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„Zahlen sprechen für uns“

Thorsten Jochim ©
„Entscheidend ist, dass alle Unternehmen den ersten Schritt Richtung Nachhaltigkeit machen.“

Marion Höllinger, Chefin der HypoVereinsbank (HVB), über die Wirtschaftslage, grünes Bankgeschäft und die Vorteile, die eine 2. deutsche Großbank für die Wirtschaft hätte.

Von Martin Armbruster, IHK-Magazin 01-02/2025 (Print-Version aktualisiert am 2.1.2025)

Frau Höllinger, sogar im Bundeskanzleramt beschäftigt man sich mit dem Einstieg der italienischen UniCredit, zu der die HVB gehört, bei der Commerzbank. Wie kommen Sie mit der Übernahme voran?
Also, ich will mal den Sachverhalt klarstellen: Aktuell hält die UniCredit 9,5 Prozent der Commerzbank-Anteile. Über Finanzinstrumente haben wir uns den Zugriff auf insgesamt circa 28  Prozent gesichert. Faktisch sind wir jetzt ein strategischer Investor – aber nicht mehr.

Dabei soll es nicht bleiben. Der Chef der UniCredit, Andrea Orcel, hat für eine Komplettübernahme geworben.
Derzeit läuft bei der Europäischen Zentralbank, EZB, der Genehmigungsprozess für eine potenzielle Aufstockung des Anteils auf knapp unter 30 Prozent. Warten wir den mal ab. Viel wichtiger ist aber: Warum investiert die UniCredit in die Commerzbank? Weil wir dazu beitragen wollen, für Deutschland eine noch bessere Bank zu schaffen – für die Unternehmen in Deutschland und auch für die Mitarbeiter der Commerzbank. Wir glauben, dass wir das können und wollen der Commerzbank dabei helfen.

Ziel: „Bessere Unterstützung der Wirtschaft“

Wo sehen Sie derzeit ungenutztes Potenzial?
Im Kern geht es um einen besseren Service für die Kunden und vor allem für den Mittelstand. Wir bei der HVB machen 70 Prozent unseres Geschäfts mit dem Mittelstand in Deutschland. Unser Ziel ist die bessere Unterstützung der Wirtschaft in Deutschland.

Die Commerzbank sagt auch, sie sei die Bank für unseren Mittelstand.
Wenn so viel Unsicherheit herrscht wie heutzutage, kann man sich fragen, ob die Unternehmen genügend Kredite und bestmögliche Beratungsleistung bekommen. Dafür braucht man eine starke Bank mit viel Liquidität.

Warum erfüllt die Commerzbank die Rolle nicht in Eigenregie?
Wir haben viel Erfahrung, weil wir diesen Prozess der Transformation schon hinter uns haben. Wir haben es geschafft, die kapitalstärkste deutsche Bank zu sein, mit einer sehr, sehr stabilen Liquidität, mit hoher Rentabilität und Kosteneffizienz. Das garantiert, dass wir den deutschen Mittelstand sicher finanzieren und begleiten können. Um es klar zu sagen: Die Zahlen sprechen für uns.

„Der deutsche Bankenmarkt ist sehr stark fragmentiert“

Davon sind nicht alle überzeugt. Bundeskanzler Olaf Scholz hat die UniCredit für ihren Einstieg bei der Commerzbank scharf kritisiert.
Man muss das auch im großen Zusammenhang sehen. Der deutsche Bankenmarkt ist sehr stark fragmentiert. Ich bin daher davon überzeugt, dass eine weitere große deutsche Privatbank die deutsche Wirtschaft besser unterstützen könnte. Das würde allen nutzen. Wir waren und sind eine in Bayern fest verwurzelte Bank. Seit dem Zusammenschluss mit der Vereins- und Westbank sind wir auch in Hamburg stark präsent. In Deutschlands Mitte ist die Commerzbank stärker vertreten. Das ist also komplementär, da gibt es kaum regionale Überschneidungen.

