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Mehr Güter auf die Schiene – das ist das Ziel der EU

Die EU strebt eine Verdopplung der Schienengüterverkehre bis 2050 an. Mit der novellierten Gleisanschlussförderung will die Bundesregierung Unternehmen den Einstieg in diesen Verkehrsträger erleichtern.

Stefan Bottler, Ausgabe 09/2021

Von A wie Aluminium bis Z wie Zinn: Die TD Rohstoffhandel Ebenhausen GmbH & Co. KG sammelt, sortiert und verwertet Altmetalle aller Art. Auch Hölzer, Glas, Bauschutt, Kunststoffe und sonstige Abfälle kauft der zertifizierte Entsorgungsfachbetrieb in großen Volumina auf und führt sie in den Kreislauf zurück. Rund 30 Prozent des Wareneingangs und 80 Prozent des Warenausgangs werden auf der Schiene transportiert.

Seit Jahrzehnten nutzen die rund 20 Mitarbeiter hierfür einen Gleisanschluss zum 2,5 Kilometer entfernten Bahnhof Baar-Ebenhausen. Seit 2005 betreiben sie ihn in Eigenregie. Eine werkseigene Rangierlok bewegt Waggons zwischen dem TD-Gelände und den Übergabegleisen der Deutschen Bahn. »Wir haben niemals an eine Stilllegung gedacht«, versichert Geschäftsführer Jörg Jacob (34) – trotz mancher verspäteten Ankunft oder Abfahrt. »Am liebsten würden wir alle Verkehre über die Schiene abwickeln.«

Häufig Gleisanschlüsse stillgelegt

Viele andere Unternehmen haben hingegen ihre Gleisanschlüsse stillgelegt und alle Güterverkehre auf die Straße verlagert. Mit der Gleisanschlussförderung versucht das Bundesministerium für Verkehr und Infrastruktur (BMVI) seit Jahren gegenzusteuern. Wer stillgelegte Gleisanschlüsse zum bundesweiten Schienennetz reaktiviert beziehungsweise vorhandene Anschlüsse ausbaut oder in neue investiert, erhält bis zu 50 Prozent der Kosten erstattet.

Jetzt hat das Ministerium die Richtlinie für diese Förderung nochmals überarbeitet und wirbt mit deutlich großzügigeren Konditionen. Seit 1. März 2021 können Unternehmen auch für werksinterne Stamm- und Zuführungsgleise zu den Anschlüssen Fördergelder beantragen. Außerdem unterstützt der Staat den Ersatz von verschlissenen Trassen sowie den Bau von Railports und anderen multifunktionalen Umschlagsanlagen.

Interessant auch für KMU

Solche Standorte werden vor allem in Logistikzentren und Gewerbegebieten gebaut und machen auch für Unternehmen ohne eigenen Gleisanschluss den Umstieg von der Straße auf die Schiene möglich. »Auch kleine und mittlere Betriebe, die lediglich Einzelwagenverkehre betreiben können und einen ortsnahen Gleisanschluss haben, sollten die Aufnahme von Schienengüterverkehren prüfen«, empfiehlt Korbinian Leitner, Referatsleiter Verkehrsinfrastruktur und Logistik der IHK für München und Oberbayern. Ausdrücklich erinnert Leitner daran, dass Straßengüterverkehre sich mit der Einführung von CO2-Bepreisungen ab 2025 deutlich verteuern werden.

Mit dem Wechsel auf die Schiene können Unternehmen die durch Lkw verursachten CO2-Emissionen um bis zu 80 Prozent senken, versichert der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV). Vor allem für Unternehmen aus der Auto-, Chemie-, Recycling- und Stahlindustrie haben sich laut VDV Einzelwagenverkehre bislang gerechnet. Auch wiederkehrende Meldungen über die fehlende Zuverlässigkeit und unzureichende Digitalisierung der Bahn haben daran nichts geändert.

