Standortpolitik

Wo bleibt der Aufbruch?

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Engagierte Debatte – Plenum in Westerham

Die IHK-Vollversammlung diskutiert über Stromsteuer-Frust und Investitionsbooster – und gibt ein deutliches Signal für Münchens Olympiabewerbung.

Von Martin Armbruster, IHK-Magazin 09/2025

Es war wirklich Sommer auf der Sommersitzung der IHK-Vollversammlung Anfang Juli in der IHK Akademie Westerham: brutwarm, gelegentlich ein heißes Lüftchen, zum Glück kein Gewitter. Was die Sommeridylle trübte, war die Lage der Wirtschaft. Holzwerk-Chefin und IHK-Vizepräsidentin Ingrid Obermeier-Osl sagte, den Firmen gehe es schlecht. Das sei überall zu spüren. Während sich die Unternehmer beim Kaffee unterhielten, diskutierten in Berlin Journalisten die Frage: Wo bleibt der Stimmungsaufschwung?

Von dem war auf der Vollversammlung wenig zu spüren. IHK-Präsident Klaus Josef Lutz erklärte, man müsse schon älter sein, um erlebt zu haben, dass in diesem Land wirklich etwas vorangegangen sei. Er erinnerte an die Pioniertat von CSU-Übervater Franz Josef Strauß, dem Chinas Staatspräsident Mao Zedong als erstem Deutschen eine Audienz gewährt hatte. 50 Jahre ist das schon her. „Damals war das eine Sensation“, sagte Lutz. Davon zehre Bayerns Wirtschaft bis heute. China sei das Importland Nummer eins.

Olympia ´72 ein „München-Booster“

Lutz schwärmte im Rückblick von den Olympischen Spielen 1972. Die seien tatsächlich ein „Booster“ für die Entwicklung Münchens gewesen. Die Gegenwart sehe trister aus. Lutz berichtete, einige Tage zuvor habe er auf einer Sitzung der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) in Berlin einen Stimmungseinbruch live erlebt. Zu Beginn habe er mit den Spitzen der anderen deutschen IHKs die Hoffnung geteilt, mit der neuen Bundesregierung bewege sich etwas.

Was die Hoffnung erstickte, war laut Lutz die Nachricht über den Rückzieher der Regierung bei der Stromsteuer. Union und SPD hatten im Koalitionsvertrag vereinbart, die Stromsteuer für alle auf das europäische Mindestmaß zu senken. Jetzt fehlten dafür die nötigen 5,4 Milliarden Euro. Versprechen gebrochen.

Reizthema Stromsteuer

Lediglich für das produzierende Gewerbe sowie für die Land- und Forstwirtschaft soll die Stromsteuer weiter nur 0,5 Cent je Kilowattstunde betragen. 80 Prozent der Betriebe und alle Bürger würden wie bisher 2,05 Cent bezahlen. Auch Lutz ist enttäuscht. Das Hin und Her erinnere ihn an die Ampel. IHK-Hauptgeschäftsführer Manfred Gößl sprach verärgert von einem „Wortbruch“: „Das zerstört Vertrauen.“ Die IHK bleibe am Thema dran und werde weiterhin eine niedrige Stromsteuer für die ganze Breite der Wirtschaft einfordern.

Danach bestimmte das steuerliche Investitionssofortprogramm und hier der „Investitionsbooster“ die Diskussion. Bei dem Gesamtpaket geht es laut Gößl um 48 Milliarden Euro, die größte Entlastung seit 2008. Der Investitionsbooster ermöglicht Abschreibungen für Ausrüstungsinvestitionen von bis zu 30 Prozent. Zumindest einen in der Vollversammlung hat das euphorisiert: Eduard Kastner versicherte, darauf hätten die Firmen seit Jahren gewartet. Er sagte für nächstes Jahr ein Wachstum von 1,5 Prozent voraus, so wie die meisten Wirtschaftsforscher auch.

Degressive Abschreibung ungenügend

Die anderen Wortmeldungen im Plenum fielen weit skeptischer aus. Gößl informierte, dass der Booster für Investitionen bis Ende 2027 befristet sei – und die degressive Abschreibung nur für Ausrüstungsinvestitionen, also „bewegliches Anlagevermögen“, gelte. Aber nur etwa 30 Prozent der Gesamtinvestitionen würden in Deutschland in Maschinen, Geräte, Fahrzeuge oder Betriebs- und Geschäftsausstattung gesteckt.

