Fachkräfte | Betrieb + Praxis

Arbeiten trifft Urlaub

yurakrasil/Adobe Stock ©
Frische Brise im Job – das Interesse an Workation wächst

Durch Pandemie und Homeoffice ist das Interesse an Workation gewachsen. Dabei verlegen Beschäftigte ihren Arbeitsplatz kurzzeitig an einen schönen (Ferien-)Ort. Was Unternehmen bei diesem Angebot beachten sollten.

EVA ELISABETH ERNST, Ausgabe 12/2022

Morgens in den Pool springen, danach ein paar Stunden arbeiten, ein schönes Mittagessen unter Palmen, nachmittags oder abends Zeit für Familie und Partner: So sieht es wohl aus, das Idealbild einer Workation, also der Kombination von Arbeit (work) und Urlaubserlebnissen (vacation).

»Neu sind Workations natürlich nicht«, sagt Markus Seibold (49), Leiter Destinationsmanagement bei der Tourismusberatung dwif-Consulting GmbH. Neben digitalen Nomaden, also Freelancern oder Soloselbstständigen aus der digitalen Welt, die ortsungebunden arbeiten können, gab es immer schon Hochmotivierte, die selbst im Urlaub erreichbar und für ihr Unternehmen aktiv sind.

Kleiner Schritt Homeoffice zu Workation

»Doch in den letzten beiden Jahren«, so Seibold, »hat das Thema Workation deutlich an Dynamik und Aufmerksamkeit gewonnen.« Dafür ist vor allem Corona verantwortlich: In den ersten Pandemiejahren machten sehr viele Arbeitgeber und -nehmer positive Erfahrungen mit Arbeitsorten jenseits des Firmengebäudes. »Die räumliche und zeitliche Flexibilisierung unseres Arbeitsalltags ist mittlerweile fast schon normal«, so Seibold. »Der Schritt vom Arbeiten im Homeoffice zum Arbeiten an anderen Orten ist daher nicht mehr sehr groß.«

Ein Drittel wäre damit glücklicher

Umfragen belegen, dass Workation bei Arbeitnehmern durchaus gut ankommt: So ergab die vom Onlinereisebüro Expedia in Auftrag gegebene Studie »Work From Here«: Von den rund 1.000 deutschen Studienteilnehmern wären 33 Prozent mit einer Workation-Möglichkeit entspannter und glücklicher. 31 Prozent sind der Meinung, dass Workation ihre Produktivität steigern würde. Und mehr als die Hälfte (55 Prozent) würde lieber von einem Ferienort aus arbeiten als zu Hause Urlaub machen.

Workation als Schlüsseltrend im Tourismus

Zu ähnlichen Ergebnissen kommt die Unternehmensberatung Simon Kucher & Partners, die Workation in ihren »Travel Trends 2021« als einen von drei Schlüsseltrends im Tourismus identifizierte: 43 Prozent der 7.000 Befragten aus sieben Ländern gaben an, dass sie in naher Zukunft »sehr wahrscheinlich« oder »wahrscheinlich« eine Workation durchführen würden.

»Workations gewinnen zunehmend an Bedeutung und Akzeptanz«, fasst Tourismusforscher Seibold zusammen. »Einige Reiseveranstalter, Hoteliers und Destinationen haben bereits entsprechende Angebote entwickelt.« Jenseits einer reizvollen landschaftlichen Umgebung, Aktiv-, Wellness- und Kulturangeboten zählt für Seibold eine hochwertige technische Ausstattung in der Unterkunft mit guter Internetverbindung, modernen Druckern plus Mobiliar in Büroqualität zu den Erfolgsfaktoren in diesem Marktsegment. »Um ein gewisses New-Work-Gefühl zu schaffen, können auch Vernetzungsmöglichkeiten mit anderen Arbeitenden, Zugang zu einer gewachsenen Coworking-Community vor Ort sinnvoll sein.«

Höhere  Arbeitgeberattraktivität  durch Flexibilisierung

Unternehmen jenseits der Tourismusbranche beschäftigen sich ebenfalls mit Workations. Denn sie sind ein höchst wirkungsvolles Instrument zur Steigerung von Arbeitgeberattraktivität und Mitarbeiterbindung. Firmen haben erkannt, dass sich das Thema der örtlichen Flexibilisierung der Arbeit nicht mehr allein auf das Homeoffice beschränkt.  

Die Münchener Rückversicherungs-Gesellschaft AG (Munich RE) bietet seit April 2022 die Möglichkeit, per Workation vom Ausland aus zu arbeiten. »Ein Grund für die Einführung dieses Modells war natürlich, dass dies für Neueinsteiger ein interessanter Aspekt sein kann«, berichtet Holger Engelke (49), Bereichsleiter Steuern bei Munich RE und Vorsitzender des IHK-Fachausschusses Finanz- und Steuerpolitik. Aber auch bei den Mitarbeitenden komme dieses Angebot sehr gut an: Rund fünf Prozent der knapp 4.000 Beschäftigten am Hauptsitz in München haben bereits in den ersten drei Monaten nach Einführung davon Gebrauch gemacht. »Und auf Jahressicht wird diese Quote sicher noch steigen«, prognostiziert Engelke.