Planung neuer Industrie- und Gewerbegebiete gleich mit Gleisanschlüssen

Wenn es nach dem Verkehrsministerium geht, soll in Zukunft jedes neue Industrie- und Gewerbegebiet mit Gleisanschlüssen geplant werden. Das Ministerium möchte die Planungen für Gleisanschlüsse deutlich beschleunigen. Für bis zu 2.000 Meter lange Anlagen an Betriebsstandorten und für bis zu 3.000 Meter lange Anlagen an Gewerbe- und Industriestandorten muss in Zukunft kein Planfeststellungsverfahren mehr durchgeführt werden. Die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür haben Bundestag und Bundesländer bereits im Herbst 2020 geschaffen.

Die Gleisanschlussförderung ist das zweite große Förderprogramm für Schienengüterverkehre. Seit 1998 bezuschusst der Bund Umschlagsanlagen des kombinierten Verkehrs (Verkehr, der unterschiedliche Verkehrszweige verbindet, kurz: KV) für Güter, die mit Containern und anderen standardisierten Einheiten transportiert werden. Die Förderrichtlinie für diese Anlagen läuft Ende 2021 aus und wird vom Verkehrsministerium ebenfalls überarbeitet. Rund 200 Millionen Euro stellt das Ministerium bis 2025 für die Förderung von Gleisanschlüssen bereit, die Gelder sind fast verdoppelt worden und können beim Eisenbahnbundesamt (EBA) in Bonn beantragt werden.

Andere Länder nutzen Schienenverkehr stärker

Bis 2030 soll der Anteil des Schienengüterverkehrs am Güterverkehr insgesamt von aktuell knapp 20 Prozent auf mindestens 25 Prozent steigen. Andere Länder sind längst weiter. Die Schweiz und Österreich melden für Güterverkehre einen Schienenanteil von aktuell 37 Prozent beziehungsweise 28 Prozent.

Ambitionierte Ziele durch Green Deal

Solche Zahlen möchte die Europäische Union (EU) mit ihrem ambitionierten Green Deal für einen klimaneutralen Kontinent im Jahr 2050 nochmals deutlich übertreffen. Sie plant bis dahin eine Verdopplung des Schienengüterverkehrs. Für IHK-Experte Leitner eröffnet die novellierte Richtlinie neue Chancen für den Schienengüterverkehr: »Jetzt müssen die Unternehmen die Initiative ergreifen.« Weil erstmals Instandhaltung und Ersatzinvestitionen unterstützt werden, sollten auch Verlader mit langjähriger Schienenerfahrung eine Teilnahme prüfen.

Lukrative Anschlussförderung

Diese Meinung teilt Friedrich Gitterle (52), Geschäftsführer des Ingenieurbüros Anschlussbahnprofis in Pfaffenhofen an der Ilm. »Mit der Förderung von Instandhaltungen und Ersatzinvestitionen hat die Bundesregierung ein Konzept übernommen, das sich bereits in Österreich bewährt hat.« Jetzt hofft Gitterle, dass das Eisenbahnbundesamt auf eine steigende Zahl von Förderanträgen vorbereitet ist. »Mit der Anschlussförderung haben bereits viele Unternehmen den Einstieg beziehungsweise Wiedereinstieg in den Schienengüterverkehr geschafft«, sagt der Marktkenner.

Ein Beispiel ist die Binderholz GmbH: Vor mehr als zehn Jahren hat das holzverarbeitende Unternehmen einen Gleisanschluss im Gewerbepark Interpark bei Kösching (Landkreis Eichstätt) gebaut. Mittlerweile wurden alle Gleisanschlüsse in den fünf österreichischen und drei süddeutschen Standorten reaktiviert.

Im Frühjahr 2021 eröffnete das Unternehmen nach fast zehn Jahren den Gleisanschluss am Stammsitz in Fügen (Tirol) wieder. Allein diese Maßnahme soll rund 20.000 Lkw-Touren im Jahr überflüssig machen.

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