Katharina König sagte, sie finde schon die Grundidee schwierig. Die Steuerförderung nutze nur denen, die Geld für Investitionen hätten. Tobias Viße erklärte, wer investieren wolle, stünde vor hohen Hürden. In der aktuell schlechten Wirtschaftslage seien die Banken sehr zurückhaltend bei der Kreditvergabe. Auch Sven Keussen glaubt nicht an den Booster: „Das wird so nicht funktionieren.“ Es komme auf die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen insgesamt an. Die Unternehmen überlegten sich sehr genau, in was sie investierten.

Mehr Steuererleichterungen und Aufträge

Thomas Dittler unterstrich das. Der Appell von Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) „Lasst die Bagger rollen!“ stehe für „altes Denken“. Was Klingbeil laut Dittler nicht verstehe: Den Unternehmen fehle es nicht an Maschinen. Was sie dringend benötigten, sei der Kauf von Software und KI. Dabei helfe ihnen der „Booster“, die degressive Abschreibung, nur bedingt. Für einige Softwareprodukte gebe es schon die Möglichkeit der Sofortabschreibung. Um einen richtigen Push auszulösen, bräuchte es weitere gesetzliche Abschreibungsregeln für die Anschaffung von Software.

Franz Schabmüller berichtete, das Problem in der Autoindustrie sei die fehlende Auslastung. Ohne mehr Aufträge werde niemand mehr investieren. Warum, fragte schließlich Lutz, sollte jemand hierzulande investieren, wenn er die Produktion schon nach Osteuropa verlegt habe? Ingo Schwarz wiederum warnte vor Streueffekten. Unternehmer könnten die Förderung mitnehmen, um Maschinen aus China zu kaufen. Es fehle an der „Grundstimmung“ für Investitionen, sagte Banker Marcus Lingel.

Wirtschaftswachstum ankurbeln

Maximilian Kobler äußerte den Verdacht, der Booster diene nur der Ablenkung von den eigentlichen Problemen. Der steigende Mindestlohn werde unweigerlich auch zu höheren Löhnen für gute Fachkräfte führen. Das bedeute weniger Gewinn und Investitionen.

Hauptgeschäftsführer Gößl vertiefte diesen Punkt. Er warnte eindringlich vor „Schulden ohne Reformen“, weil das nur ein Strohfeuer entfache. Am Ende würden lediglich die Zinsbelastung und der Schuldenberg wachsen. Er wies daraufhin, dass 850 Milliarden neue Schulden bis 2029 geplant seien. Das sei in nur 5 Jahren die Hälfte der seit 1949 entstandenen Bundesschuld von 1,7 Billionen Euro.

Er sieht nur eine Lösung: dauerhaft höheres Wirtschaftswachstum. Welche Schritte nötig seien, um die Leistungsfähigkeit zu steigern, sei wissenschaftlich belegt: in der Summe mehr Jahresarbeitsstunden, mehr Produktivität vor allem durch Bürokratierückbau sowie mehr Investitionen, die zu 86 Prozent von Wirtschaft und Privathaushalten getätigt werden. Durch den Alterungsschub in Deutschland sei eine Reform der Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung unumgänglich, damit die Lohnnebenkosten bezahlbar bleiben.

Dauerbrenner Bürokratie

Gößl ging in seinem Bericht auch auf die weltpolitische Lage ein. Kriege, Konflikte, die Zollschlachten von US-Präsident Donald Trump trügen natürlich zur Misere bei. Aber man müsse sich nicht passiv in die Opferrolle fügen, so Gößl. Wenn man hierzulande die Bürokratie auf das Niveau Schwedens herunterdimme, bringe das ein Wachstum von 0,5 Prozent jährlich – das allein würde den erwarteten Zollschaden deutlich überkompensieren.

Positives Ergebnis der Sitzung: Die Vollversammlung beschloss, die Olympiabewerbung Münchens zu unterstützen. Ein auch in psychologischer Hinsicht („Es muss sich endlich was tun“) wichtiges Signal. IHK-Bereichsleiter Martin Drognitz verwies auf die Sommerspiele in Paris, die die Welt begeistert hätten. Drognitz sprach von einem unbezahlbaren Imagegewinn. Auch ökonomisch habe sich das für Paris gerechnet. Ticketverkauf und Merchandising hätten 95 Prozent der Kosten eingespielt.

Impulse durch Sommerspiele

Drognitz betonte, die Olympischen Spiele könnten die Impulse bringen, die München seit Langem brauche: Neue Wohnviertel, Ausbau der U-Bahnen und der ICE-Anschluss des Flughafens könnten entstehen.

Gößl bat die Unternehmer darum, am 26. Oktober 2025 in München beim Referendum über die Olympiabewerbung zur Wahl zu gehen. Es brauche ein deutliches Ja, weit mehr als 51 Prozent Zustimmung, um der Bewerbung Rückhalt zu geben. „Zeigt Herz für eure Stadt!“, forderte Gößl das Plenum auf.

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