Entsendebescheinigung der Krankenkasse

Allerdings gibt es bei Munich RE klare Regeln für Workation: Jeder Mitarbeitende muss zuvor einen Antrag bei der Personalverwaltung stellen, die wiederum eine Entsendebescheinigung bei dessen Krankenkasse beantragt. Diese sogenannte A1-Bescheinigung bestätigt, dass für die Dauer der Workation, die im gesetzlichen Kontext eine Entsendung des Arbeitgebers ins Ausland ist, das deutsche Sozialversicherungsrecht anzuwenden ist und im Ausland grundsätzlich keine Sozialversicherungsbeiträge fällig werden. Die A1-Bescheinigung gilt innerhalb der EU, des Europäischen Wirtschaftsraums und der Schweiz.

Steuer- und sozialrechtliche Fallstricke

In allen anderen Staaten gibt es sehr individuelle Regelungen, unter welchen Voraussetzungen ein deutscher Arbeitnehmer dort steuer- und sozialversicherungspflichtig wird. »Als Arbeitgeber müssten wir für jedes einzelne Land prüfen, ob und in welcher Form für Workations unserer Mitarbeiter Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge fällig werden«, sagt Munich-RE-Manager Engelke. Ein immenser Aufwand. »Zudem besteht das Risiko, dass wir durch Workations von Mitarbeitern eine Betriebsstätte im Ausland begründen und damit dort auch als Unternehmen steuerpflichtig werden.«

Maximal 40 Tage möglich

Mitarbeitende der Munich RE dürfen Workations daher nur in Deutschland und in EU-Ländern durchführen – mit einer Ausnahme: »In Belgien werden Arbeitnehmer ab dem ersten Tag, an dem sie im Land arbeiten, sozialversicherungspflichtig«, sagt Engelke. »Daher haben wir Workations in Belgien ebenfalls ausgeschlossen.« Um auch innerhalb der EU auf der sicheren Seite zu sein, dürfen sich Mitarbeitende maximal 40 Tage pro Kalenderjahr auf Workations begeben.

Außerdem ist während einer Workation keine Ausübung der Vollmachten gestattet. »Das ist eine sehr große Einschränkung, die alle Prozesse und Entscheidungen betrifft, für die eine Unterzeichnung mit »i.V.« oder »ppa.« erforderlich ist«, so Engelke. Im ersten Quartal nach Einführung umfassten die meisten Workations denn auch nur drei bis vier Arbeitstage.

Am Häufigsten: Urlaubsaufenthalt verlängern

»Unsere Mitarbeitenden verlängern mit Workations vor allem ihren Aufenthalt am Urlaubsort um einige Tage«, erklärt Engelke. »Dass jemand 40 Tage am Stück im Ausland arbeitet, ist nicht der Fall, den wir bei der Einführung vor Augen hatten.« Einen klaren Rahmen und geregelte Prozesse für Workations zu schaffen, bildete neben der höheren Arbeitgeberattraktivität denn auch den zweiten wichtigen Grund, dieses Arbeitsortmodell einzuführen. »Damit ist klar, was bei Workations möglich und nicht was möglich ist«, so Engelke.

Klare Regeln vereinbaren

Frauke Kamp, Referentin Arbeits- und Sozialversicherungsrecht bei der IHK für München und Oberbayern, empfiehlt auch kleineren und mittelständischen Firmen, klare Regeln rund um Homeoffice, Remote Work und Workations zu vereinbaren – sofern es überhaupt Tätigkeiten gibt, die gut jenseits des Arbeitsplatzes im Unternehmen erledigt werden können. »Hier haben Arbeitgeber große Spielräume«, sagt Kamp. Bei Workation im Ausland rät auch die IHK-Fachfrau zur Vorsicht. »Denn nicht alles, was dank guter Internetverbindungen technisch möglich ist, ist auch im Hinblick auf am Arbeitsort geltende arbeitsrechtliche Vorschriften und Sozialversicherungspflichten unbedenklich.«

Außerhalb der EU – mehr Aufwand 

Workation in Deutschland sei in dieser Hinsicht unproblematisch, auch innerhalb der EU lasse sich das meist regeln. »Aber in allen anderen Ländern«, so Kamp, »zieht eine rechtlich einwandfreie Durchführung von Workations für den Arbeitgeber in aller Regel einen nicht zu unterschätzenden administrativen Aufwand nach sich.«

Nicht zu vergessen: Bei Workation außerhalb der EU ist vorab zu klären, ob spezielle Aufenthaltsbestimmungen zu beachten sind oder eine Arbeitserlaubnis nötig ist. Ein Touristenvisum reicht für eine Erwerbstätigkeit am Urlaubsort meist nicht aus.

Verwandte Themen