Standortpolitik

Anpacken statt jammern

Jens Ahner ©
Festliches Ambiente – die Vertretung des Freistaats Bayern in Berlin

Die bayerischen IHKs zeigen in Berlin Flagge: mit 200 Gästen und der Forderung, zur Wirtschaftspolitik zurückzukehren.

Martin Armbruster, Ausgabe 03/2020

Lamentos sind wertlos« – diese Aussage von Moderatorin Anouschka Horn geriet zum Leitmotiv des Abends. Die bayerischen IHKs hatten am 11. Februar 2020 in Berlin zur zweiten Auflage der Nacht der Bayerischen Wirtschaft geladen. Als Veranstaltungsort diente erneut die Bayerische Vertretung in der Hauptstadt. Rund 200 Gäste kamen: bayerische Bundestagsabgeordnete, Vertreter bayerischer Top-Unternehmen und Präsidiumsmitglieder der neun IHKs in Bayern. Die Veranstaltung soll selbstverständlich bayerischem Networking dienen. An diesem Abend bezogen die IHKs aber mit ihrer Halbzeitbilanz der Arbeit der Bundesregierung auch politisch Position – und dies multimedial. Ein Video machte jedem im Raum klar, wie herausfordernd die Lage ist: Handelskonflikte, rückläufige Industrieproduktion, schwächelnde Konjunktur.

Unternehmergeist ist gefragt

Die Konsequenz formulierte später in kleiner Runde Caroline Trips, Unternehmerin und Vizepräsidentin der IHK Würzburg-Schweinfurt: »Wir müssen alles tun, damit es jetzt wirtschaftspolitisch vorwärtsgeht.« Der Videotrailer fasste die IHK-Forderungen gut zusammen: Steuerentlastung, Bürokratieabbau, Digitalisierung, schnellere Planungsverfahren, Investitionen und Innovationen fördern. Aber den IHKs ging es um mehr als das, wie der Dialog zwischen BIHK-Präsident Eberhard Sasse und BIHK-Hauptgeschäftsführer Manfred Gößl zeigte. Sasse warnte vor Staatsgläubigkeit. Die konjunkturelle Lage verlange nach Unternehmergeist. Anpacken, Mut und Zuversicht seien Leitideen der IHK-Organisation. Sasse sieht die Unternehmer auch in einem weiteren Punkt gefordert: Hass, Hetze und Rassismus gefährdeten unsere liberale Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung. Dieses freiheitliche System sei die Grundlage des Wohlstands. »Wir wollen es mit Leidenschaft, Vehemenz und aus Überzeugung verteidigen«, so der BIHK-Präsident. BIHK-Hauptgeschäftsführer Gößl erklärte die Risiken staatlicher Markteingriffe und Regulierungen am Beispiel des Immobilienmarkts in Berlin sowie dem in Brüssel diskutierten Aktionsplan für ein nachhaltiges Finanzwesen. Erstere führten dazu, dass weniger Mietwohnungen gebaut würden. Und die abzusehende Regulierung für Sustainable Finance könnte die Kreditversorgung vor allem des industriellen Mittelstands gefährden. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) umschiffte zu Beginn seines Vortrags elegant die Frage von Moderatorin Horn, welches Thema ihm wichtiger sei: autonomes Fahren oder die Pkw-Maut. Umso klarer machte Scheuer dann, dass die Bundesregierung weit besser sei als ihr Ruf. Berlin bringe die Dinge voran, so Scheuer. Gleich, ob Schienenverkehr, 5G-Mobilfunk, schnellere Planungsprozesse oder vernetztes, autonomes Fahren – Scheuer will für einen »Wow-Effekt« sorgen. Zudem widersprach der Minister Medienberichten, die für die deutsche Autoindustrie im Wettlauf um die Zukunft kaum Chancen sehen.

Investition in Wasserstoff

Scheuer glaubt an den Bestand der Dieseltechnologie. Die Möglichkeiten der E-Mobilität hält er für überschätzt. Deshalb werde der Bund in den Wasserstoffantrieb investieren. Für die Technologieoffenheit gab es ebenso Szenenapplaus wie für Scheuers Kritik an der Verbotskultur. Sein Argument: Auch ohne Fahrverbote habe sich die Luftqualität deutscher Städte verbessert.

Die informellen Gesprächsrunden dieses Abends beschäftigten sich natürlich auch mit dem politischen Beben nach der gescheiterten Regierungsbildung in Thüringen. Die Ängste vor politischem Stillstand und Unsicherheit seien noch gestiegen. Deshalb, meinte Firmenchefin Trips, seien Events wie die Nacht der Bayerischen Wirtschaft so wichtig. »Das Gespräch mit der Politik gibt uns die Chance, überhaupt etwas zu bewegen«, betonte Trips. Sie ist von dem BIHK-Format ebenso überzeugt wie Rosie Schuster, Chefin des Münchner Unternehmens Techcast. »Dieser intime Rahmen ist schon toll. Ich könnte jetzt direkt zum Scheuer Andi gehen und ihn auf ein Problem ansprechen. Wo kann ich das sonst? «, meinte Schuster. Dieses Netzwerken, so findet sie, sollten die Veranstalter künftig ruhig noch weiter ausbauen.
 

 

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