Es gibt aber die Sorge, dass über Kredite für deutsche Firmen künftig in Mailand entschieden wird.
Für uns gilt deutsches Recht, wir haben einen deutschen Regulator. Wir müssen allein schon nach deutschem Gesetz Kreditentscheidungen hier in Deutschland treffen und das tun wir natürlich auch. Zudem haben wir eine sehr föderale Struktur in der UniCredit. Das haben viele noch nicht verstanden. Ja, wir arbeiten unter dem Dach der UniCredit. Aber wir sind eine eigenständige deutsche Privatbank. Wir haben sogar ein eigenes und sehr gutes Kreditrating.

Kreditentscheidung nach deutschem Recht

Aber Sie können doch kaum ausschließen, dass bei Großkrediten die UniCredit das letzte Wort hat.
Ich dürfte niemals Entscheidungen in Italien treffen lassen. Da spielt auch die Bankenregulierung nicht mit. Über einen Kredit, zum Beispiel für eines der IHK-Mitgliedsunternehmen, wird hier in München entschieden. Insofern passt die föderale Struktur der UniCredit sehr gut zum föderalen System Deutschlands. In Frankreich dagegen haben wir zum Beispiel eine komplett andere Welt: mit einem zentralistischen politischen System und großen Zentralbanken.

Sie wollen Mittelständler unterstützen. Wie machen Sie das?
Wir decken genau ihren Bedarf. Wir sind eine Bank, die in Deutschland fest verankert ist, die sich hier bei uns lokal gut auskennt, die aber auch ein starker Partner ist für den Einstieg von Mittelständlern in das europäische Geschäft. Unter dem Dach der UniCredit können wir unseren Kunden all ihre Produkte anbieten und ihnen Zugang zu 13 europäischen Heimatmärkten geben. Das ist der große Mehrwert, den wir unseren Kunden bieten.

Werden unter US-Präsident Donald Trump Europas Märkte wieder wichtiger?
Das Szenario ist denkbar. Wir sind auch in Osteuropa stark präsent. Diese Region könnte für deutsche Firmen spannend werden, sollten die USA tatsächlich einen protektionistischen Kurs fahren. Wir reden also über strategische Neuausrichtungen. Auch dafür brauchen unsere Unternehmen eine weitere große Bank, mit paneuropäischer Reichweite und der Größe, um ein starker, verlässlicher, langfristiger Partner zu sein.

„Grundhaltung im Mittelstand stimmt“

Wie steht es denn aktuell in Deutschland um den Mittelstand?
In 34 Jahren Bankgeschäft habe ich viele Höhen und Tiefen erlebt. Es ist richtig: Wir haben viel Unsicherheit. Was ich aber immer noch sehe: Genau dann kommt die Stärke unseres Mittelstands zum Tragen.

Die Unternehmer haben extrem viel Ehrgeiz, die ganzen Herausforderungen anzupacken und in Chancen umzuwandeln. Die wollen die Transformation bewältigen, die schieben die nötigen Investitionen weiter an. Natürlich gibt es Forderungen der Wirtschaft, die berechtigt sind: Wir müssen Bürokratie abbauen, Genehmigungsprozesse schneller machen, die Digitalisierung voranbringen. Aber die Grundhaltung im Mittelstand stimmt.

Brauchen wir mehr Mut und Zuversicht in Deutschland?
Ja, absolut. Wir sind die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt, die größte in Europa, wir haben unendlich viel wirtschaftliche Kraft. Es gibt keine Kreditklemme. Wer investieren will, Innovationen plant – wir stehen mit Krediten zur Verfügung.

Macht Ihnen die Bankenregulierung das Geschäft schwer?
Als Verbandspräsidentin bin ich da im engen Austausch mit den Regulatoren in Europa und Deutschland, also der EZB und der Finanzdienstleistungsaufsicht BaFin. In der HVB achten wir auf das, was wir selbst in der Hand haben: stabiles Kapital, nachhaltige Liquidität, effiziente Prozesse. Das ist auch das Beste für unsere Kunden.

