Standortpolitik

Gelungener Kraftakt

Bewährungsprobe für das Schutzkonzept – Abschlussprüfung im IHK-Stammhaus in München

Wegen Corona fanden die Abschlussprüfungen der Azubis im Sommer unter besonderen Vorsichtsmaßnahmen statt. Der Aufwand war gewaltig. Dafür liegt jetzt ein Schutzkonzept vor, das den Praxistest erfolgreich bestanden hat.

Sabine Hölper, Ausgabe 09/20

Prüfungszeiten sind extrem anstrengend für die Teilnehmer. Sie haben lange gelernt, um in den mündlichen und schriftlichen Tests möglichst gut abzuschneiden. Kein Wunder, dass Aufregung und Anspannung in den letzten Wochen vor den Abschlussprüfungen für die 11.774 Auszubildenden am Ende der beruflichen Ausbildung gewaltig ansteigen, sagt Thomas Stöhr, Abteilungsleiter Prüfungen bei der IHK für München und Oberbayern.

Fünffacher Bedarf an Prüfungsräumen

In diesem Jahr jedoch standen nicht nur die Azubis unter besonderem Druck. Die Coronakrise setzte die Prüfer und übrigen Verantwortlichen ebenfalls unter beträchtlichen Stress: Denn Prüfungen unter den strengen Auflagen des Infektionsschutzes sind völlig neu und wurden so nie geprobt. »Die Abschlussprüfungen im Juni waren die aufwendigsten IHK-Prüfungen in der gesamten Geschichte«, berichtet Alex Schaurer, IHK-Referatsleiter technisches Prüfungswesen. »Allein für die 8.573 Absolventen der kaufmännischen Ausbildungsberufe hatte sich aufgrund der Schutz- und Hygienemaßnahmen der Bedarf an Prüfungsräumen in München und Oberbayern auf gut 470 verfünffacht«, sagt Andreas Herrmann, Referatsleiter kaufmännisches Prüfungswesen.

Hohe Selbstdisziplin

Der Aufwand hat sich immerhin gelohnt. Alles hat »gut funktioniert«, so Schaurer, »besser als erwartet«. Somit steht jetzt ein funktionierendes Schutzkonzept zur Verfügung, sollte dies für die anstehenden Prüfungen im Herbst erforderlich sein. Dass trotz Corona die Prüfungen reibungslos stattfinden konnten, ist das Verdienst aller Beteiligten. Schaurer lobt die »Selbstdisziplin der Teilnehmer«, alle Prüflinge hatten zum Beispiel eigene Masken dabei. Gleichzeitig hätte das Coronakonzept ohne den großen Einsatz der Ausbilder und Prüfer in den Unternehmen kaum umgesetzt werden können.

Engagierte und uneingeschränkte Unterstützung

Herrmann dankt den Aufsichten und Prüfern für ihre engagierte und uneingeschränkte Unterstützung, zumal insbesondere ein Vielfaches an Aufsichtsleitungen erforderlich war. Wie viel mehr Zeit diese aufwenden mussten, beschreibt Erich Veigl, Ausbildungsleiter Chemie/Physik im Berufsbildungswerk der Wacker Chemie AG in Burghausen: Während in normalen Zeiten eine kurze telefonische Abstimmung mit der IHK im Vorfeld der Prüfung ausreicht, »haben wir uns diesmal gleich drei Mal für mehrere Stunden zu Besprechungen in meinem Büro getroffen«.

Prüfer mit schlaflosen Nächten

Veigl (59) ist seit 31 Jahren Mitglied im Prüfungsausschuss. Sorgen vor oder während einer Abschlussprüfung haben ihn in dieser Zeit noch nie geplagt. Doch in diesem Sommer habe er »schlaflose Nächte« verbracht, sagt er. Grund dafür waren Vorfälle wie dieser: Am zweiten Tag der Prüfungen kam die Meldung, dass ein Auszubildender Fieber habe und sich habe testen lassen. Musste womöglich die gesamte Mannschaft in Quarantäne? Allen Arbeitskollegen des potenziellen Patienten wurde auferlegt, Kontakte zu vermeiden und besonders vorsichtig zu agieren. Erst zwei Tage später kam die Entwarnung: Der junge Mann wurde negativ auf Covid-19 getestet.

Verschiedene Szenarien durchspielen

Aber auch die Planung der Prüfungen »war diesmal extremst schwierig«, sagt Veigl angesichts der vielen neuen Fragen. Was müssen wir tun, wenn es einem Prüfling nicht gut geht? Was machen wir, wenn eine weitere Regelverschärfung kommt? Weil außerdem nicht vorhersehbar war, was alles passieren könnte, mussten verschiedene Szenarien durchgespielt werden. Hinzu kam, dass alle Prüfungen bundesweit zu den gleichen Terminen einheitlich durchgeführt werden mussten.

30 Prozent mehr Prüfungsaufsichten notwendig

Eine weitere Aufgabe bestand darin, mehr und größere Räumlichkeiten als sonst zu finden. Der Mindestabstand musste schließlich gewahrt werden. Bei Wacker wurde deshalb erstmals auch die Mehrzweckhalle als Prüfungsort mit einbezogen. Neben dem Berufsbildungswerk und dem Sportpark stand somit eine dritte Halle zur Verfügung. Zusätzliche Prüfungsorte erfordern allerdings auch zusätzliche Prüfer. Veigl schätzt, dass rund 30 Prozent mehr Leute als sonst gebraucht wurden. Ist es schon in normalen Zeiten nicht immer einfach, genügend Prüfer zu finden, wurde dies während der Coronakrise zu einer besonderen Herausforderung. Schließlich scheuten manche das vermeintliche Ansteckungsrisiko oder Firmen fürchteten, dass wichtige Mitarbeiter möglicherweise länger ausfallen könnten.

Aufatmen aller Verantwortlichen

»Wir haben wirklich versucht, alle zu mobilisieren«, sagt Veigl. Mit Erfolg. Nach dem letzten Prüfungstag konnten alle Verantwortlichen aufatmen. Kann man daraus folgern: Ende gut, alles gut? Ja und nein, meint Veigl. Natürlich sei es eine großartige Leistung, dass die Prüfungen abgenommen werden konnten. Dennoch findet er, dass die Einschnitte zu groß gewesen seien, um einfach darüber hinwegzugehen. Niemand könne sich wünschen, dass die nächsten Prüfungen im Herbst und Winter unter ähnlich schwierigen Bedingungen stattfinden. Selbst die engagiertesten Menschen wünschen sich Normalität zurück. Vielleicht wird es auch so kommen.

Vielleicht kommt aber auch eine zweite Welle und damit ein ähnliches Szenario wie bei den Sommerprüfungen. »Das Schlimmste, was uns passieren kann, ist, dass wir die gleichen Auflagen wie im Juni wieder umsetzen müssen«, sagt IHK-Experte Schaurer. Immerhin ließe sich dann aber auf ein erprobtes Schutzkonzept zurückgreifen.

Verwandte Themen