Auftakt nach Maß

Das Plenum wählt auf seiner konstituierenden Sitzung Klaus Josef Lutz zum neuen IHK-Präsidenten. Der Bayerische Ministerpräsident Markus Söder bietet die Fortsetzung der exzellenten Zusammenarbeit an.
Martin Armbruster, Ausgabe 07/2021
Rekorde, Bestmarken, Aufbruch, ein großer Abschied, Wahl eines neuen Präsidenten und des Präsidiums plus Ministerpräsident Markus Söder (CSU) als »Überraschungsgast« – die konstituierende Sitzung der IHK-Vollversammlung am 30. Juni bot so ziemlich alles, was eine denkwürdige Veranstaltung ausmacht.
Daran hatte auch die Location ihren Anteil. Die neue Vollversammlung tagte im Paulaner am Nockherberg, bundesweit bekannt für Starkbieranstich und Politiker-Derblecken. Gastgeber Christian Schottenhamel sorgte für einen perfekten Einstieg – mit seinem persönlichen Dank an die IHK.
Seit 472 Tagen leide das Gastgewerbe unter Lockdown oder Coronaauflagen, rechnete Schottenhamel vor. Die IHK für München und Oberbayern habe als bayerische Bewilligungsstelle der Überbrückungshilfen ermöglicht, dass viele Gastronomiebetriebe die Krise überleben konnten. Eine Leistung, die bundesweit ihresgleichen suche.
6 Milliarden Euro Bundeshilfen an 250.000 Unternehmer ausgezahlt
Ministerpräsident Söder und IHK-Hauptgeschäftsführer Manfred Gößl unterstrichen das mit Zahlen. Demnach hat die IHK rund sechs Milliarden Euro Bundeshilfen an 250.000 Unternehmen und Selbstständige in Bayern ausgezahlt. Söder sprach von »exzellentester Arbeit«. »Ohne die IHK wäre Bayern nicht so gut durch die Krise gekommen«, betonte der Ministerpräsident.
Als Folge ist die Wertschätzung für die IHK-Arbeit spürbar gestiegen. Wahlleiter Detlef Dörrié sagte in seinem Rückblick auf die IHK-Wahl, die IHK habe in puncto Qualität ihrer Arbeit überzeugt. Dies und die Möglichkeit, neben der Briefwahl erstmals auch online abstimmen zu können, habe sich ausgezahlt – mit 56.204 abgegebenen Stimmen. Das sind über 40 Prozent mehr als bei der Wahl 2016 und ein historisches Allzeithoch.
Die weiblichste und jüngste Vollversammlung jemals
Was Dörrié an Ergebnissen vortrug, konnte man im Paulaner-Festsaal sehen und spüren. Mit einem Frauenanteil von 46 Prozent und einem Durchschnittsalter von knapp 48 Jahren hat die größte deutsche IHK die weiblichste und jüngste Vollversammlung ihrer Geschichte. Ein Großteil der Mitglieder wollte persönlich beim Auftakt mit dabei sein.
Mit Spannung erwartet wurde vor allem die Klärung einer Frage: Wer wird die neue Präsidentin beziehungsweise der neue Präsident der IHK? Folgende Kandidatinnen und Kandidaten stellten sich zur Wahl: Martin Blankemeyer, Alexander Hof, Anna-Maria Klinke, Klaus Josef Lutz und Günes Seyfarth. Fünf Bewerberinnen und Bewerber für das höchste Ehrenamt der IHK – das gab es noch nie. Aber zuvor gab es noch einen großen Abschied.
Nach einer Amtszeit von knapp acht Jahren hielt der scheidende 18. Präsident der IHK-Geschichte seine letzte Rede. Eberhard Sasse gratulierte den Vollversammlungsmitgliedern zu ihrem Wahlerfolg und erinnerte sie an ihre Verantwortung. »Sie stellen die Weichen, wie sich die größte IHK im Lande positioniert und wohin sie sich bewegt.«
Familienunternehmen wichtig für die Wirtschaft
Ihm sei es als IHK-Präsident vor allem darum gegangen: sichtbar machen, wie wichtig Familienunternehmen für die Wirtschaft sind. Während sich im Festsaal die potenziellen Nachfolgekandidaten dem Plenum vorstellten, bedankten sich auf Twitter prominente Follower für Sasses Arbeit. Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW) twitterte »danke für Deine hervorragende Arbeit«; die beiden Fraktionsvorsitzenden im bayerischen Landtag, Martin Hagen (FDP) und Katharina Schulze (Grüne), lobten Sasses Engagement und den offenen Gedankenaustausch. »Sie waren eine ungemein starke Stimme für die IHK München!«, schrieb die Europaabgeordnete Angelika Niebler (CSU) aus Brüssel. Ein Beweis für den politischen Stellenwert der IHK.
Dramatische Umwälzungen für jedes Unternehmen
Genau daran will Klaus Josef Lutz, der neue Präsident der IHK für München und Oberbayern, anknüpfen. Mit 49 Stimmen gewann er die Wahl klar vor der Zweitplatzierten Günes Seyfarth (23 Stimmen). Der Wandel zu einer nachhaltigen sozialen Marktwirtschaft stand bei den Kandidaturstatements im Fokus. Aber nur Lutz betonte, wie dringend dafür eine starke politische Vertretung des Gesamtinteresses der gewerblichen Wirtschaft ist – in München, in Berlin und auch in Brüssel, wo heute 85 Prozent aller wirtschaftsrelevanten Gesetze entstünden. Lutz erklärte, dass die dramatischen Umwälzungen im Zuge von Green Deal und Sustainable Finance jedes Unternehmen in Europa zu spüren bekomme.
