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Pflanzlich statt fossil

BAVARIA petrol ©
An herkömmlichen Tankstellen verfügbar – HVO100

Der Biodiesel HVO100 ist CO2-freundlich und unproblematisch im Einsatz, aber teurer als herkömmlicher Diesel. Wie groß ist sein Potenzial für den Wirtschaftsverkehr?

Von Josef Stelzer, IHK-Magazin 05-06/2025

An der Zapfsäule gibt es ihn seit gut 1 Jahr: Der pflanzenbasierte Kraftstoff HVO100 ist seit Ende Mai 2024 für den freien Verkauf an deutschen Tankstellen zugelassen. Markus Kerndl (46), Geschäftsführer der Tankstellenkette BAVARIA petrol GmbH & Co. KG in Ottobrunn, freut sich über die Neuerung: „Der biogene Kraftstoff bewährt sich als klimaschonende Alternative zu herkömmlichem Diesel und beweist eindrucksvoll, dass man mit Verbrennungsmotoren auch nachhaltig fahren kann.“

An 4 BAVARIA-Standorten in München, Ingolstadt, Brunnthal und Berlin ist HVO100 bereits im Angebot. Weitere sollen folgen. Die Nachfrage entwickle sich gut, sagt Kerndl, der in Bayern und anderen Bundesländern insgesamt 31 Tankstellen betreibt. „HVO100 weist im Vergleich zu herkömmlichem Dieselkraftstoff eine effizientere Verbrennung auf und enthält weniger Schadstoffe wie Schwefel, aromatische Verbindungen oder Schwermetalle, sodass sich die Luftqualität verbessert“, zählt er als Vorteile auf (siehe Kasten unten).

Rest- und Abfallstoffe sinnvoll genutzt

HVO100 (Hydrotreated Vegetable Oil –hydriertes Pflanzenöl) wird aus nachwachsenden Rohstoffen sowie biologischen Rest- und Abfallstoffen wie etwa benutzten Pflanzenfetten oder Klärschlämmen hergestellt. Fossile Beimischungen sind nicht enthalten. Nach Einschätzung des Bundesverkehrsministeriums vermeidet sein Einsatz weitgehend die CO2-Emissionen in der Gesamtbilanz.

Einsatzmöglichkeiten gibt es reichlich: Anfang 2024 waren rund 3,5 Millionen Diesel-Lkws und 14 Millionen Diesel-Pkws in Deutschland zugelassen, so das Kraftfahrt-Bundesamt. Ist HVO100 für Flottenbetreiber und den gewerblichen Verkehr demnach eine gute Alternative zu Normal-Diesel?

Variabel einsetzbar – notfalls im Mix

Die Umstellung zumindest wäre einfach. Im Grunde lässt sich jeder Dieselmotor mit HVO100, das nicht mit herkömmlichem Biodiesel zu verwechseln ist, betreiben. Das an den Tankdeckeln angebrachte Kürzel „XtL“ zeigt an, dass für die Fahrzeuge eine HVO-Freigabe der Hersteller vorliegt. Falls eine solche Freigabe fehlt – etwa für ältere Dieselmotoren, die längst nicht mehr produziert werden –, spricht dies nicht unbedingt gegen die HVO-Betankung.

Hier ist es ratsam, beim Fahrzeughersteller konkret nachzufragen. Möglich sind auch beliebige Beimengungen von HVO100 zu fossilem Diesel.

Auch das Angebot an HVO100 wächst. Der Kraftstoff war im März dieses Jahres bundesweit an mehr als 400 Tankstellen verfügbar, in Europa gibt es ihn bereits an rund 5.400 Tankstellen – Tendenz steigend. Große Mineralölunternehmen produzieren HVO100 in ihren Raffinerien und vertreiben ihn an separaten Zapfsäulen.

Die BP-Tochtergesellschaft Aral AG zum Beispiel bietet ihn in Deutschland seit Ende 2024 an 10 automatischen Dieselstationen an, bis Ende 2025 sollen es rund 40 Standorte werden. Shell Deutschland GmbH und Esso Deutschland GmbH haben an einigen Standorten ebenfalls mit dem Verkauf begonnen.

Im Transportverkehr problemlos

Bei der BayWa AG ist der pflanzenbasierte Kraftstoff mittlerweile an 7 Tankstellen in Bayern verfügbar. „Aufgrund der Anfragen von Logistikunternehmen und Tankkartenherausgebern sehen wir genug Potenzial und Interesse an diesem alternativen Kraftstoff“, erklärt Werner Henzel, Leiter der BayWa-Tankstellen.

