„Zu viel Gegenwind“

Der Luftverkehr in Deutschland befindet sich immer noch unter Vor-Corona-Niveau. Der IHK-Verkehrsausschuss diskutiert über die Zukunft des Flugverkehrs.
Von Martin Armbruster, IHK-Magazin 05-06/2025
Der Blick über das Rollfeld an diesem Nachmittag verdeutlichte besser als alle Zahlen, welche Bedeutung dieser Flughafen hat. Die IHK für München und Oberbayern hatte Mitte Februar ihren Verkehrsausschuss zur Sitzung in den „Information Security Hub“ des Münchner Flughafens geladen. Auf der Agenda standen Vorträge und eine Diskussion über die Perspektiven des Luftverkehrsstandorts München.
Roland Beck, Leiter Politische Angelegenheiten bei der Flughafen München GmbH (FMG), betonte die wirtschaftliche Bedeutung des Airports: 35.000 Mitarbeiter, in Spitzenzeiten 1.000 Starts und Landungen am Tag, 42 Millionen Flugreisende pro Jahr. In der Umgebung haben sich 500 Unternehmen angesiedelt. Jeder 100. Euro, der in Bayern erwirtschaftet wird, wird am Flughafen verdient.
Auf allen Ebenen investiert
Aus den Negativschlagzeilen des vergangenen Jahres zu riesigen Warteschlangen, Personalmangel und Chaos bei der Gepäckausgabe habe man gelernt, versicherte Beck – und schon 2024 rund 1.800 Mitarbeiter neu eingestellt. In diesem Jahr sollen weitere 500 Einstellungen folgen. „Wir werden ein 5-Sterne-Flughafen bleiben“, kündigte er an. Dafür werde investiert: in Digitalisierung („alles, was geht“), Sicherheit, künstliche Intelligenz, mehr Kameras, ins Terminal 2, in Gepäckförderanlagen, Parkhäuser und ein Mietwagenzentrum. Auch beim Ziel der Klimaneutralität bis 2035 komme die FMG voran – mit Blockheizkraftwerk, Solarflächen und dem Umrüsten auf E-Mobilität.
Mit „Express-Bahn“ Corona-Rückstand aufholen
Die schlechte Schienenanbindung ist jedoch nach wie vor ein Handicap des Flughafens. Die denkbaren Gegenmaßnahmen werden seit Jahren diskutiert: eine „Express-S-Bahn“ in die City, die mit der 2. Stammstrecke realisiert werden könnte. Der große Wunsch wäre ein ICE-Bahnhof mit Anbindung an Ingolstadt. Aus FMG-Sicht ist auch der Ausbau der Schienenstrecke ABS 38 Richtung Südosten lohnend, da Österreich in die Bahnstrecke von Linz nach Mühldorf investiert. Jeder dieser Schritte würde dem Flughafen nutzen – es würde aber auch viel Geld und Zeit brauchen, sie umzusetzen.
Bessere Rahmenbedingungen forderten auch die beiden anderen Referenten: Jan Heile, Sprecher des Flughafenverbands ADV, und Stephan Sellmaier, Verantwortlicher für die Interessenvertretung der Lufthansa in Bayern. Beck, Heile und Sellmaier betonten einen Punkt: Während der Pandemie brach das Geschäft des Münchner Flughafens um 98 Prozent dramatisch ein. Davon hat er sich bis heute nicht erholt. Die Zahl der Flüge liegt bei etwa 85 Prozent des Vor-Corona-Niveaus. Den anderen Airports in Europa geht es hingegen deutlich besser. Dort herrscht heute mehr Betrieb als vor der Pandemie.
Deutsche Airports ächzen unter Kosten und Bürokratie
Über die Gründe waren sich die Referenten einig. Der Luftverkehr Münchens leide unter Standortkosten und Regulierungen. „Wir kämpfen mit zu viel Gegenwind“, klagte Lufthansa-Manager Sellmaier. Verbandssprecher Heile erklärte, was diesen Gegenwind erzeugt. Man stehe im internationalen Wettbewerb mit Flughäfen, an denen man Nachtflugverbot und Begrenzungen des Flugverkehrs nicht kenne. Was München schwäche, seien typisch deutsche Belastungen wie Flugsicherungsgebühr, Luftsicherheitsgebühren, Kerosinsteuer und Luftverkehrsteuer.
Sein Verband stehe selbstverständlich hinter den Klimaschutzzielen, sagte Heile. Nur müssten die international so umgesetzt werden, dass kein Wettbewerbsnachteil für deutsche Flughäfen und Airlines entstehe. Als Beispiel nannte er die seit Januar 2025 geltende Beimischungsquote von fossilfreiem SAF-Treibstoff ins Kerosin. SAF sei in den nötigen Mengen überhaupt nicht zu bekommen und 5- bis 10-mal teurer als Flugbenzin.
„Schwächen uns selbst, und dem Klima bringt es nichts“
Sorgen mache der Branche auch der europäische Green Deal. Von 2027 an werde der Verkehrssektor in den Emissionshandel einbezogen. Heile machte die Rechnung auf: Ein Kurzstreckenflug werde um 7 Euro, ein Langstreckenflug um 70 Euro teurer. „Das tut richtig weh“, betonte der ADV-Sprecher. Er befürchtet, dass Firmen, Geschäftsreisende und Urlauber auf Flughäfen in anderen Ländern ausweichen würden. Unter dem Strich drohe eine verheerende Bilanz: „Wir schwächen uns selbst und dem Klima bringt es nichts.“ Lufthansa-Manager Sellmaier warnte vor einem Albtraumszenario: In München stehen die eigenen Maschinen am Boden, aber die „Carrier aus dem Mittleren Osten fliegen ein“.
Lufthansa hält München die Treue
Nach der geballten Kritik an den Rahmenbedingungen gab es auf der Sitzung auch Positives. Sellmaier bekannte sich klar zum Standort: „München ist unser Premium-Hub. Und das wird auch so bleiben.“ Die Lufthansa habe in München 135 Flugzeuge stationiert, beschäftige 12.000 Menschen und sorge für 2 Drittel des Münchner Flugverkehrs. Allerdings warnte Sellmaier ebenso deutlich, der Politik sei nicht bewusst, wie knapp die Margen in seiner Branche seien. Netto blieben von einem Flugticket nur etwa 8 Euro bei der Lufthansa hängen.
All diese Argumente und Bedenken will Georg Dettendorfer, Vorsitzender des IHK-Verkehrsausschusses, über die DIHK in Berlin in die bundespolitische Diskussion einbringen.