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Auf zwei Rädern

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Dienstrad – hält fit und spart Kosten

Unternehmen, die Firmenwagen gegen Dienstfahrräder tauschen, zeigen sich als attraktive Arbeitgeber, denen die Gesundheit ihrer Mitarbeiter und eine intakte Umwelt am Herzen liegen. In der Coronakrise wächst das Interesse der Beschäftigten an solchen Angeboten. 

Stefan Bottler, Ausgabe 06/20

Mehr als 6.000 Mitarbeiter beschäftigt Roche Diagnostics in Penzberg. Die meisten wohnen außerhalb der heutigen Biotechnologiehochburg und pendeln mit Pkw, öffentlichem Nahverkehr (ÖPNV) und Werksbussen zur Arbeit. Während der letzten Jahre sind immer mehr Mitarbeiter auf E-Bikes und andere Zweiräder umgestiegen. »Im Sommer radeln bis zu 1.200 Kollegen zu ihrem Arbeitsplatz«, sagt Wolfgang Schek (55), Mobilitätsbeauftragter des Pharmakonzerns. »Sie nutzen hierfür ein kostengünstiges Leasingangebot, das wir mit unserem Kooperationspartner JobRad entwickelt haben.«

Bei dem Freiburger Dienstleister kann jeder Roche-Mitarbeiter zwei E-Bikes im Wert von jeweils 10.000 Euro für 36 Monate leasen. Weil die Leasingrate vom Bruttogehalt abgezogen wird (sogenannte Barlohnumwandlung), zahlen die Arbeitnehmer weniger Einkommenssteuer. Sie dürfen ihr Dienstrad auch privat nutzen. Den dadurch entstehenden geldwerten Vorteil versteuern sie seit Anfang 2020 nur noch mit 0,25 Prozent der unverbindlichen Preisempfehlung des Rads. Zuvor war dieser Satz mit einem Prozent so hoch wie bei Dienst-Pkw.

Förderprogramme der öffentlichen Hand

Die Roche Diagnostics GmbH liegt mit seinem Dienstfahrradangebot im Trend. Während der vergangenen Jahre konnten Dienstradleasinganbieter wie JobRad, eurorad und BusinessBike zahlreiche bekannte Arbeitgeber von ihrem Service überzeugen. Heute bieten Zehntausende Unternehmen ihren Mitarbeitern Dienstradleasing an. Das Spektrum reicht vom Global Player bis zum Einzelhändler um die Ecke.

Andere Unternehmen nutzen Förderprogramme der öffentlichen Hand, die die Anschaffung von E-Bikes, Pedelecs und sonstigen Fahrrädern mit Zuschüssen unterstützen. Die Stadt München zum Beispiel hat ihr im April 2016 gestartetes Förderprogramm wegen der großen Nachfrage bis Ende 2020 verlängert Allein von Januar bis März dieses Jahres gingen 1.120 neue Anträge ein.

Bis zu einem Drittel weniger Krankheitstage

Viele Unternehmen sehen handfeste Vorteile, wenn sie Mitarbeitern Diensträder anbieten: Sie positionieren sich als attraktiver Arbeitgeber, der mit nachhaltigen Maßnahmen die Gesundheit der Mitarbeiter fördert und Kosten spart. Studien untermauern diese Erfahrungen. So hat die Mobilitätsberatung EcoLibro aus Troisdorf herausgefunden, dass radelnde Mitarbeiter bis zu einem Drittel weniger Krankheitstage melden.
Für Petra Husemann-Roew (56) ist dieses Ergebnis keine Überraschung. »Mit Fahrradfahren kann jeder Mitarbeiter die Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation WHO, mindestens 150 Minuten pro Woche körperlich aktiv zu sein, problemlos in die Tat umsetzen«, sagt die Bayern-Geschäftsführerin des Allgemeinen Deutschen Fahrrad Clubs (AFDC).

