Einarbeitung mit Fingerspitzengefühl

Das neue Ausbildungsjahr hat begonnen: Damit sich die neuen Azubis von Anfang an wohlfühlen, sich gut integrieren und bleiben, kommt es auf die ersten Tage an.
Von Sabine Hölper, 9/2025
Jedes Jahr bildet Anton Wittmann, Inhaber der Antonius Schweige in Ingolstadt, einen jungen Menschen zum Koch aus. Auch in diesem Jahr wieder. Dabei gibt Wittmann sich immer viel Mühe, den jeweils neuen Azubis ein Klima des Willkommens und der Wertschätzung zu bereiten und sie gut in den Betrieb zu integrieren. Er überstürzt nichts, gibt ihnen Zeit.
Zuallererst zeigt er seinen angehenden Köchinnen und Köchen den Betrieb, macht sie mit den anderen Beschäftigten bekannt, fragt sie, was sie zuerst wissen und kennenlernen möchten. Außerdem lässt er sie nicht sofort „mit Vollgas in der warmen Küche arbeiten“, sondern weist ihnen einen Platz im ruhigeren Teil der Küche zu, damit sie sich nach und nach in die neuen Aufgaben einfinden können. Was Wittmanns Meinung nach ebenfalls hilft, um den jungen Menschen ein gutes Gefühl zu vermitteln: Alle sind per Du, der Chef eingeschlossen, das Umfeld ist familiär, die Hierarchien sind flach.
Essenziell: die ersten Tage
Nach wie vor ist es nicht leicht, geeignete Azubis zu finden. Zudem gibt es immer auch das Risiko eines Abbruchs. „Wichtig ist also, jeden Azubi, der sich gut macht, auch zu halten“, sagt Florian Kaiser, Abteilungsleiter Berufliche Bildung bei der IHK für München und Oberbayern. Damit das besser gelingt, sollten Unternehmen die Neuen bewusst „onboarden“, also aktiv an Bord nehmen. Das heißt: „Nicht ins kalte Wasser werfen, sondern motivierend, fürsorglich und wertschätzend einarbeiten.“
Der Umgang miteinander in den ersten Tagen der dualen Ausbildung sei essenziell für die weitere Zusammenarbeit, den Lernerfolg und das Bleiben, sagt Kaiser. Er empfiehlt Chefs und Mitarbeitern, an die eigenen Anfänge zurückdenken: Wie hat man selbst die erste Zeit in der Ausbildung oder im neuen Job erlebt? Was hätte man sich anders gewünscht?
Gemeinsam zu Mittag essen
In der Praxis gehört zu einem guten Onboarding zum Beispiel: die Azubis herzlich zu begrüßen, sie durch den Betrieb zu führen – vielleicht sogar gemeinsam mit den Eltern. Es gilt, die Unternehmenskultur zu erläutern, sie für die Produkte und Dienstleistungen, ihren speziellen Job zu begeistern, das Ausbildungsprogramm für die ersten Wochen zu erklären, die Erwartungen diskutieren, die anderen Azubis und Kollegen vorstellen, gegebenenfalls einen Paten an die Seite stellen – und natürlich die Integration ins Team voranzubringen. Kaiser: „Gut ist, wenn die Belegschaft, vielleicht auch der Chef oder die Chefin, in den ersten Tagen gemeinsam mit den neuen Azubis zu Mittag isst.“ So gelinge es ohne viel Aufwand, die Auszubildenden in den Betrieb einzubinden, ihnen ein Gemeinschaftsgefühl zu vermitteln.
Regelmäßig nachfragen
Je nach Beruf sind noch weitere Tipps zu beherzigen: Ein Koch sollte zum Beispiel sofort seine Schürze, eine Bürokauffrau eine funktionierende IT, Mechatroniker das nötige Werkzeug vorfinden. Zudem gilt es, die Auszubildenden nicht zu überfordern – aber auch nicht zu unterfordern. Das richtige Maß findet sich am besten, wenn man regelmäßig auf die Azubis zugeht, sich nach ihren Fortschritten und dem Wohlbefinden erkundigt, sie ermutigt, jederzeit Fragen zu stellen, wenn sie etwas wissen möchten oder auf dem Herzen haben. „Es ist Fingerspitzengefühl gefragt. Freundlich und aufgeschlossen zu sein ist immer richtig“, sagt Kaiser.
Preboarding erwägen
Im Idealfall sollte das Onboarding sogar schon vor dem ersten Arbeitstag beginnen. Denn zwischen Zusage und Ausbildungsbeginn liegt noch einige Zeit, in der die Azubis sich noch umentscheiden könnten. Hier spricht man von Preboarding. Experte Kaiser empfiehlt, den zukünftigen Azubis einige Wochen vor Arbeitsbeginn eine nette E-Mail zu schreiben, dass man sich auf die baldige Zusammenarbeit freut. Auf jeden Fall aber sollte spätestens einen Monat vor Ausbildungsantritt der Vertrag unterschrieben sein. Und auch wer die neuen Azubis schon zum Sommerfest einlädt oder die Betriebsführung mit den Eltern vorzieht, zeigt ihnen, wie willkommen sie sind.