Überzeugt vom Nutzen des nachhaltigen Kraftstoffs ist auch Simon Dettendorfer (23), Gesamtbereichsleiter der Treibstoffsparte der Johann Dettendorfer Spedition Ferntrans GmbH & Co. KG in Nußdorf am Inn: „HVO100 kann fossilen Diesel beinahe 1 zu 1 ersetzen.“

Die Spedition setzt drei 40-Tonner im Alltagsbetrieb mit HVO100 ein. „Das klappt absolut problemlos“, sagt Dettendorfer. Sein Zwischenfazit: „Im Transportverkehr eignet sich HVO100 sehr gut als nachhaltige Dieselalternative während der Übergangsphase zur Elektromobilität und zu anderen Antriebstechnologien.“

Ökosprit für Pistenraupen – aber teurer

Die oberbayerische Spedition bezieht den pflanzlichen Treibstoff von diversen Lieferanten wie etwa ENI, Neste, Shell oder BP und vertreibt anschließend den größten Teil davon an Kunden in Bayern sowie in Tirol. Zu den Abnehmern zählen auch Bergbahnen und Skilifte. „HVO100 ist viel kältebeständiger als normaler Diesel“, hat Dettendorfer festgestellt. Kein Wunder also, dass sich der Ökosprit für Pistenraupen in den Skigebieten vielfach bewährt hat.

Einen Nachteil besitzt der Ökodiesel jedoch: Er ist teurer als fossiler Diesel, da die Herstellung etwas mehr kostet. „Bei uns in Deutschland beläuft sich der Preisunterschied auf etwa 10 bis 15 Cent pro Liter, im Einkauf wie im Verkauf“, sagt Dettendorfer.

Zwar entfallen die CO2-Abgaben – der Vorteil für die pflanzliche Dieselalternative wird also umso größer, je mehr die CO2-Steuern auf das fossile Pendant ansteigen. Doch bei der Energiesteuer gilt derselbe Satz wie für herkömmlichen Diesel: jeweils rund 47 Cent pro Liter. Auch bei der Lkw-Maut gibt es keinen Nachlass für den HVO-Einsatz.

Energiesteuer reduzieren als Preisausgleich?

Anders sieht es in Österreich aus. Für HVO100 entfällt dort die Mineralölsteuer. „Eine reduzierte Energiesteuer für HVO100 könnte die Nachteile in der Preisbildung in Deutschland ausgleichen“, betont Elmar Kühn (54), Hauptgeschäftsführer des UNITI Bundesverbands EnergieMittelstand e. V. in Berlin, zu dem rund 1.000 Mitgliedsfirmen gehören.

Durch einen niedrigeren Steuersatz für den Ökodiesel dürften Nachfrage und Produktionsvolumina deutlich ansteigen. „Es gibt genug Altöle und Reststoffe, um die HVO-Produktion rasch um ein Vielfaches hochzufahren“, ist Kühn überzeugt. „Für den Klimaschutz wäre das großartig.“

„Dekarbonisierung kann damit gelingen“

Den Unternehmen kann HVO100 helfen, ihre betrieblichen Gesamtemissionen zu reduzieren und die gesetzlichen Vorgaben zum Klimaschutz einzuhalten. Denn unter bestimmten Voraussetzungen wird der Pflanzendiesel in den Treibhausgasbilanzen berücksichtigt, die auch kleinere Unternehmen immer häufiger aufstellen. Allerdings muss die HVO-Herstellung die Anforderungen der Biokraftstoff-Nachhaltigkeitsverordnung erfüllen.

„Die Dekarbonisierung von Transport- oder Personenverkehren kann mit HVO100 gut funktionieren“, sagt Norbert Ammann, IHK-Referatsleiter Umwelt, Energie, Klima. „Die verbleibenden Emissionen für die Treibhausgasbilanz können mit anerkannten Emissionsfaktoren berechnet werden.“

Stichwort: HVO100

HVO100 ist ein klimafreundlicher Dieselkraftstoff, der durch Hydrierung von biogenen Rohstoffen wie Ölen und Fetten hergestellt wird. Er besitzt gegenüber fossilem Diesel einige Vorteile und ist ihm in vielen anderen Bereichen zumindest gleichwertig:

  • um bis zu 90 Prozent geringere CO2-Emissionen, bezogen auf die Gesamtbilanz (berücksichtigt Pflanzenwachstum, Herstellung sowie Transport)

  • weniger Ausstoß von gesundheitsgefährdenden Schadstoffen wie etwa Stickoxiden, Kohlenwasserstoffen und Kohlenmonoxid 

  • breites Einsatzspektrum zum Beispiel in der Transportbranche und Logistik, für Flottenbetriebe, im Baugewerbe, im öffentlichen Personennahverkehr, für Werksverkehre, in der Land- und Forstwirtschaft oder in der Binnenschifffahrt

  • sehr gute Kälteeigenschaften, die Verbrennung läuft sauberer ab als bei fossilem Diesel, Lagerung auch über lange Zeiträume ohne Qualitätseinbußen möglich
  • Vertrieb über die bestehende Tankstelleninfrastruktur möglich

Quellen: Avia, BayWa, Neste

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