Fachkräfte | Standortpolitik

Berufsorientierung, ganz praxisnah

Thorsten Jochim ©
Gute Erfahrungen – Ausbilderin Katharina Willared (l.) mit AusbildungsScout Ronja Berger von Körber Pharma Inspection

Die IHK AusbildungsScouts wollen die berufliche Orientierung von Schülern verbessern. Wegen des großen Erfolgs geht das Projekt in die vierte Runde – mit einigen Neuerungen.

Von Sabine Hölper, IHK-Magazin 09/2024
 
Ronja Berger hat das 2. Ausbildungsjahr zur Technischen Produktdesignerin soeben hinter sich. In den vergangenen 2 Jahren hat sie eine Menge gelernt – unter anderem wie man vor Schulklassen Vorträge über den eigenen Beruf und sein Unternehmen hält. Schon rund 15-mal war sie in einer Schule im Umkreis ihres Arbeitgebers Körber Pharma Inspection GmbH mit Sitz in Markt Schwaben im Einsatz.
 
Die junge Frau ist eine von bayernweit fast 6.000 IHK AusbildungsScouts, die seit Projektbeginn 2015 Schulklassen der Vorabgangsjahrgänge an allgemeinbildenden Schulen besucht haben. Nicht nur sie und ihre Ausbilderin Katharina Willared bei Körber in der Konstruktion sind begeistert von dem Projekt. Die AusbildungsScouts kommen auch bei den Schülern – und den Lehrern – gut an, weil sie sehr anschaulich und praxisnah von Beruf und Arbeitsleben berichten können.

Berufspraxis ins Klassenzimmer bringen

Wegen des großen Erfolgs wurde das Projekt gerade um weitere 3 Jahre bis 2027 verlängert. Die bayerischen IHKs (BIHK), darunter auch die IHK für München und Oberbayern, tragen mit 3 Millionen Euro rund 60 Prozent der Kosten. Das Bayerische Wirtschaftsministerium fördert das Projekt mit 2 Millionen Euro.
 
„Die Schülerinnen und Schüler sind unsere zukünftigen Fachkräfte. Mit den Besuchen der AusbildungsScouts in den Klassenzimmern kommt die Praxis in die Berufsorientierung“, sagt BIHK-Chef Manfred Gößl. „Die Scouts geben Einblicke in die vielfältige Berufswelt im IHK-Bereich.“ Für Bayerns Wirtschaftsstaatssekretär Tobias Gotthardt (FW) sind die AusbildungsScouts „ein Leuchtturmprojekt bei der Gewinnung von Arbeitskräften und gerade vor dem Hintergrund der vielen unbesetzten Lehrstellen ein ganz großer Trumpf“.

Bessere Azubiquote dank der Scouts

In der Tat ist die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge in Industrie, Handel und Dienstleistungen 2023 gegenüber dem Vorjahr deutlich um 5,2 Prozent gestiegen. Daran haben auch die AusbildungsScouts ihren Anteil. Der Bedarf an Nachwuchskräften ist jedoch weiterhin sehr groß. Fast 12.000 Lehrstellen in Bayern blieben zuletzt unbesetzt. „Eine Umfrage im vergangenen Jahr hat klar gezeigt, dass die Unternehmen mehr Unterstützung brauchen“, sagt Barbara Winbeck, Referatsleiterin BIHK Berufliche Bildung. „Sie haben den Wunsch nach mehr AusbildungsScouts geäußert.“
 
Diesem Wunsch kommt die neue Runde nach. So steht jetzt mehr Personal zur Verfügung, etwa um eine größere Anzahl von angehenden AusbildungsScouts auf ihren Einsatz in den Schulen vorbereiten und mehr Klassenbesuche durchführen zu können. Laut BIHK-Expertin Winbeck wird aber vor allem qualitativ aufgestockt. So entwickelt ihr Team neue Materialien, die auf die Generation Alpha der ab 2010 Geborenen zugeschnitten sind. Das ist die Generation, die von (Klein-)Kindesbeinen an mit dem Smartphone vertraut ist. Entsprechend sollen beispielsweise mehr Inhalte über Kurzvideos vermittelt werden.

