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Marketing für die Ohren
Zunehmend entdecken kleinere Firmen Podcasts – um sich ins Gespräch zu bringen, als Experten zu positionieren oder fürs Recruiting. Worauf es dabei ankommt.
Von Monique Opetz, IHK-Magazin 07-08/2024
„Lasst uns das doch einfach mal probieren.“ So lautete das Credo, als das Marketing- und E-Commerce-Team beim Münchner Einzelhändler Bettenrid GmbH überlegte, einen hauseigenen Podcast auf die Beine zu stellen. Die Idee für den Expertentalk „Besser schlafen – gut einschlafen, erholt aufwachen“ entstand während der Coronazeit 2021. Die Mitarbeitenden fragten sich, wie sie – trotz der geschlossenen Geschäfte – das Thema Schlaf kreativ aufgreifen könnten. Dass die Idee aufging, zeigen knapp 60.000 Downloads für bis heute 23 veröffentlichte Folgen rund um schlaflose Nächte und Schlafkultur.
Knapp jeder 2. Deutsche ab 16 Jahren hört fast 3 Stunden Podcasts pro Woche. Das sind knapp 30 Millionen Menschen laut einer Umfrage des Digitalverbands Bitkom. Dabei landen die Audioinhalte meist nebenbei im Ohr: beim Autofahren, Joggen oder während der Hausarbeit. Konzerne machen sich das Format längst zunutze. Die Allianz Gruppe platziert Versicherungsthemen, die Deutsche Telekom AG spricht über Digitales und die Penguin Random House GmbH interviewt ihre Buchautorinnen und -autoren. Mit Erfolg: Die Verlagsgruppe gewann den Deutschen Podcast Preis 2023 in der neu eingeführten Kategorie Corporate Podcasts.
Junges Medium, großes Potenzial
Auch kleine und mittelständische Unternehmen wie Bettenrid können Podcasts für sich einsetzen – als Marketinginstrument, um Wissen zu vermitteln oder um neue Mitarbeiter zu gewinnen. Konkrete Zahlen zu Corporate Podcasts gibt es indes kaum. Dafür sei das Medium noch zu jung, sagt Stephan Schreyer, Strategic Corporate Audio Advisor und Dozent an der ARD.ZDF medienakademie.
Immerhin: Die Otto Brenner Stiftung fand in einer aktuellen Studie heraus, dass 60 Prozent der Wirtschaftspodcasts, die sich auf der Streaming-Plattform Spotify finden, unter dem Dach von Wirtschaftsunternehmen entstehen. Dabei nutzen fast die Hälfte dieser Unternehmenspodcasts das Ratgeberformat.
Zentraler Hub rund ums Schlafen
So geht auch der Einzelhändler Bettenrid vor: Der Podcast setzt auf eine jährlich stattfindende Eventreihe auf, bei der Wissenschaftler und Experten ihr Know-how weitergeben. „Wir wollen Schlaf in unserer Leistungsgesellschaft zu einem positiven Image verhelfen und ein zentraler Hub für sämtliche Themen rund ums Schlafen werden“, sagt Christiane Hoss-Nurminen, Bereichsleiterin Marketing und E-Commerce bei Bettenrid. Das Unternehmen mit seinen rund 140 Mitarbeitenden wolle den Kunden mehr bieten als nur Produkte und Beratung.
Das könnten beispielsweise Kontakte zu Schlaflaboren sein oder Empfehlungen für Psychologen, Osteopathen und Physiotherapeuten, die sich mit Schlafproblemen beschäftigen. „Wir können uns vorstellen, ein komplettes Netzwerk aufzubauen. Der Podcast ist dabei ein Element“, so Hoss-Nurminen.
Audioformat als verlängerte Kommunikation
Zum Netzwerken nutzt auch Sandra Franz, CEO der Eventagentur family & franz, ihren hauseigenen Podcast: „Amuse & Amore“ möchte kunst- und kulinarisch interessierte Menschen erreichen, die gern hinter die Kulissen blicken und es mögen, „wenn es an der einen oder anderen Stelle menschelt“. Dafür trifft die Unternehmerin Sterneköche, Moderatoren, Schauspielerinnen oder DJs aus ihrem Netzwerk.