Intensive und konstruktive Politikberatung
Als neuer Präsident der IHK für München und Oberbayern und gleichzeitig der bayerischen IHKs (BIHK) will Lutz daher auf ebenso intensive wie konstruktive Politikberatung setzen. Sein Hauptziel: der Wirtschaft nach Corona ermöglichen, Fahrt aufzunehmen, die Unternehmen von der Flut an Gesetzen und Regulierungen zu entlasten.
»Team Vielfalt« am Start
»Ich mache das nicht allein, das mache ich mit einem starken Team, das die Zusammensetzung der Vollversammlung widerspiegelt«, sagte Lutz. Für die Wahl des neuen Präsidiums präsentierte er dem Plenum einen perfekt vorbereiteten Vorschlag: das »Team Vielfalt«. Eine Liste von Unternehmerinnen und Unternehmern, die für beides steht: Aufbruch und Kontinuität. Dieses Team ist paritätisch besetzt, in ihm finden sich neue und langjährige Plenumsmitglieder aus München und aus den oberbayerischen Regionen, alle Unternehmensgrößen und eine breite Palette an Branchen.
Wirtschaftsjuror mit Gaststatus im Präsidium
Es gab fünf weitere Bewerber, aber letztlich fand das Plenum das »Team Vielfalt« überzeugend. Alle Kandidaten wurden schließlich gewählt. Zusätzlich hat das Plenum die beiden Regionalausschuss-Vorsitzenden Otto Heinz und Peter Inselkammer ins Präsidium gewählt. Erstmals wird auf Vorschlag des neuen Präsidenten auch ein Vertreter der Wirtschaftsjunioren mit einem Gaststatus in dieses Spitzengremium einziehen.
»Klimaschutz und Wohlstand zusammenbringen«
Die IHK hat an diesem Nachmittag alle wichtigen Weichen gestellt, sie ist bereit für die nächsten großen Aufgaben, die anstehen. Überraschungsgast Söder und Hauptgeschäftsführer Gößl blickten schon einmal Richtung Bundestagswahl. Für den Ministerpräsidenten ist klar: Wir müssen die Wirtschaft beleben, nicht einschläfern. Söder versprach Dinge, die man in der Wirtschaft gerne hört: keine Vermögensteuer, keine Verschärfung der Erbschaftsteuer, dafür steuerliche Entlastung und Senkung der Strompreise. Die große Aufgabe, vor der man stehe: »Wir müssen Klimaschutz und Wohlstand zusammenbringen«, sagte Söder.
Gößl kündigte an, mit dem neuen IHK-Präsidenten Klaus Josef Lutz werde die IHK im Vorfeld der Bundestagswahl in Kernfragen der Wirtschaft Position beziehen und Gespräche mit den Spitzenkandidaten aller Parteien führen, die eine Chance auf den Einzug in den Bundestag haben. Gößl nannte die Punkte, bei denen die Unternehmer laut einer IHK-Blitzumfrage vorrangigen Handlungsbedarf sehen: Bürokratie, Energiepreise, Unternehmensbesteuerung, Digitalisierung.
Eine schöne Geste gab es dann auch noch im Paulaner-Festsaal: Mit überwältigender Mehrheit wurde Eberhard Sasse zum Ehrenpräsidenten gewählt und Detlef Dörrié nach 30 Jahren Mitgliedschaft in der Vollversammlung zum Ehrenmitglied.
Das neue Präsidium
Präsident
Klaus Josef Lutz
Vorstandsvorsitzender der BayWa AG, München
Vizepräsidenten
Dominik Biersack
Geschäftsführer Biersack Geschäftsführungs-GmbH, Technologie GmbH & Co. KG, Beilngries
Georg Dettendorfer
Geschäftsführer der Johann Dettendorfer Spedition, Ferntrans Verwaltungsgesellschaft mbH, Nußdorf a. Inn
Karin Elsperger
München
Johannes Hauner
Prokurist der Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH, München
Otto Heinz
Geschäftsführer der Heinz GmbH, HEINZ Entsorgung GmbH & Co. KG., Moosburg a.d.Isar
Peter Inselkammer
Pers. haftender Gesellschafter der Platzl Hotel Inselkammer KG, München
Ingrid Obermeier-Osl
Geschäftsführerin der Franz Obermeier GmbH, Schwindegg
Carola von Peinen
Geschäftsführerin der Talents4Good GmbH, München
Florian Schardt
Geschäftsführer der fme Unternehmensbeteiligungen GmbH, Ottobrunn
Dagmar Schuller
Geschäftsführerin der audEERING GmbH, Gilching
Renate Waßmer
Vorstandsvorsitzende der Sparkasse Bad Tölz-Wolfratshausen, Bad Tölz
Kathrin Wickenhäuser-Egger
Vorstandsmitglied der Wickenhäuser & Egger AG, München