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Geschäftsreisen – Pro und Contra

Sabine Holaubek ©

Ausgabe 02/2020

Viele Reiserichtlinien stehen gerade unter dem Gesichtspunkt Nachhaltigkeit auf dem Prüfstand. Sollten Unternehmen an Geschäftsreisen generell festhalten? Zwei Unternehmer und ihre Meinungen.

Pro Oliver Winzer (51), Vice President Sales Germany BCD Travel, München:

Das entscheidende Argument für Geschäftsreisen: der hohe Return on Invest. Untersuchungen zeigen, dass jeder US-Dollar, der für Geschäftsreisen ausgegeben wird, zu einem zusätzlichen Umsatz von 12,50 US-Dollar führt. Neukunden schließen Verträge außerdem nach persönlichen Treffen mit einer 50 Prozent höheren Wahrscheinlichkeit ab als ohne. Auch bei der Arbeitgeberattraktivität spielen Geschäftsreisen eine bedeutende Rolle: Gut jeder zweite Befragte empfindet Dienstreisen als klaren Vorteil im Job.

Der hohe Mehrwert von Geschäftsreisen bedeutet keineswegs, dass der Aspekt der Nachhaltigkeit zu vernachlässigen wäre. Viele Unternehmen sind gut aufgestellt und haben zum Beispiel Strecken festgelegt, auf denen Mitarbeiter verpflichtend Bahn statt Flugzeug nutzen müssen. Die Nachfrage nach CO₂-Reportings steigt kontinuierlich und viele Firmen kompensieren ihre Emissionen über Zertifikate. Generell sollten Ausgleichszahlungen jedoch immer nur eine Maßnahme von vielen sein. Viele Unternehmen schöpfen die Optionen für nachhaltige Geschäftsreisen noch nicht voll aus: Bahn statt Flug, öffentlicher Nahverkehr statt Taxi, Anmietung von Kleinwagen oder Hybridfahrzeugen statt SUVs, die Wahl nachhaltiger Hotels und geooptimierte Meeting-Planung, sprich die Entscheidung für den Veranstaltungsort auf Basis der durchschnittlich kürzestmöglichen Anreise aller Teilnehmer – das sind nur einige Möglichkeiten, ökologisch und intelligent zu reisen, zu denen wir als Travel Management Company Firmenkunden beraten.

Bei rein internen Meetings sind Videokonferenzen eine praktische Alternative, auch wenn sich nicht jedes persönliche Zusammentreffen durch virtuelle Meetings ersetzen lässt. Und in vielen Fällen ist der persönliche Geschäftstermin dann eben nur per Flug zu erreichen. Doch auch da gibt es ökologische Stellschrauben: Direktflug anstelle von Umsteigeverbindung oder Economy statt Business Class. Wussten Sie, dass ein Flug in der Business Class dreimal mehr CO₂-Emissionen verursacht als in der Economy Class? In der First Class ist der CO₂-Fußabdruck sogar neunmal größer. Also insgesamt ein »Ja« zu Geschäftsreisen, aber bitte so nachhaltig wie möglich. Und wenn Ressourcen oder Know-how fehlen: Experten ins Boot holen.

BCD Travel ist ein weltweit aktiver Anbieter für Geschäftsreisemanagement mit insgesamt 13 500 Mitarbeitern in 109 Ländern. Die Tochtergesellschaft BCD Travel Germany GmbH verfügt über zahlreiche Standorte in Deutschland, unter anderem in München.

 

Contra Andreas Rinnhofer (36), Geschäftsführer INN-ovativ KG, Kiefersfelden:

Es gibt nicht nur gute Gründe, sondern auch gute Möglichkeiten, um sich von Geschäftsreisen alten Stils zu verabschieden. In welchem Umfang, das hängt im Wesentlichen von der Branche und von der Art der Kundenbeziehungen ab. Aber es gibt heute keinen Wirtschaftszweig mehr, der nicht mittels Telekommunikation weitgehend ersetzen könnte, wozu bisher physische Präsenz erforderlich war.

Ein Telefonat heute, das ist der Kernfaktor, ist nicht mehr allein auf die Wahrnehmung einer Stimme reduziert. Videotelefonie gibt dem Gesprächspartner ein Gesicht, seine Mimik und Gestik sind erkennbar, sie verleihen dem gesprochenen Wort mehr Tiefe. Das macht telefonische Unterhaltungen heute viel konkreter und »näher« als früher. Da es problemlos möglich ist, auf diesem Weg Konferenzschaltungen durchzuführen, lassen sich so auch Meetings ersetzen.

Diese Option sollte man allerdings nicht als ausschließlich betrachten und absolut setzen. Digitale Medien mögen noch so groß das Attribut »social« mit sich bringen: Jeder Mensch als »animal sociale« bedarf des direkten, distanzlosen, persönlichen Kontakts, um eine Angelegenheit nicht nur rational, sondern auch emotional zu bewerten. Das dafür unverzichtbare Zusammenkommen zum Kennenlernen, zum Dialog, zur Zusammenarbeit wird auch künftig (Geschäfts-) Reisen unverzichtbar machen.

Beispielhaft wird das an unserem Kernprodukt E-Learning sichtbar, bei dem zahlreiche Lerninhalte zeit- und umweltschonend via Internet abgewickelt werden. Oder in unserem Vertrieb: Um einem Kunden in Bremen unser Produkt schmackhaft zu machen, brauche ich nicht viele Stunden und 1000 Euro in Flug und Besuch zu investieren. Für diesen Akquiseschritt kann ich mit einem kleinen Bruchteil des Betrags Onlinekanäle nutzen. Um die daraus entstehenden Fragen zu beantworten und die individuelle Ausprägung des Angebots bis hin zur Vertragsunterzeichnung zu entwickeln, ist mir das Geschäft dann natürlich die Reise wert – auch weil ein Auftraggeber, der 20000 Euro für Jahreslizenzen investiert, dies sicher nicht auf Basis von ein paar Mails und Anrufen tun wird.

Das Unternehmen INN-ovativ will mit seiner E-Learning-Plattform Spedifort neue Wege in der unternehmensübergreifenden Weiterbildung für Logistikmitarbeiter einschlagen. Die Plattform bietet online zahlreiche Qualifizierungsmaßnahmen und Unterweisungen zur Arbeitssicherheit.

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