Unternehmen

Abschied von der Wegwerfmentalität

Lisa Hantke ©
Ein perfektes Team – Julia Ickert (l.)und Susanne Kinast

Das Münchner Unternehmen NINA REIN stellt nachhaltige, zeitlos elegante Businessmode für Frauen her.


„Ich habe mich schon immer für Mode begeistert, weil es ein Produkt ist, das einen stets begleitet“, erzählt Julia Ickert (38), Gründerin und Geschäftsführerin des nachhaltigen Modelabels NINA REIN aus München. „Und ich, weil Kleidung die Menschen glücklich macht“, ergänzt ihre Kollegin Susanne Kinast (42). Beide arbeiteten vorher in großen Modekonzernen, in denen sie zwar alles gelernt haben, was ihnen jetzt zugutekommt – von der Preiskalkulation über den Aufbau einer Marke bis zu einer strukturierten Arbeitsweise. „Wir haben aber auch entdeckt, was wir nicht wollten“, betont die gelernte Betriebswirtin Kinast. Für beide ergab die konventionelle Textilherstellung mit ihrer Wegwerfmentalität keinen Sinn mehr. Sie suchten nach Alternativen. Das war jedoch nicht so einfach.

„Ich konnte keine Marke finden, die meine Ansprüche an Nachhaltigkeit, Qualität und Umweltbewusstsein auf der ganzen Linie erfüllt“, stellte die studierte Modedesignerin Ickert fest – und gründete 2018 kurzerhand ihre eigene Firma NINA REIN. Der Name ist übrigens eine Hommage an ihre Mutter. Er ist ihr Mädchenname: „Sie hat mir alle diese guten Werte mitgegeben.“ Ähnlich ging es Susanne Kinast: „Ich bekam ja die teilweise menschenunwürdigen Produktionsbedingungen hautnah mit.“ Sie stieg aus, schaute sich nach einem neuen Job um und stieß auf NINA REIN. Mit der Philosophie der Marke konnte sie sich sofort identifizieren. Sie nahm  Kontakt zur Firmengründerin auf. Die beiden verstanden sich auf Anhieb.

2020 stieg Kinast dann als zweite Geschäftsführerin ein. Seitdem firmiert das Unternehmen als Julia Ickert & Susanne Kinast GbR. „Nachhaltigkeit kann so cool sein“, freut sich Kinast. Denn der Stil sei elegant, farbenfroh, minimalistisch und leicht zu kombinieren. Für Ickert ist die neue Kollegin eine große Unterstützung: „Wir konnten richtig Fahrt aufnehmen und uns die Aufgaben teilen.“ Ickert ist für Design und Produktion zuständig, Kinast für Vertrieb, Marketing und Finanzen.

Siegerinnen beim Deutschen Nachhaltigkeitspreis 2021

Da beide Mode lieben, aber Mensch und Umwelt nicht schaden wollen, feilen sie gemeinsam daran, Nachhaltigkeit konsequent im ganzen Unternehmen umzusetzen. Dafür haben sie den Deutschen Nachhaltigkeitspreis 2021 erhalten. Sie verwenden umweltschonende Materialien, stellen immer mehr langlebige vegane Kleidung her, arbeiten nur mit fair organisierten Betrieben zusammen, vertreiben ihre Produkte über einen Onlineshop, nutzen recyceltes Verpackungsmaterial und versenden mit DHL Gogreen, das seine beim Transport entstandenen CO2-Emissionen durch Investitionen in Klimaschutzprojekte ausgleicht. Um Familie und Beruf leichter unter einen Hut zu bringen, steuern die beiden Chefinnen und Mütter den Betrieb vom Homeoffice aus. Die Produktion findet in Litauen statt, wo sie mit einem Netzwerk selbstständiger Schneiderinnen zusammenarbeiten, kommuniziert wird digital. Der Umsatz deckt die Kosten, Geschäftsführergehälter sind noch nicht drin, „wir leben von unseren Ersparnissen“, gestehen beide.

Das liegt einerseits am Businessmodell, das noch schwierig zu kommunizieren ist. Zwar steigen Nachfrage und Interesse an nachhaltiger Mode und damit ihr Absatz, doch die meisten Kunden beschäftigen sich eher oberflächlich damit, „wissen nicht wirklich, worum es geht“, sagt Kinast. Ihr Ziel ist, über verschiedene Medien, in Talks und Konferenzen Bewusstsein für den Kauf von hochwertiger, umweltfreundlicher Kleidung zu schaffen – „am besten, bis nachhaltig das neue Normal wird“, sagt sie. Als größte Herausforderung bezeichnet das Duo allerdings die aktuelle Situation mit Pandemie, Inflation und steigenden Kosten von Holz und Energie, die unter anderem Konsumzurückhaltung und volle Kleidungslager zur Folge haben.

Jetzt sind Lösungen gefragt, um das Start-up zukunftsfähig aufzustellen – etwa über größere Größen oder die Möglichkeit, Modelle individuell zu verändern. Eine Kundin kann sich ihr Kleid also in einer anderen Farbe, Größe oder einem abgewandelten Schnitt bestellen. „Da ist viel Potenzial dahinter“, schauen die mutigen Geschäftsführerinnen nach vorn.

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