Gemeinsam mehr Erfolg

Öffentliche Institutionen in ganz Europa vergeben Aufträge, die für bayerische Unternehmen attraktiv sein können. Das Auftragsberatungszentrum Bayern (ABZ) unterstützt Firmen, die dieses Feld für sich erschließen wollen.
STEFAN BOTTLER, Ausgabe 10/2022
Autobahnvignetten, Feinstoffplaketten, Parkpickerl, Versicherungskennzeichen – solche und andere Security-Produkte sind immer wieder Gegenstand von öffentlichen Ausschreibungen und Auftragsvergaben in Europa.
Seit den 1990er-Jahren bewirbt sich die Schreiner Group GmbH & Co. KG in Oberschleißheim regelmäßig im Ausland um solche Projekte. Fast immer kooperiert das Unternehmen dabei mit einem regionalen Partner. Mal tritt dieser als Generalunternehmer auf, mal übernehmen die Oberbayern selbst die volle Verantwortung und reichen alle Unterlagen ein. »Bei der Akquise im Ausland arbeiten wir generell mit lokalen Systemintegratoren zusammen«, betont Roland Schreiner (52), geschäftsführender Gesellschafter. Dabei kann die Schreiner Group auf ein Netzwerk zurückgreifen, das sie über Jahrzehnte hinweg aufgebaut hat.
600 internationale Partner im Netzwerk
Für Angelika Höß, stellvertretende Geschäftsführerin des Auftragsberatungszentrums Bayern (ABZ) e.V, hat Schreiner damit die entscheidende Erfolgsformel für die internationale Akquise öffentlicher Aufträge genannt: »Ohne einen Partner, der im jeweiligen Land bereits Erfolg hat, stehen Bewerber häufig auf verlorenem Posten.« Das von den bayerischen Industrie- und Handelskammern (BIHK) und Handwerkskammern (HWK) gegründete ABZ unterstützt Unternehmen, die mit öffentlichen Aufträgen im In- und Ausland wachsen wollen. Es ist auch Partner des Enterprise Europe Network (EEN). Über 600 internationale Partner mit rund 4.000 Mitarbeitern unterstützen das 2008 von der Europäischen Kommission gegründete Netzwerk.
Feinheiten in Formulierungen entscheiden oft
Jedes Unternehmen kann für einen öffentlichen Auftrag, um den es sich bewerben will, einen geeigneten Partner suchen. »Der ideale Kandidat für eine Zusammenarbeit bewegt sich auf Augenhöhe mit dem Bewerber, kann Dienstleistungen vor Ort als Subunternehmer übernehmen und hat bereits selbst öffentliche Aufträge akquiriert«, so Höß. Außerdem hilft ein solcher Partner bei der Anfertigung der Bewerbungsunterlagen. »Hier sind bis in einzelne Formulierungen hinein Feinheiten zu beachten, die einem ausländischen Unternehmen häufig verborgen bleiben«, sagt ABZ-Projektleiterin Blanca Stricevic.
Die acht ABZ-Mitarbeitenden beraten die Unternehmen während des gesamten Akquisitionsprozesses. Sie informieren über das öffentliche Auftragswesen in den jeweiligen Ländern und bewerten Papiere, welche die Fachkunde und Leistungsfähigkeit der Bewerber unter Beweis stellen (Präqualifizierung). Zudem bieten sie Webinare und andere Informationsveranstaltungen rund um öffentliche Aufträge an (siehe IHK-Veranstaltungstipps unten).
Riesiges Potential EU-weit
Das Potenzial öffentlicher Aufträge ist riesig. In der Europäischen Union machen sie geschätzt mehr als 16 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus. Die EU hat mehrere Schwellenwerte für öffentliche Aufträge festgelegt. So müssen Behörden alle Liefer- und Dienstleistungen ab 215.000 Euro Auftragsvolumen europaweit ausschreiben. Für Bauprojekte gilt dies ab einem Wert von 5.328.000 Euro.