Eltern offensiver ansprechen

Außerdem werden die Besuche der Azubis in den Schulklassen interaktiver, mit Workshops oder lockeren Interviews zwischen den AusbildungsScouts. Denn in der Regel besuchen 2, manchmal sogar mehr Scouts eine Klasse gemeinsam, sodass unterschiedliche Berufe und damit auch unterschiedliche Interessen der Schüler abgedeckt werden.
 
Eine weitere Neuerung ist die verstärkte Fokussierung auf die Eltern. Sie spielen bei der Berufsorientierung von jüngeren Schülern eine entscheidende Rolle. Bereits seit 2018 berichten daher ehemalige Azubis, die IHK KarriereScouts, auf Elternabenden über den hohen Wert der beruflichen Ausbildung. Jetzt bringt das Projekt verstärkt Ausbilder und Eltern zusammen.

Zeigen, wie modern Ausbildung ist

„Viele Eltern haben Vorstellungen von der Ausbildung, die nicht unbedingt mit der Realität übereinstimmen“, erklärt BIHK-Expertin Winbeck. „Einige denken, ihr Kind müsse Hilfsarbeiten erledigen.“ Mit diesen Vorurteilen wolle man aufräumen und stattdessen zeigen, wie modern eine Ausbildung heute ist, wie Auszubildende fachlich und in ihrer Entwicklung gefördert werden und welche Rolle die Ausbilder haben. Winbeck: „In der Regel kümmert sich ein Ausbilder um maximal 3 Jugendliche. Im Gegensatz dazu steht im Hörsaal ein Professor vor bis zu 500 Studierenden.“

Austausch mit Lehrern verstärken

Auch Lehrer, die in der Regel selbst nie eine Duale Ausbildung absolviert haben, will das Projekt AusbildungsScouts noch stärker ansprechen. Vor allem jene Lehrkräfte, die in den Klassen zu den Themen Berufsorientierung und Berufswahl unterrichten, sollen laut Winbeck mit mehr Informationen ausgestattet werden. „Außerdem gehen wir stärker in den Austausch mit ihnen“, sagt die BIHK-Expertin. All diese Maßnahmen dienen dazu, das Image der beruflichen Ausbildung weiter zu verbessern. Das ist angesichts des wachsenden Fachkräftemangels wichtig.

Kompetenzschub für die Scouts

Körber-Ausbilderin Willared begrüßt das. „Aus den Einsätzen ergeben sich möglicherweise Praktika in unserem Unternehmen“, sagt sie. Aber auch die AusbildungsScouts würden profitieren. „In der Abschlussprüfung müssen sie einen Vortrag halten. Das gelingt den Scouts durch die Übung besser.“ 

IHK-Info zu AusbildungsScouts

Die IHK AusbildungsScouts sind Auszubildende aller Ausbildungsberufe im Zuständigkeitsbereich der IHK, die ihre Berufe in Vorabgangsklassen allgemeinbildender Schulen vorstellen und den Schülerinnen und Schülern die Berufsausbildung näherbringen. Das Projekt wurde 2015 ins Leben gerufen und ist bayernweit angelegt.

Die bisherige Bilanz der Initiative ist beeindruckend:

  • Derzeit aktive AusbildungsScouts: 1.140
  • AusbildungsScouts insgesamt: 5.937
  • Unternehmen, die bisher teilgenommen haben: ca. 1.600
  • Schulen, die sich beteiligt haben: ca. 950
  • Derzeit aktive KarriereScouts: 82
  • KarriereScouts seit Start 2018: 120
  • Durchgeführte Vorbereitungsseminare für neue Scouts: 699
  • Besuchte Schulklassen: 8.478
  • Dort erreichte Schüler: 197.907

(seit 2015; Stand: Juni 2024)

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