Der Podcast erscheint seit März 2024 über „Studio F“, eine Marke ihrer Eventagentur; 14 Folgen sind für die 1. Staffel geplant. „Mit dem Podcast zeigen wir, dass beispielsweise auch Audioformate Teil von Markenbildung sind und als verlängerter Kommunikationsarm eingesetzt werden können“, so Franz.
Ziel seien nicht unbedingt hohe Downloadzahlen. „Klar freuen wir uns, wenn viele Menschen den Podcast hören“, sagt sie. Aber letztendlich sei es so: „Wenn unser Netzwerk davon profitiert und beispielsweise Köche, mit denen wir gesprochen haben, über den Podcast eine Sichtbarkeit oder Buchungen bekommen – dann ist das der Erfolg, den wir damit erzielen wollen.“
Dass sowohl Bettenrid als auch Agenturchefin Franz mit ihren Strategien richtig- liegen, bestätigt Corporate-Audio-Experte Schreyer: „Wer einen Podcast einsetzen möchte, um kurzfristig Sales oder Leads zu generieren, wird keinen Erfolg haben. Dafür ist er als Medium ungeeignet.“ Ein Podcast sei ein Longtailformat, das im besten Fall eine „Community“ hervorbringt und Teil einer ganzheitlichen Kommunikationsklaviatur ist.
Mindestens 12 Monate Laufzeit
Das bedeutet, Unternehmen sollten mindestens 12 Monate Laufzeit und regelmäßige Veröffentlichungen einplanen. Dabei ist die Aufnahme der kleinste Teil beim Podcasten. Viel wichtiger sei es laut Schreyer, ein strategisches Konzept zu erarbeiten: Wer und was soll mit dem Podcast erreicht werden?
Arbeitsaufwand 2-3- Arbeitstage pro Folge
Bettenrid arbeitet seit 2023 mit einer Sound-Branding-Agentur zusammen, um Vermarktung und Reichweite voranzutreiben. Bis jetzt hat der Einzelhändler den Podcast ohne Mediabudget beworben – über die hauseigenen Social-Media-Kanäle oder den Newsletter. Durch eine breitere Vermarktungsstrategie, etwa Sponsored Ads, möchte das Unternehmen noch mehr Menschen erreichen.
2 bis 3 Arbeitstage mit Vor- und Nachbereitung beträgt der Aufwand pro Folge für Bettenrid. Die verantwortliche Mitarbeiterin wählt Themen und Gesprächspartner aus, die Produktion übernimmt die Agentur. Pro Folge müsse mit einem niedrigen 4-stelligen Betrag kalkuliert werden – wobei die Produktion mit dem richtigen Equipment und entsprechendem Know-how auch inhouse funktioniere. Mit den fast 60.000 Downloads ist der Einzelhändler laut Agentur bei den Corporate Podcasts schon sehr gut dabei.
Indirekter Umsatztreiber
Downloads sagen allerdings wenig darüber aus, ob Zielgruppen erreicht oder Podcasts tatsächlich gehört werden. Daher sind sie, ähnlich wie bei family & franz, nicht das primäre Ziel. „Wir wissen, dass wir mit Downloads keinen direkten Kaufimpuls auslösen“, sagt Bettenrid-Marketingexpertin Hoss-Nurminen. „Wir sehen aber an unserer Gesamtperformance der vergangenen Jahre, dass wir in unserem Kernbereich Schlafen ein stabiles Umsatzwachstum haben.“ Auf diesen Erfolg zahlten viele Maßnahmen ein – der Podcast sei eine davon.
Pluspunkt beim Recuiting
Und noch etwas leistet das Audioformat: Es trägt positiv zum Employer Branding bei. Hoss-Nurminen berichtet von Vorstellungsgesprächen, in denen die Bewerber anmerken, dass der Podcast Bettenrid als fortschrittliches Unternehmen auszeichnet. „Als Münchner Traditionshaus freut uns das natürlich besonders.“