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Rote Karte für die Verpackungssteuer

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Kein schöner Anblick und mehr Aufwand: To-go-Müll in der Landschaft

Die Stadt Tübingen erhebt auf To-go-Geschirr eine eigene kommunale Verpackungssteuer. Ein Modell für Bayern? Nein, sagt die IHK und verweist auf die wirtschaftlichen und bürokratischen Zusatzbelastungen.

Von Gabriele Lüke, 5/2025

Wenn To-go-Geschirr aus Abfalleimern quillt oder auf der Straße herumliegt – ist das nicht nur ein hässlicher Anblick, es beschert Städten und Gemeinden auch zusätzlichen Aufwand bei der Entsorgung. Kann eine Verpackungssteuer, wie sie die Stadt Tübingen entwickelt hat, eine Lösung darstellen? „Nein“, sagt Martin Clemens, Referatsleiter Steuern und Finanzen der IHK für München und Oberbayern. „Die Einführung einer kommunalen Verpackungssteuer ist ein untaugliches Mittel, die kommunalen Kassen aufzufüllen. Eine solche Verpackungssteuer wird erhebliche wirtschaftliche und administrative Zusatzlasten nach sich ziehen und zugleich den gewünschten Umwelteffekt nicht sicherstellen. Es gibt bereits jetzt eine Fülle von Regeln sowie Gesetzen zur Verpackungsvermeidung.“

Ein Überblick:
Was ist die Verpackungssteuer genau? Mit ihrer Verpackungssteuer will die Stadt Tübingen die Müllberge, die durch To-go-Verpackungen für Lebensmittel zum unmittelbaren Verzehr entstehen, eindämmen. Für Einweggetränkebehälter, Geschirr und Speiseverpackungen werden je 50 Cent netto, für jedes Einwegbesteckset 20 Cent netto als Steuerbetrag fällig. Flankiert wird die Steuer durch ein städtisches Förderprogramm zur Umstellung auf Mehrwegsysteme, etwa die Anschaffung gewerblicher Spülmaschinen.

Wie ist das rechtliche Konstrukt der Verpackungssteuer? Die Tübinger Verpackungssteuer ist eine sogenannte örtliche Verbrauchssteuer. Eine solche liegt in der Hoheit einer Kommune. Die Rechtmäßigkeit der Tübinger Steuer wurde im Januar 2025 vom Bundesverfassungsgericht bestätigt. Eine Verpackungssteuer ist in Bayern bislang nicht erhoben worden und bedarf daher einer Genehmigung durch die Rechtsaufsichtsbehörde. Diese Genehmigung erfordert zudem die Zustimmung des Staatsministeriums des Innern, für Sport und Integration, wie im Artikel 2 Absatz 3 Kommunalabgabengesetz vorgesehen.

Wie ist die Lage in Bayern? Interessieren sich hier Kommunen für das Modell? Tatsächlich wird auch in einigen Städten und Gemeinden in Bayern – etwa Regensburg, Ingolstadt, München, Passau, Rosenheim, Starnberg oder Augsburg – eine Verpackungssteuer diskutiert. 

Wie ist die bestehende Rechtslage zur Müllvermeidung? „Es bestehen bereits mehrere Regelungen, die helfen sollen, dass sich die Menge an To-go- und Take-away-Abfällen reduziert“, erläutert IHK-Umweltexpertin Sabrina Schröpfer. Sie verweist insbesondere auf diese drei Regelungen:

  • Einwegkunststofffondsgesetz (EWKFondsG): Dieses Gesetz verpflichtet Hersteller bestimmter Einwegkunststoffprodukte (etwa von Behältern für Lebensmittel zum Direktverzehr, Tüten, Folienverpackungen oder Getränkebechern) seit 2024, sich an den Kosten für die in Straßen oder Parks als Abfälle eingesammelten Behältnisse zu beteiligen. Dazu zahlen sie in den Einwegkunststofffonds. Die ersten Zahlungen sind 2025 fällig.
  • Systembeteiligungspflicht nach Verpackungsgesetz (VerpackG): Systembeteiligungspflicht heißt, dass sich gewerbliche Anbieter bei einem dualen System anmelden und angeben müssen, wie viele Verpackungen sie in Umlauf bringen. Dafür wird dann ein bestimmtes Lizenzentgelt erhoben. Das Lizenzentgelt verwendet der Systemanbieter, um den Entsorgungs- und Recyclingprozesses der entsorgten Verpackungen zu gewährleisten. Von der Systembeteiligungspflicht sind auch Serviceverpackungen – also Verpackungen, die an der Theke zur Mitnahme von Lebensmitteln verwendet werden – betroffen.
  • Mehrwegangebotspflicht nach VerpackG: Seit 2023 müssen Unternehmen ab einer bestimmten Größe (mehr als 5 Beschäftigte und mehr als 80 Quadratmeter Verkaufsfläche) ihren Kunden bei Take-away-Bestellungen immer eine Mehrwegverpackung als Alternative zu einer Einwegkunststoffverpackung anbieten.

Schröpfer ergänzt: „Darüber hinaus setzt die EU mit der neuen EU-Verpackungsverordnung derzeit weitere weitreichende Maßnahmen zur Reduktion von Verpackungen und deren Nachhaltigkeit um. Damit will sie insbesondere auch im Verpackungsbereich die Kreislaufwirtschaft fördern.“

Warum lehnt die IHK eine Verpackungssteuer ab? „Eine kommunale Verpackungssteuer würde die Unternehmen zusätzlich finanziell und bürokratisch belasten, und das in einer schon jetzt schwierigen wirtschaftlichen Lage. Sie ist eine unnötige Überregulierung. Wir warnen vor einem unübersichtlichen Flickenteppich aus kleinteiligen und wahrscheinlich auch kommunal unterschiedlichen Regelungen“, sagt Martin Clemens. Es sei mit einem enormen Erklärungsbedarf bei der Erhebung, Berechnung und Abführung zu rechnen. Eine besondere Beeinträchtigung bringe die Verpackungssteuer dabei Betrieben, die in verschiedenen Städten Filialen betreiben. Auch seien schädliche Wirkungen auf Nachfrage, Handel und Tourismus zu befürchten. Clemens fasst zusammen: „Deutschland ist heute schon ein Höchststeuerland. Jede weitere Steuerlast schwächt die Finanzkraft unserer Unternehmen und die Wettbewerbsfähigkeit unseres Standorts. Neue, kleinteilige und aufwendige Regeln und Steuern sind der falsche Weg. Auch wäre zu evaluieren, wie Nachhaltigkeitsziele auf anderem Wege erreicht werden können.“

Was können Kommunen alternativ tun? Sie sollten prüfen, welche Gelder ihnen aus dem EWK-Fonds zufließen, um diese für die Abfallbeseitigung einzusetzen. Hilfreich erscheint zudem die gezielte Förderung von Mehrwegsystemen durch Anreize und Infrastruktur. IHK-Expertin Schröpfer: „Oberbayerische Unternehmen sind hier bereit, umfangreich mitzuarbeiten.“ Und nicht zuletzt: eine ausreichende Menge von Abfallsammelbehältnissen im öffentlichen Raum, auch spezifische für Verpackungen, sowie eine fortwährende Sensibilisierung und Aufklärung der Bürgerinnen und Bürger.

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