Im Coronajahr 2020 hat das Gesundheitsargument besonderes Gewicht. Wenn Arbeitnehmer von Bahnen, Bussen und Fahrgemeinschafts-Pkw aufs Fahrrad umsteigen, senken sie das Ansteckungsrisiko erheblich. Während der Fahrt zum Arbeitsplatz müssen sie kaum Tröpfcheninfektionen fürchten.

Umkleidekabinen und Duschen

Auch die Kostenbilanz fällt erfreulich aus. Wer E-Bikes statt Pkw oder Transporter kauft oder least, spart nicht nur bei der Fahrzeugbeschaffung Geld. Er muss außerdem keine Parkflächen vorhalten. Fahrradständer sind in jedem Fall preiswerter und sparen außerdem Platz. »Jeder Arbeitgeber, der Fahrradmobilität konsequent unterstützen will, sollte zusätzlich in Umkleidekabinen und Duschen investieren«, rät Husemann-Roew. Viele Beschäftigte legen erfahrungsgemäß größere Strecken mit dem Dienstfahrrad zurück und müssen sich vor Arbeitsbeginn frisch machen. Solche Ausgaben sollten allerdings auch kleineren und mittleren Unternehmen nicht schwerfallen.

Online Selbsttest vor Audit zum »Fahrradfreundlichen Arbeitgeber«

»Jeder Betrieb kann in einem Selbsttest online prüfen, ob er ausreichend Punkte für ein erfolgreiches Audit sammeln kann«, ermuntert Husemann-Roew zur Teilnahme an der Zertifizierung zum »Fahrradfreundlichen Arbeitgeber« des ADFCs. Ein Auditor des Verbands checkt vor Ort, wie fahrradfreundlich das Unternehmen tatsächlich ist. Bis April 2020 haben 93 Bewerber das EU-Siegel erhalten. Als erstes bayerisches Unternehmen erhielt Roche Diagnostics das imageträchtige Zertifikat.

Für Mobilitätsexperte Schek ist das Fahrradleasing-Angebot für Mitarbeiter Teil eines umfassenden Mobilitätskonzepts: »Wir wollen mit Videoconferencing Verkehre vermeiden, mit ÖPNV und Werkbus-Shuttles Verkehre verlagern und mit dem Wechsel aufs Fahrrad Verkehre verbessern. « Mit Fahrradleasing möchte der Konzern vor allem Mitarbeiter begeistern, die in Wohnorten mit schlechter ÖPNV-Anbindung leben. »Wenn sie auf ein E-Bike umsteigen, können sie problemlos 15 bis 20 Kilometer am Stück zurücklegen«, sagt Schek.

Servicestation und überdachte Abstellplätze

Außerdem dürfen sie auf dem riesigen Werksgelände in unmittelbarer Nähe ihres Arbeitsplatzes parken. Rund 3.000 größtenteils überdachte Abstellplätze hat Roche eingerichtet. Als Forschungs- und Entwicklungshochburg bietet der Standort ohnehin Duschen und Umkleideräume, zudem gibt es Servicestationen, um Reifen aufzupumpen und kleinere Reparaturen vorzunehmen. Für die Zukunft plant das Unternehmen ein zentrales »Radhaus«, das alle Services unter einem Dach bietet. Schek: »Je mehr Mitarbeiter mit dem Radl kommen, desto wichtiger ist eine solche Wohlfühloase.«

Förderprogramme:

Unternehmen, die auf Lastenräder umsteigen wollen, können Fördergelder beantragen. Der Bund fördert Lastenfahrräder und -anhänger mit Elektroantrieb mit bis zu 30 Prozent beziehungsweise maximal 2.500 Euro pro Fahrzeug. Anträge sind beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle einzureichen.

Die Stadt München unterstützt den Kauf von zwei- oder dreirädrigen Lastenpedelecs mit maximal 1.000 Euro beziehungsweise 25 Prozent des Nettopreises. Das Programm läuft bis Ende 2020. Infos online.

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