut. Bis zum Jahr 2050 wollen die USA CO₂-neutral sein. Das ging so schon von einigen Bundesstaaten wie etwa Kalifornien aus und soll nun unter Biden auch US-weit umgesetzt werden. Die Erneuerbare-Energien-Branche kann davon profitieren. Auch deutsche Firmen in diesem Segment haben große Chancen.

Anders als Trump versucht Biden außerdem einiges, um die Coronakrise in den Griff zu bekommen. Was erwarten Sie hier?
In diesem Punkt unterscheiden sich beide massiv. Die jetzige Regierung hat ja kein nationales Programm, trotz der Taskforce. Biden hingegen versucht sich an einer Strategie, um die Krankheit zu bekämpfen. Wichtig sind jetzt fiskalpolitische Maßnahmen, um die Coronafolgen zu lindern. Hier müssen vor allem sowohl Kleinunternehmen als auch Privatpersonen entlastet werden.

Verhältnis zu China

Trump hat sich vehement mit China angelegt. Die großen Handelsbilanzdefizite gegenüber China seien Biden, so heißt es, ebenso ein Dorn im Auge. Welche Richtung wird der neue US-Präsident Ihrer Ansicht nach einschlagen?

Das ist schwer vorauszusehen. Die unter Trump verhandelten Vereinbarungen zu Themen wie Technologietransfer, Marktzugang bei Dienstleistungen, Urheberrechten und so weiter werden sicher erst einmal Bestand haben. Joe Biden hat sich zwar dahingehend geäußert, alles erneut angehen zu wollen. Aber eine Änderung – sofern sie überhaupt eintritt – wird ihre Zeit brauchen.

Zur Person

Dietmar Rieg, Jahrgang 1963, ist seit 2013 Präsident und CEO der Deutsch-Amerikanischen Handelskammer in New York. Zuvor war der Wirtschaftswissenschaftler in verschiedenen leitenden Positionen der Bayern LB sowohl in München als auch in New York tätig. Zuletzt, von 2008 bis
2013, leitete er als General Manager die Zweigstelle der Bayern LB in New York.

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