Sustainable Finance Experts ausgebildet

Die HVB bekennt sich klar zur Nachhaltigkeit. Wie setzen Sie das in der Praxis um?
Das ist ein extrem wichtiger Punkt. Wir wollen, dass die gesamte Belegschaft hinter diesem Thema steht und eine hohe Expertise besitzt. Dafür qualifizieren wir alle Mitarbeiter weiter.

Für die Kundenberater nutzen wir ein eigens mit der European Business School entwickeltes Qualifizierungsprogramm zum Sustainable Finance Expert. Über 1.000 Mitarbeiter haben das Programm schon absolviert. Das ist eine enorme Investition, die wir da eingehen. Es hilft aber unseren Kunden, die bei diesen wichtigen Themen auf Augenhöhe beraten werden können.

Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit bei der Kreditvergabe?
Wir bieten alle KfW-Programme für Nachhaltigkeit an. Vergeben wir einen Kredit, ist die Frage entscheidend, wo der Kunde in seiner Transformation aktuell steht. Heute  braun, morgen grün – so läuft das eben nicht. Da ist ein langer Weg für die Unternehmen dazwischen. Und wir helfen mit Rat und Tat dabei.

Womöglich ist vielen nicht klar, dass Sustainable Finance den Wandel fördern soll. Die Einstufung eines Unternehmens ist nicht zementiert.
Ja, genau so ist es. Für mich ist dabei ein Punkt wichtig: Es macht keinen Sinn, grüne Firmen noch grüner zu machen. Entscheidend ist, dass alle anderen Unternehmen den ersten Schritt Richtung Nachhaltigkeit machen. Schon dieser erste Schritt muss Förderung und Wertschätzung erfahren.

„Ist wichtig, Fortschritte in der Nachhaltigkeit zu messen“

Halten Sie die umfangreichen Nachhaltigkeitsberichte für sinnvoll?
Über Details und Ausgestaltung kann man streiten. Aber ich halte es für wichtig, dass der Status quo transparent ist und Fortschritte in der Nachhaltigkeit gemessen werden. Sonst kommen wir nicht voran.

Kommen wir zum Tagesgeschäft und der Frage, wie viele Filialen Sie in München noch schließen werden.
Ich kann Sie beruhigen, Sie werden in München immer eine Filiale von uns finden. Die Frage, die wir uns stellen müssen, ist jedoch, wofür die Kundinnen und Kunden eine Filiale nutzen. Die Wertpapier-order oder den Zahlungsverkehr – das erledigt man heute am PC oder mit dem Smartphone. Wir investieren sehr viel ins Online- und Mobile Banking, um das so bequem und sicher wie möglich zu
machen.

Wofür brauchen Sie dann die Filialen noch?
Immer dann, wenn es um komplexe Beratung geht, ist das persönliche Gespräch nicht zu ersetzen. Das gilt für Mittelstandskredite genauso wie für die Anlage privater Vermögen. Wir machen sehr viel Vermögensverwaltung. Was wir ausbauen wollen, ist das Geschäft mit Unternehmern, die privat Geld anlegen wollen, mit Family Offices und Ultra-High-Net-Worth Individuals.

Wie realistisch ist die Hoffnung auf eine Senkung des Leitzinses?
Die EZB hat das Ziel, die Inflation bei etwa zwei 2 Prozent stabil zu halten. In dem Korridor sind wir derzeit unterwegs. Wir haben uns daran gewöhnt, dass es wieder Zinsen gibt. Da sind vorerst keine größeren Änderungen zu erwarten. Für Investitionen spielt das Zinsniveau kaum noch eine Rolle. Faktoren wie Planbarkeit, Bürokratie und steuerliche Anreize sind wichtiger. Da könnte die neue Bundesregierung für Impulse sorgen.

Zur Person: Marion Höllinger

Marion Höllinger ist CEO und Sprecherin der Geschäftsführung der HypoVereinsbank (UniCredit Bank GmbH) sowie Mitglied des Group Executive Committee der UniCredit. Sie ist außerdem Vorstandsmitglied im Bundesverband deutscher Banken (BdB) in Berlin und Präsidentin des Bayerischen Bankenverbands mit Sitz in München.

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