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Vorsicht, Gefahrgut!

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Auch für Alltagsprodukte wie Haushaltsreiniger gelten Gefahrgutvorschriften

Stefan Bottler, Ausgabe 02/2020

Viele Alltagsgegenstände wie Spraydosen, aber auch Lithiumbatterien müssen beim Transport als Gefahrgut gekennzeichnet und gesichert werden. Was Hersteller und Händler wissen sollten.

Der Wohnungsbrand am 18. September 2019 im Münchner Stadtteil Milbertshofen sorgte überregional für Schlagzeilen. Kurz vor sieben Uhr entzündete sich der Akku eines E-Scooters, den ein Bewohner nachts zum Aufladen in seine Wohnung geholt hatte. Ein Zimmer brannte völlig aus, zehn Personen wurden verletzt, der Sachschaden betrug rund 200000 Euro. Was in einer Privatwohnung bereits verheerend wirkt, stellt in einem gewerblichen Lager oder in Verkaufsräumen ein noch viel größeres Gefahrenpotenzial dar. »Der Vorfall macht schlagartig klar, warum Lithiumbatterien und -zellen Gefahrgut sind und nur entsprechend den einschlägigen Vorgaben gelagert und transportiert werden dürfen«, sagt Andreas Schmidt, IHK-Fachberater für den Güterverkehr. Für den Transport sind internationale Empfehlungen der Vereinten Nationen (UN) zu beachten, welche die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) in Berlin in ein deutsches Handbuch übersetzt hat. Auch für zahlreiche Spraydosen, Parfümerieprodukte, Reiniger und andere Alltagsgegenstände gelten Gefahrgutvorschriften nach internationalen Regelwerken. Jeder Versender, der auch nur ein einziges Produkt aufgibt, muss diese beachten.

Händler müssen mit Bußgeldern rechnen

»Vielen Händlern und Herstellern ist dieser Sachverhalt offenbar nicht bekannt«, stellt Schmidt fest. »Vor allem in den verkaufsstarken Tagen vor Weihnachten oder am Black Friday werden viele Sendungen aufgegeben, deren Inhalte entgegen den Vorschriften nicht als Gefahrgut gekennzeichnet und gesichert worden sind.« Wer dies unterlässt, muss mit Bußgeldern rechnen. Auch kleinere Verstöße werden mit mehreren 100 Euro bestraft. »Bei Testkäufen von Lithiumbatterien und anderen Gefahrgutstoffprodukten sind gerade E-Commerce-Anbieter mit hohen Fehlerquoten aufgefallen«, sagt Jürgen Werny (59), Inhaber eines Münchner Ingenieurbüros für Gefahrguttransporte, Arbeitssicherheit und Brandschutz. 70 bis 80 Prozent der Händler machten Fehler bei der Kennzeichnung und Verpackung von Gefahrgutprodukten. Auch bei der Auswahl des Logistikpartners müssen Unternehmen Vorgaben beachten. Nur Fahrer von Transportunternehmen und Kurier-, Expressund Paketdiensten (KEP-Unternehmen), die eine sogenannte ADR-Schulungsbescheinigung haben, dürfen Gefahrgut transportieren. Wer diesen scheckkartengroßen Ausweis erwerben will, muss eine zweieinhalbtägige Schulung bei einem anerkannten Weiterbildungsanbieter absolvieren und anschließend eine Prüfung vor der IHK ablegen. Manche KEP-Dienstleister verzichten vollständig auf Gefahrguttransporte, weil ihnen der Weiterbildungsaufwand zu groß ist. Die Schulungen führen die Fahrer in alle Gefahrgutklassen ein. Die UN hat acht Klassen und eine Sonderklasse kategorisiert sowie vierstellige Nummern (sogenannte UN-Nummern) für alle gängigen Gefahrgutprodukte vergeben. Viele Onlinehändler führen Produkte der Klasse 2 (gasförmige Stoffe in Spraydosen und anderen Verpackungen), Klasse 3 (entzündbare flüssige Stoffe beispielsweise in Parfüms und Klebern) und Klasse 8 (ätzende Stoffe wie Reiniger). In den letzten Jahren hat die Sonderklasse (auch Klasse 9 genannt) stark an Bedeutung gewonnen. Alle Produkte und Stoffe, die nicht den acht Gefahrgutklassen zuzuordnen sind, werden in diese Klasse eingestuft. Auch Lithiumbatterien gehören dazu. Vor dem Transport müssen Gefahrgutprodukte vorschriftsmäßig gekennzeichnet und verpackt werden. Auch dies darf nur geschultes oder unterwiesenes Personal übernehmen. Für jede Gefahrgutklasse gibt es eigene Symbole. Seit Anfang 2019 muss auch der Transport von Lithiumbatterien besonders gekennzeichnet werden. Auf einem internationalen Kennzeichen, dessen Größe (120 x 110 mm) genau vorgeschrieben ist, muss der Versender UN-Nummer und Telefonnummer eintragen. »Auch Sendungen mit nur einer Batteriezelle sind kennzeichnungspflichtig«, sagt Experte Werny. Mindestens ebenso wichtig sind einwandfreie Verpackungen von Gefahrgutprodukten. Mit starken, stabilen Kartons allein ist es nicht getan. Wichtig sind ebenso Polster und andere Innenverpackungen, die ein Auslaufen von Batteriesäure und anderen Flüssigkeiten verhindern. Außerdem müssen viele Sendungen zum Beispiel mit Zurrgurten oder Antirutschmatten gesichert werden. Hierfür ist der Transportpartner verantwortlich. »Vor allem Sendungen mit Lithiumbatterien werden in Zukunft stark zunehmen«, ist Werny überzeugt. »Die Brandgefahr dieser Akkus ist nicht zu unterschätzen.« Werden unbeschädigte Exemplare bei zu hohen oder zu niedrigen Temperaturen gelagert, können sie sich selbst entzünden. Die Gefahrstoffverordnung will dies verhindern. Für die Lagerung von entzündbaren, ätzenden, giftigen und anderen gefährlichen Produkten schreibt sie daher Umwelt- und Arbeitschutzmaßnahmen vor. »Achten Sie bei jedem Lagervorgang auf Produkteigenschaften, die Gefahren auslösen können«, rät Martin Kümmerlin (55) von der Berufsgenossenschaft Handel und Warenlogistik. Details dazu stehen in den Sicherheitsdatenblättern, die jeder Hersteller seinen Produkten beilegen muss.

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