»Anforderungen variieren von Land zu Land stark«
Über ein halbes Dutzend Portale informieren über europaweite Aufträge, so Höß. Sobald auch ein Partner aus dem jeweiligen Land gefunden ist, beginnt der wohl kniffligste Teil der Bewerbung: Das Unternehmen muss die Unterlagen zusammenstellen und ein konkretes Angebot errechnen. »Die Anforderungen variieren von Land zu Land stark«, weiß Höß. Über Zahlen zu Umsatz und Mitarbeitern hinaus müssen die Bewerber Unbedenklichkeitsbescheinigungen und Referenzen über vergleichbare Projekte vorlegen. Häufig werden sie auch zu Versicherungsnachweisen, Mitgliedschaften in Berufsgenossenschaften oder konkreten Vertragsbedingungen befragt und müssen Eigenerklärungen zu ihren Steuerzahlungen vorlegen.
Einschätzung landestypischer Eckdaten
Spätestens bei der Kalkulation des Auftragsangebots zahlt sich die Zusammenarbeit mit einem Partner aus, der landestypische Eckdaten gut einschätzen kann. Denn viele Auftraggeber würden ihre Karten nicht wirklich offenlegen, sagt ABZ-Leiterin Höß.
Fehlersuche
Kommt ein Bewerber nicht zum Zug, sollte er in jedem Fall eine Nachverfolgung in Erwägung ziehen. Häufig werde dabei sichtbar, ob ein Bieter an unvollständigen Unterlagen, hohen Preisen oder fehlender Qualität gescheitert ist – wichtige Informationen für die nächste Bewerbung.
Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass vor allem Unternehmen, die in Nischenmärkten tätig sind oder grenznahe Standorte aufgebaut haben, sich Chancen ausrechnen dürfen. Viel hängt auch von der Strategie ab. So kann es für einen Einsteiger durchaus Sinn machen, seinen internationalen Partner als Generalunternehmer ins Feld zu schicken und diesem die Bearbeitung der Bewerbungsunterlagen zu überlassen.
Regionaler Partner als Generalunternehmer
Mit diesem Konzept fahren auch erfahrene Unternehmen wie die Schreiner Group gut. Seit Anfang 2022 stellt der Spezialist für Hightech-Labels Autobahnvignetten für die Schweiz her. Als Generalunternehmer tritt eine regionale Spezialdruckerei auf. Die Eidgenossen wünschten eine Technologie, welche die bisherigen Produkte in puncto Wetterfestigkeit und Manipulationssicherheit nochmals verbessert, und gaben ein Volumen von zehn Millionen Exemplaren im Jahr in Auftrag. Sie erwarten nicht nur pünktliche Produktion und Lieferung, sondern auch sichere Lagerung und Verteilung im Land. Vor allem Letzteres ist Schreiner zufolge ohne regionalen Partner kaum zu leisten.
Unerwartete Anfragen
Das Oberschleißheimer Unternehmen ist schon so lange in öffentlichen Auslandsmärkten tätig, dass es sich sogar über völlig unerwartete Anfragen freuen darf. Vor wenigen Monaten baten die Verkehrsbehörden des Kosovo um ein Angebot für ein drittes Fahrzeugkennzeichen, das auf der Innenseite der Windschutzscheibe befestigt werden soll. Weil in dem Balkanstaat mit zwei Millionen Einwohnern viele nicht zugelassene Pkws fahren – die Rede ist von über 200.000 Fahrzeugen –, wollten sich die Behörden nicht allein auf klassische Aluminiumkennzeichen verlassen und wünschten eine diebstahlsichere Lösung mit modernen Sicherheitstechnologien. Schreiner kooperierte mit einem lokalen Partner und reichte ein Angebot ein. Jetzt übernimmt der Partner an 37 Ausgabestellen die Personalisierung und Ausgabe der zusätzlichen Kennzeichen.
Service: Kostenfreie Webinare zu öffentlichen Aufträgen
Das Auftragsberatungszentrum Bayern vermittelt Unternehmen in Onlineveranstaltungen wertvolle Informationen und Hinweise rund um öffentliche Aufträge.
Die nächsten Webinare:
Schritt für Schritt zur erfolgreichen Teilnahme am öffentlichen Markt
Termin: 15. November 2022, 9:30 - 11 Uhr, online
Mit Bieterfragen bessere Chancen für Ihr Angebot
Termin: 7. Dezember 2022, 9:30 - 10:30 Uhr, online
Weitere Informationen und Anmeldung auf der Webseite des ABZ.